Veralteter Test (BGH – I ZR 200/83)

Leitsatz   

Die Werbung mit Testergebnissen der Stiftung Warentest, deren Veröffentlichung acht bzw fünf Jahre zurückliegt, ist nicht als irreführend anzusehen, wenn der Zeitpunkt der Testveröffentlichung erkennbar gemacht wird und die angebotenen Waren den seinerzeit geprüften gleich sind, technisch nicht durch neuere Entwicklungen überholt sind und für solche Waren keine neueren Prüfungsergebnisse vorliegen.

BGH, Urt. v. 02.05.1985, LG Hamburg

 

Tenor   

Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 14. September 1983 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

 

Tatbestand

    Die Parteien betreiben Versandhäuser und stehen miteinander im Wettbewerb. Die Beklagte hat in ihrem Katalog Frühling/Sommer 1983 auf Seite 771 für Leichtmetall-Jalousien mit einem aus dem März 1975 stammenden Testergebnis „sehr gut“, und auf Seite 1007 für zwei Schlafsäcke mit den aus den Monaten Mai bzw. Juli 1978 stammenden Testergebnissen „gut“, jeweils der Stiftung Warentest und unter Angabe dieser Veröffentlichungsdaten, geworben.

 

    Die Klägerin hat die Werbung der Beklagten mit Testergebnissen, die, wie hier, 8 bzw. 5 Jahre zurücklagen, als Verstoß gegen § 3 UWG beanstandet. Sie hat unter Hinweis auf eine dahingehende Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vorgetragen, der Verkehr werde generell durch eine Werbung mit Testergebnissen der Stiftung Warentest getäuscht, wenn deren Veröffentlichung mehr als 3 Jahre zurückliege. Ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs gehe davon aus, daß das Werturteil, auch wenn es vor 8 bzw. 5 Jahren erstmals veröffentlicht worden sei, weiterhin uneingeschränkt gelte. In dieser Erwartung werde der Verkehr aber getäuscht. In Anbetracht der raschen Neuheitsentwicklung, die sich im Aufkommen immer neuer Angebote zeige, könne ganz allgemein nicht davon ausgegangen werden, daß ein Produkt den gleichen Standard über einen Zeitraum behalte, der 3 Jahre überschreite. Selbst wenn aber auf dem hier in Frage kommenden Warengebiet technische Veränderungen von Gewicht in den letzten Jahren nicht stattgefunden hätten, müsse eine Irreführung angenommen werden, weil die Angabe auch als Aussage über den gegenwärtigen Zustand aufgefaßt werde, also die „Autorität“ des Testurteils noch immer hinter der Werbung stehe. Dies sei aber nicht der Fall, denn das Testurteil sei nur eine „Momentaufnahme“ gewesen, während das Testinstitut das Marktgeschehen insoweit möglicherweise überhaupt nicht mehr überwache, sich jedenfalls nicht offiziell und aktuell dazu geäußert habe.

 

    Die Klägerin hat beantragt,

 

    die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, in ihrem Katalog „Frühling/Sommer 1983“ mit von der Stiftung Warentest in den Jahren 1975 und 1978 veröffentlichten Qualitätsurteilen wie folgt zu werben:

 

    a) Für Leichtmetall-Jalousien mit flexiblen Aluminiumlamellen mit dem Qualitätsurteil „sehr gut“, veröffentlicht im März 1975,

 

    b) für Schlafsäcke aus dem Material 100 % Polyamid (Unterseite) sowie einer Füllung aus 100 % Polyester mit dem Qualitätsurteil „gut“, veröffentlicht im Juli 1978,

 

    c) für einen Schlafsack mit dem Material 80 % Viskose, 20 % Polyamid (Oberseite), 66 % Baumwolle, 34 % Viskose (Unterseite) sowie einer Füllung von 100 % Polyester mit dem Qualitätsurteil „gut“, veröffentlicht im Mai 1978.

 

    Die Beklagte hat eine Irreführung bestritten. Die mit einem Veröffentlichungsdatum versehene Werbung mit einem Testergebnis enthalte lediglich die Aussage, daß das Produkt seinerzeit in dem angegebenen Sinne beurteilt worden sei. Da dies zutreffe, sei die Werbung nicht als irreführend anzusehen. Im übrigen hätten auf dem hier in Frage stehenden Warengebiet der Jalousien und Schlafsäcke technische Veränderungen unstreitig nicht stattgefunden; neuere Prüfungen mit anderen Ergebnissen lägen nicht vor.

 

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die im Einvernehmen mit der Beklagten erhobene Sprungrevision der Klägerin, mit der diese ihren Unterlassungsantrag weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

 

 

    I. Das Landgericht hat ausgeführt, bei einer Werbung mit einem länger zurückliegenden Testergebnis der Stiftung Warentest werde das Publikum, sofern die Daten der Veröffentlichung deutlich angegeben seien, das Testergebnis zeitlich richtig einordnen und nicht ohne weiteres den Schluß ziehen, die Stiftung Warentest würde die so beworbenen Produkte bei einem aktuellen Test ebenso bewerten. Zwar könne die Werbung mit einem länger zurückliegenden Testergebnis im Einzelfall irreführend sein, dafür lägen aber hier keine Anhaltspunkte vor.

 

    II. Die dagegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des § 3 UWG, auf den die Klägerin ihr Klagebegehren stützt, hat das Landgericht ohne Rechtsfehler verneint.

   1. Es stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, der Verkehr entnehme der Werbung, daß der Test zeitlich, wie angegeben, zurückliege, erwarte aber gleichwohl, daß sich die so beworbenen Erzeugnisse in ihrer Qualität gegenüber den seinerzeit getesteten Exemplaren nicht verändert hätten, auch, daß keine neueren Prüfungen der Stiftung Warentest oder vergleichbarer Institute bezüglich dieser Waren vorlägen. Schließlich entnehme der Verkehr dieser Werbung auch die Angabe, die geprüften Waren entsprächen noch immer dem Stand der Technik, seien also technisch nicht durch neuere Entwicklungen überholt.

 

    Das ist unter den Umständen des Streitfalles aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, widerspricht insbesondere nicht der Lebenserfahrung. Die Revision macht dagegen geltend, bei einer Werbung mit Testnoten der Stiftung Warentest sehe der Verbraucher keinen Anlaß, einen kritischen Blick auf das Testdatum zu werfen und daran relativierende Betrachtungen zu knüpfen. Sollte damit gemeint sein, das Publikum werde vom Testdatum bei einer derartigen Werbung keine Kenntnis nehmen, so steht dem die rechtsbedenkenfreie Feststellung des Landgerichts entgegen, die auch die Klägerin in der Vorinstanz nicht in Abrede gestellt hat, diese Datierung werde vom Verkehr wahrgenommen, auch nicht überlesen. Daß der Verkehr den seit der Veröffentlichung verstrichenen Zeitraum von mehreren Jahren, jedenfalls bei Waren, wie sie hier in Rede stehen, nicht zum Anlaß nimmt, Abstriche vom Testergebnis – etwa im Sinne der Einkalkulierung neuer technischer Entwicklungen – zu machen, hat auch das Landgericht angenommen, das die Werbung als Aussage über ein auch aktuelle Geltung beanspruchendes Werturteil angesehen hat.

 

    Die Feststellungen des Landgerichts stehen auch nicht im Widerspruch zu dem im vorliegenden Verfahren vorgelegten Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 3. Dezember 1981 (6 U 219/81). Dort ist als Verkehrsauffassung angenommen worden, der Verkehr erwarte, daß das Testergebnis mit Sicherheit noch aktuell sei. Das entspricht, abgesehen von der Betonung der Sicherheit, sachlich den Feststellungen des Landgerichts im vorliegenden Verfahren, es werde erwartet, die getestete Ware – und damit auch das Testergebnis – seien nicht inzwischen von der technischen Entwicklung überholt. Im gleichen Sinne hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1981, 750, 751 – Folienschweißgerät) die Verkehrserwartung – bei Berufung auf ein undatiertes Testergebnis – dahin beschrieben, es werde darin eine Angabe auf der Grundlage des aktuellen technischen Standes gesehen.

 

    2. a) Auch soweit das Landgericht angenommen hat, in den festgestellten Erwartungen werde der Verkehr durch das tatsächliche Angebot der Beklagten nicht enttäuscht, begegnet das keinen rechtlichen Bedenken. Nach den unstreitigen Feststellungen entsprechen die mit dieser Wertung vertriebenen Waren unverändert den seinerzeit geprüften; bedeutsame neuere technische Entwicklungen hat es danach seitdem nicht gegeben, und Testergebnisse jüngeren Datums liegen, auch nach dem Klagevorbringen, nicht vor. Unter diesen Umständen durfte das Landgericht eine Irreführung verneinen.

 

    b) Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das Landgericht es als notwendig erachtet hat, die Frage, ob der festgestellten Verkehrserwartung tatsächlich entsprochen werde, im Hinblick auf die beworbenen Waren – hier eine bestimmte Jalousie und zwei bestimmte Schlafsäcke – zu beurteilen. Die Frage, ob eine Irreführung vorliegt, kann jeweils nur im Hinblick auf die jeweiligen Waren beantwortet werden, insbesondere danach, ob diese den seinerzeit geprüften gleich sind, ob sie nicht technisch auf dem Markt überholt sind, und ob für diese keine neueren vergleichbaren Prüfungsergebnisse vorliegen. Demgegenüber kann der vom Oberlandesgericht Koblenz in dem genannten Urteil vertretenen Auffassung nicht zugestimmt werden, die Werbung mit einem Testergebnis, das mehr als 3 Jahre zurückliege, sei, weil veraltet, generell ein Verstoß gegen § 3 UWG. Seine Begründung, bei der allenthalben rasch fortschreitenden technischen Entwicklung und der allgemein üblichen stetigen Steigerung der Qualitätsanforderungen sei es nicht sicher, daß ein 3 Jahre zurückliegendes Testergebnis noch zutreffend sei, rechtfertigt die generelle Verwerfung einer derartigen Werbung nicht. Denn die Ansicht, die technische Entwicklung verlaufe auf dem hier in Rede stehenden Markt allgemeiner Konsumartikel ganz allgemein oder auch nur in der Regel so schnell, daß die Bezugnahme auf Tests, die älter als 3 Jahre seien, ausgeschlossen sei, widerspricht der Lebenserfahrung. Diese geht eher dahin, daß zahlreiche Konsumartikel ihren Standard über Jahre halten, daß oft allenfalls äußere Details verändert werden und daß Neuentwicklungen eher auf besonderen Teilgebieten häufiger sind. Eine solche Sonderentwicklung hat offenbar, was in seiner Richtigkeit hier offenbleiben kann, das Oberlandesgericht Düsseldorf für Folienschweißgeräte angenommen und deshalb eine Werbung mit einem – zudem undatierten – älteren Testergebnis für irreführend gehalten (aaO.). Eine generelle Verwerfung der Werbung mit älteren – datierten – Testergebnissen ist auch dieser Entscheidung nicht zu entnehmen, ihr könnte auch nicht zugestimmt werden.

 

    3. Auch soweit man erwägen könnte, ob derartige Testergebnisse etwa dadurch in ihrer Richtigkeit zweifelhaft geworden sein könnten, daß etwa zwischenzeitlich, ohne daß damit eine neue technische Entwicklung eingetreten ist, weitere Konkurrenzprodukte auf den Markt gekommen sein könnten, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Denn daraus kann sich jedenfalls gegenüber Testergebnissen der Stiftung Warentest in der Regel keine Änderung der Bewertung geprüfter Waren ergeben, weil deren Prüfung nicht an der Qualität anderer Produkte, sondern am Stand der Technik orientiert wird, mithin eine objektive Aussage über die Qualität anhand vorgegebener Kriterien darstellt (vgl. BGH GRUR 1982, 437, 438 – Test gut).

 

    Die Revision war danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.