Mundschutz oder nur eine Mund-Nase-Maske

Mundschutz nähen und abgemahnt werden?

Achtung: Mund“schutz“ schützt nicht vor Abmahnung – im Gegenteil

Derzeit wird in vielen, vielen Haushalten wieder einmal die Nähmaschine entstaubt, gereinigt und geölt, um zu helfen, denn in immer mehr Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen fehlt Schutzbekleidung, insbesondere Mundschutz. Viele opfern ehrenamtlich ihre Zeit und ihr Material, um auszuhelfen, doch bei der Bezeichnung ist Vorsicht geboten.

Das Problem:

„Mundschutz“ ist ein festgelegter Begriff für ein medizinisches Produkt, das u.a. in Kliniken und Pflegeeinrichtungen zum Alltag gehört und das dem Medizinproduktegesetz (kurz MPG) unterliegt. In dem Moment, in dem man einem selbstgenähten/-gebastelten oder sonst wie angefertigten Werk die Bezeichnung „Mundschutz“ verleiht, unterwirft man es damit quasi dem MPG und muss sein Werk an dessen Richtlinien messen lassen. Ein (Mund-)„Schutz“ muss nach dem MPG nämlich auch tatsächlich Schutz bieten, und da liegt das Problem. Die allermeisten Stoffe sind nicht einmal im Ansatz geeignet, Viren und Bakterien am Durchkommen zu hindern, denn dafür ist ihre Struktur einfach viel zu grob.

Juristische Spitzfindigkeit oder berechtigter Einwand?

Vielfach geht ein Aufschrei durch die sozialen Netzwerke, dass das ja wohl jedem klar sei, dass eine selbstgenähte Stoffmaske keinen Schutz biete, und ob wir Anwälte nichts Besseres zu tun hätten (Randnotiz: auch Anwälte nähen mit). Also wozu das Ganze?

Das MPG gibt es, um „für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter zu sorgen“. Genau das sollte doch in unser aller Interesse sein, Schutz für Patienten und Anwender. Doch wie soll man ohne das erforderliche Fachwissen und ohne die Möglichkeit der Materialprüfung (z.B. bei einem Angebot im Internet) herausfinden, ob es sich um einen schutzgebenden Artikel handelt oder nicht? Richtig, man kann sich nur auf die Beschreibung verlassen.

Gerade in dieser für die meisten doch belastenden Zeit fehlt vielen Menschen schlicht und einfach auch mal notwendige Aufmerksamkeit. Entdeckt dann z.B. die Leitungskraft einer Pflegeeinrichtung ein Angebot wie „20 waschbare Mundschutze“, kann es durchaus sein, dass sie sich freut, nach langer Suche endlich entsprechende und noch dazu verfügbare Schutzbekleidung für Ihre MitarbeiterInnen gefunden zu haben, und diese, ohne die Artikelbeschreibung auch nur zu überfliegen, bestellt, um dann zum nächsten eiligen „To-do“ überzugehen. Vielleicht wird sie bei den erhaltenen Werken noch nicht einmal stutzig, wenn diese aus dünnem Stoff bestehen, solange sie einigermaßen gerade Nähte haben. Und selbst wenn sie sich die Werke näher anschaut, was soll ihr auffallen, außer dass es sich um Stoff handelt und ob er sich gut anfühlt oder nicht? Wie viele der NäherInnen kennen den Unterschied zwischen Webware, Maschenware und Wirkware oder wissen, ob die Stoffe Schadstoffe enthalten oder Kochwäsche überleben? Da werden in die Masken die Drähte aus Heftstreifen eingenäht, nur um sie als “Mundschutz mit Draht“ anbieten zu können, obwohl die Drähte zum einen ganz klar rosten werden und zum anderen aufgrund ihrer scharfen Kanten wahrscheinlich einen ordentlichen Schleudergang in der Waschmaschine nicht überstehen.

Genau deshalb brauchen wir ein Gesetz wie das MPG, und Behelfsmasken müssen eindeutig, in jedem Fall und ohne jeden Zweifel auf Anhieb als solche identifizierbar sein. Ohne Wenn und Aber, während der Pandemie und danach.

Die Lösung:

Die sicherste Lösung wäre natürlich schlichtweg die Arbeit einzustellen und nicht weiterzunähen, doch das muss nicht sein. Der „Trick“ ist, die Werke anders zu nennen und damit die Widmung als medizinisches Produkt anderen zu überlassen, sei es der Klinik oder auch der Pflegeeinrichtung. Wenn die dafür zuständige Stelle innerhalb des Unternehmens die Werke als geeignet durchwinkt, nimmt nämlich diese die Widmung vor und nicht die NäherInnen. Warum in dieser Zeit nicht etwas kreativ werden und denjenigen, die die Masken erhalten, damit ein kleines Lächeln entlocken. Wie wäre es statt „Mundschutz“ vielleicht mit „Niesbarriere“, „Flunschverstecker“ oder „BeMuNaMa“(Behelfs-Mund-Nasen-Masken)? Natürlich können Sie auch weniger kreativ sein und die Masken einfach „Mund-Nase-Maske“, „Mundbedeckung“ oder „Behelfsmaske“ nennen. Der Kreativität sind hier kaum Grenzen gesetzt, solange Sie auf jegliche Kombinationen, die die Silbe „Schutz“ beinhalten, verzichten.

Beim Verkauf an Private gilt es übrigens ebenso aufzupassen, denn Verbraucher gelten im deutschen Recht als besonders schutzwürdig. Suggeriert man Ihnen Schutz durch ein selbst hergestelltes Werk, führt man sie u. U. in die Irre, selbst wenn ausdrücklich dabeisteht „Schützt nicht vor einer Corona-Infektion“, denn was ist dann z. B. mit einer Grippe-Infektion? Ein Schutz dagegen wäre doch durchaus auch praktisch.

Und noch ein Hinweis: als Privatperson dürfen Sie – Corona hin oder her – nach wie vor keine entsprechenden Verkäufe tätigen, denn dafür benötigen Sie einen Gewerbeschein, ansonsten lauert hier der nächste juristische Fallstrick. Aber Sie dürfen Ihre selbstgenähten Masken natürlich verschenken oder spenden!

Kurzum: helfen ja, aber dann richtig.

Denn wo „Schutz“ draufsteht, sollte auch Schutz drin sein, für all diejenigen, die Schutz brauchen, die täglich mit vielen Menschen zusammenkommen, gesunden, erkrankten oder Risikogruppen, also diejenigen, die auch unter diesen schwierigen Bedingungen immer weitermachen, selbst wenn es ihrem Arbeitgeber nicht einmal mehr gelingt, ihnen die benötigte Schutzausrüstung zu stellen. 

Und was ist nun mit diesen Abmahnungen?

Und für all diejenigen, die aktuell über „Abmahnanwälte“ schimpfen, die hier ohne Augenmaß in der Krise nun kleine ehrenamtliche NäherInnen abmahnen, sei mitgeteilt, dass bis dato noch gar keine Abmahnung wegen „Mundschutz“ in der Presse genannt wurde, so dass davon auszugehen ist, dass es eine solche auch noch nicht gibt.

Und wenn, dann setzt dies für eine Abmahnung nach § 8 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) immer noch eine „geschäftliche Handlung“ voraus, so dass alle rein privat handelnden NäherInnen nicht abgemahnt werden könnten, solange die Masken dann nicht vertrieben, sondern verschenkt oder gespendet werden.

Die wiederum im MPG enthaltenen Straf- und Bußgeldvorschriften könnten eher das Problem darstellen, wenn aber durch die Politik entsprechende private Initiativen zum Nähen von „Mundschutz“ gefordert werden, dann kann nicht zugleich der Staat diese Initiativen, soweit sie nicht vorsätzlich gegen das MPG handeln, bestrafen (selbst wenn im Gesetz auch fahrlässiges Handeln mit einer Strafandrohung versehen ist). Denn hier sind zumindest die privaten und ehrenamtlichen Initiativen dann „entschuldigt“. Und nur das wäre ein Punkt, an dem auch der Staat während der Krise etwas klarstellend handeln könnte.

Erst ein gewerblicher Anbieter von Masken, also jemand der diese bewirbt und dann verkaufen möchte, setzt sich dem Risiko einer Abmahnung aus, wenn er die Voraussetzungen des MPG nicht einhält, aber den entsprechenden Eindruck vermittelt. Und diese Regelungen dienen nicht der Schikane der Händler, sondern dem Schutz der für uns alle in den Krankenhäusern und Einrichtungen arbeitenden Personen, die gerade Schutz durch die Masken benötigen und nicht, wie die Allgemeinheit beim Einkaufen, andere nur vor den eigenen Tröpfchen schützen sollte.

Für alle, die es gerne ausgedruckt lesen, verteilen oder verbreiten möchten, hier die Pressemitteilung meiner Kanzlei als PDF: Pressemitteilung zum Mundschutz.pdf