Neues Informationssystem (BGH – I ZR 59/93)

Leitsatz

1. Erachtet der Richter der ersten Instanz eine Irreführung des Verbrauchers über die Beschaffenheit der als fabrikneu angebotenen Ware für möglich, wenn die Werbung (hier für hochpreisige EDV-Anlagen) keinen Hinweis darauf enthält, daß das Gerät nicht nur neue, sondern auch lediglich neuwertige, gebrauchte Teile enthält, so stellt es einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des ZPO § 539 dar, wenn er die Klage abweist, ohne den angebotenen Beweis zur Verbrauchervorstellung zu erheben.

 

2. Die wettbewerbsrechtliche Bedeutung der Vorstellung des Verbrauchers von der Fabrikneuheit einer Ware kann bei hochpreisigen EDV-Anlagen von der Frage beeinflußt sein, ob sich der Einsatz neuwertiger Teile im sogenannten Equivalent To New (ETN-Prozeß) auf verschleißfreie Teile beschränkt und ob es eine dahingehende Übung in der einschlägigen Branche gibt.

BGH, Urt. v. 05.04.1995, OLG München, LG Augsburg

 

Tenor


Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. Dezember 1992 aufgehoben, soweit es die Klägerin zu 3 betrifft.

 Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin zu 3 gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Augsburg vom 20. Februar 1992 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage der Klägerin zu 3 als unzulässig abgewiesen wird.

 

Die Kosten der Revision werden wie folgt verteilt:

Von den Gerichtskosten tragen die Beklagte 2/3, die Klägerin zu 3 1/3. Von den außergerichtlichen Kosten trägt die Beklagte die Kosten der Klägerinnen zu 1 und 2. Die Klägerin zu 3 trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Im übrigen tragen die Klägerin zu 3 und die Beklagte ihre Kosten selbst.

Die Entscheidung über die Kosten im übrigen bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

 
Die Klägerinnen zu 1 und zu 2 – die Klägerin zu 3 ist im Laufe des Revisionsverfahrens aufgelöst und im Handelsregister gelöscht worden – verleasen und vermieten neue und gebrauchte EDV-Anlagen verschiedener Hersteller, die sie zur Realisierung des Restwerts der Geräte auch verkaufen. Die Beklagte verkauft, verleast und vermietet von ihr hergestellte EDV-Systeme und solche von Schwesterfirmen des I.-Konzerns, die unter anderem in Frankreich, Spanien und Italien hergestellt worden sind.

 

Die Beklagte wirbt für ihre Produkte – beispielsweise für das „Neue Informationssystem I.“ – mit ausführlichen Prospekten, die Fotos der Anlagenteile, technische Beschreibungen, Beschreibungen der Anwendungsvorzüge und Einsatzmöglichkeiten der Anlagen enthalten, die insgesamt einen hohen Sachverstand beim Leser voraussetzen. Die Anlagen der Beklagten haben einen Anschaffungswert von einigen hunderttausend DM bis weit über mehr als 40 Mio. DM. Die Beklagte verwendet beim Verkauf ihrer neuen Anlagen Allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen sie ihre Maschinen als „fabrikneu“ bezeichnet und auf die unstreitige Tatsache hinweist, daß diese „neben neuen auch neuwertige Teile enthalten“.

 

Die Klägerinnen haben das Geschäftsgebaren der Beklagten, EDV-Anlagen als fabrikneu zu verkaufen, ohne in der Werbung darauf hinzuweisen, daß diese auch (nur) neuwertige Teile enthielten, als irreführendes Wettbewerbsverhalten gemäß § 3 UWG beanstandet und den Hinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die Verwendung neuwertiger Teile als eine überraschende und deshalb gemäß § 3 AGBG nichtige Klausel und als einen Verstoß gegen § 1 UWG gerügt. Wer eine Maschine als fabrikneu verkaufe, so haben die Klägerinnen ausgeführt, erwecke bei dem angesprochenen Verkehr die Vorstellung, daß sämtliche Teile der Maschinen fabrikneu und nicht gebraucht seien. Wer aber, wie die Beklagte, in die beworbene EDV-Anlage auch Gebrauchtteile einbaue, habe den Verkehr darüber aufzuklären, ansonsten unterbreite er ein irreführendes Angebot im Sinne des § 3 UWG. Die wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung entfalle auch nicht dadurch, daß die eingebauten neuwertigen Teile von gleicher Leistungsfähigkeit seien wie neue Teile. Das Irreführungsverbot schütze nämlich auch das Vorurteil des Verbrauchers, der davor bewahrt werden solle, durch falsche Angaben angelockt und dazu veranlaßt zu werden, sich mit den Angeboten näher zu beschäftigen. Zum anderen sei die Irreführung aber auch deshalb relevant, weil die Verwendung gebrauchter Bauteile einen entscheidenden Einfluß auf den Preis der Rechneranlage habe. Die Interessenten erwarteten infolge der Verwendung gebrauchter Einzelteile einen niedrigeren Preis als für insgesamt fabrikneue Produkte. Der Hinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen reiche nicht aus, um eine Irreführung der Verbraucher auszuschließen. Hierzu hätte es vielmehr eines deutlichen Hinweises in den Werbebroschüren bedurft, daß auch (nur) neuwertige Teile eingebaut seien. Durch die unzulässige AGB-Klausel verschaffe sich die Beklagte einen gemäß § 1 UWG zu mißbilligenden Wettbewerbsvorsprung gegenüber ihren rechtstreuen Mitbewerbern.

 

Die Klägerinnen haben beantragt,

der Beklagten zu verbieten,

a) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Vertrieb von I.-Maschinen diese als fabrikneu anzubieten, wenn darin neuwertige Teile enthalten sind oder enthalten sein können;

b) in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel zu verwenden, wonach die als fabrikneu bezeichneten Maschinen neben neuen auch neuwertige Teile enthalten können.

Hierzu haben sie weitere Hilfsanträge gestellt.

 

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat darauf hingewiesen, daß in ihre als fabrikneu verkauften EDV-Anlagen nur solche neuwertigen Gebrauchtteile eingebaut seien, die einem mechanischen Verschleiß nicht ausgesetzt seien. Es handele sich hierbei insbesondere um Module, Karten und Microchips. Alle Teile, die einem mechanischen Verschleiß unterlägen, seien vom sogenannten ETN-Prozeß (Equivalent To New) von vornherein ausgeschlossen. Ebenso sei zu berücksichtigen, daß als neuwertig nur solche Komponenten in Frage kämen, die allen jeweils gültigen funktionellen Anforderungen genügten, den aktuellen technischen Ausrüstungsstand aufwiesen und mit den neu produzierten Komponenten in jeder Hinsicht austauschbar seien. Sonach sei die Tatsache der Verwendung gebrauchter, aber absolut neuwertiger elektronischer Komponenten für die Kaufentscheidung der angesprochenen Verkehrskreise unwesentlich. Sie treffe deshalb auch keine Pflicht, ihre Kunden über die Verwendung neuwertiger elektronischer Bestandteile in der Werbung aufzuklären. Bei der Verwendung der sogenannten ETN-Bauteile handele es sich um ein in der EDV-Branche übliches Produktionsverfahren. Die von den Klägerinnen geschilderte Praxis der Firma S., auf die Verwendung gebrauchter Teile hinzuweisen, beziehe sich vermutlich auf Maschinen, die gebrauchte Verschleißteile enthielten, also auf einen anderen Sachverhalt. Kostenvorteile, die die Beklagte durch das ETN-Verfahren erziele, kämen den Abnehmern über die günstigere Preisgestaltung zugute. Eine relevante Irreführung scheide auch schon deshalb aus, weil die Interessenten an diesen hochwertigen EDV-Anlagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit dem darin enthaltenen aufklärenden Hinweis zur Kenntnis nähmen. Das von den Klägerinnen begehrte Verbot verstoße zudem als eine Maßnahme gleicher Wirkung gegen Art. 30 EGV.

 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Berufungsgericht die Sache zur Einholung eines Meinungsforschungsgutachtens hinsichtlich der behaupteten Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise an das Landgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, begehrt die Beklagte, das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

 

Entscheidungsgründe

 

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von den Klägerinnen behauptete Gefahr einer Irreführung der Kaufinteressenten von EDV-Anlagen der Beklagten könne im Streitfall nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Da die Beklagte auf dem Markt für Neuanlagen werbe, gehe der angesprochene Verkehr möglicherweise ohne weiteres davon aus, daß es sich um das Angebot fabrikneuer Produkte handele. Es könne zwar unterstellt werden, daß die Leistungsfähigkeit einer Rechenanlage das wesentliche Kriterium für den Kaufinteressenten sei, daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dem ganz überwiegenden Teil der Interessenten sei es gleichgültig, ob die Leistung von fabrikneuen oder nur neuwertigen Teilen erbracht werde. Zu Unrecht habe das Landgericht aus der von der Beklagten behaupteten allgemeinen Branchenpraxis, beim Neuverkauf von EDV-Anlagen auch neuwertige Teile zu verwenden, geschlossen, daß dieser Punkt für den Kunden nicht bedeutsam sei. Das Landgericht habe dabei übersehen, daß nach dem Vortrag der Klägerinnen die wichtigsten Mitbewerber auf dem maßgeblichen Marktsegment, nämlich die Firmen S., H. und A. bei der Herstellung fabrikneuer EDV-Anlagen keine gebrauchten (neuwertigen) Teile verwendeten. Auch mit dem Argument, daß der Kaufinteressent spätestens im Zuge der dem Vertragsabschluß vorausgehenden umfangreichen Besprechungen, bei denen er auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Kenntnis nehme und prüfe, von der möglichen Verwendung neuwertiger Teile Kenntnis bekomme und aufgrund dieser Aufklärung gegebenenfalls vom Kauf Abstand nehmen könne, könne die Bedeutsamkeit für den Kaufentschluß nicht verneint werden. Dabei könne dahinstehen, ob der Kunde, wie das Landgericht angenommen habe, stets die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im einzelnen prüfe. Denn nach einheitlicher Rechtsprechung sei eine Irreführung schon dann anzunehmen, wenn eine unzutreffende Angabe geeignet sei, Kaufinteressenten anzulocken und zur Beschäftigung mit dem Angebot geneigt zu machen, das sie sonst möglicherweise nicht beachtet hätten. Um eine Irreführungsgefahr auszuschließen, hätte es deshalb eines deutlichen Hinweises in den Werbeprospekten bedurft.

 

Bei dieser Sachlage habe das Landgericht das Beweisangebot der Klägerinnen, eine Verkehrsbefragung einzuholen, nicht übergehen dürfen. In der Nichterhebung dieses Beweises liege ein wesentlicher Verfahrensfehler des Landgerichts, der die Zurückverweisung gemäß § 539 ZPO gebiete.

 

Vom Ausgang der Beweisaufnahme hänge es auch ab, ob der auf § 1 UWG gestützte weitere Klageantrag Erfolg habe, mit welchem der Beklagten verboten werden solle, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel zu verwenden, wonach die als fabrikneu bezeichneten Maschinen neben neuen auch neuwertige Teile enthalten könnten. Erwarteten nämlich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Abnehmer der EDV- Anlagen, daß diese nur fabrikneue Teile aufwiesen, so komme der AGB-Klausel, in welcher darauf hingewiesen werde, daß neben neuen auch neuwertige Teile verwendet würden, eine überraschende Wirkung im Sinne des § 3 AGBG zu. Die Beklagte verschaffe sich dann durch die nichtige AGB-Klausel einen Wettbewerbsvorsprung, weil diese es ihr ermögliche, die Produkte nicht zu dem vom Verkehr als angemessen erachteten, sondern zu dem Preis zu veräußern, der unter der Voraussetzung der Fabrikneuheit aller Teile gefordert werde.

Eine Anwendung von Art. 30 EGV oder der Irreführungsrichtlinie 84/450/EWG komme schon deshalb im Streitfall nicht in Betracht, weil die Beklagte nicht dargelegt habe, daß ihr Verhalten in den von ihr genannten europäischen Herstellungsländern gesetzeskonform sei.

 

II. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision der Beklagten ohne Erfolg. Die Abweisung der Klage der Klägerin zu 3 folgt aus verfahrensrechtlichen Gründen. Die Klägerin zu 3, eine Kommanditgesellschaft, wurde im Laufe des Revisionsverfahrens aufgelöst und im Handelsregister gelöscht. Sie hat damit ihre Rechtsfähigkeit, also ihre Fähigkeit, gemäß § 50 ZPO im Verfahren als Partei aufzutreten, verloren (BGH, Urt. v. 29.9.1981 – VI ZR 21/80, NJW 1982, 238). Die von der Revisionserwiderung behauptete Übernahme des Geschäftsbetriebs durch ein drittes Unternehmen behebt nicht den Mangel der Parteifähigkeit der Klägerin zu 3. Der Wegfall der Parteifähigkeit der Klägerin zu 3 während des Prozesses führt vielmehr wegen des Fehlens einer allgemeinen Prozeßvoraussetzung, die auch im Revisionsverfahren zu beachten ist, zur Abweisung ihrer Klage (vgl. BGHZ 74, 212, 214).

 

1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, daß die Entscheidung des Landgerichts, welches die Wettbewerbsklage abgewiesen hat, ohne über die behauptete Irreführung den von den Klägerinnen zu 1 und zu 2 (im folgenden: Klägerinnen) angebotenen Beweis erhoben zu haben, auf einem wesentlichen Verfahrensverstoß beruht, der die Zurückverweisung des Rechtsstreits gemäß § 539 ZPO an die erste Instanz rechtfertigt. Da das Landgericht es selbst als möglich erachtet hat, daß die im Werbematerial der Beklagten verschwiegene Tatsache der Verwendung (nur) neuwertiger Teile bei den als fabrikneu angebotenen EDV-Anlagen die angesprochenen Verkehrskreise zu Fehlvorstellungen über die Beschaffenheit der beworbenen EDV-Anlagen verleite, durfte es die Klage nicht abweisen, ohne den angebotenen Beweis zur Täuschung der Verbraucher erhoben zu haben. Das Berufungsgericht sieht es – insoweit von den Parteien des Revisionsverfahrens unbeanstandet – zu Recht als verfahrenswidrig an, daß das Landgericht aus der von der Beklagten behaupteten allgemeinen Branchenpraxis der Verwendung neuwertiger Teile gefolgert hat, die Verwendung (nur) neuwertiger Teile sei für das Kaufverhalten der angesprochenen Verkehrskreise nicht bedeutsam. Zu einer dahingehenden Feststellung durfte das Landgericht deshalb nicht kommen, weil die entsprechende Behauptung der Beklagten zur Branchenübung nicht – wie vom Landgericht ausgeführt – unwidersprochen geblieben war, sondern die Klägerinnen im Gegenteil vorgetragen hatten, daß wichtige Mitbewerber auf dem maßgeblichen Marktsegment bei der Herstellung fabrikneuer EDV-Anlagen keine gebrauchten (neuwertigen) Teile verwendeten.

 

2. Entgegen der Ansicht der Revision, welche das landgerichtliche Urteil jedenfalls im Ergebnis für zutreffend hält, kann dem Klagevorbringen nicht die schlüssige Darlegung abgesprochen werden, die Werbung der Beklagten verstoße gegen § 3 UWG. Ohne weitere Feststellungen zur Branchenübung im angesprochenen Bereich und zu den einzelnen bei den EDV-Anlagen eingesetzten gebrauchten Teilen läßt sich nicht folgern, dem geschäftlichen Verkehr komme es nicht darauf an, ob (nur) neuwertige Teile bei den Maschinen der Beklagten eingesetzt seien, und daß sich deshalb ein aufklärender Hinweis bei den Werbeangaben erübrige. Steht fest, welche Branchenübung besteht und welche Teile bei den einzelnen Anlagen (nur) neuwertig sind, so bleibt im Rahmen der Verkehrsbefragung zu klären, ob die als wettbewerbswidrig beanstandete Tatsache, daß die Beklagte einen Hinweis auf die Verwendung neuwertiger Teile in ihrer Werbung unterläßt, auf die Kaufentscheidung der beworbenen Verkehrskreise Einfluß hat.

 

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß das Angebot und die Werbung der Beklagten dem angesprochenen Verkehr den Erwerb einer fabrikneuen EDV-Anlage verspricht.

Wer eine Ware als neu verkauft, erklärt damit, daß die Ware fabrikneu ist. Mangels gegenteiliger Absprache der Vertragsparteien ist bei einem Verkauf als neu die Fabrikneuheit der Ware eine konkludent zugesicherte Eigenschaft der Kaufsache (BGH, Urt. v. 18.6.1980 – VIII ZR 185/79, NJW 1980, 2127, 2128; Urt. v. 5.12.1984 – VIII ZR 277/83, NJW 1985, 796, 798). Dementsprechend enthält die Werbung für eine neue Ware die Aussage, daß diese fabrikneu und nicht gebraucht ist. Eine in solchen Fällen möglicherweise vorliegende Irreführung der Verbraucher ist dann nicht die Folge einer unvollständigen Angabe, sondern Folge der konkludenten Anpreisung der Beschaffenheit einer Ware. Einer solcher Art hervorgerufenen Fehlvorstellung des Verbrauchers über die Fabrikneuheit kann, wie das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision des weiteren rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, die Wettbewerbswidrigkeit grundsätzlich nicht durch nachträgliche Hinweise auf die wahre Eigenschaft des Artikels bei Verkaufsgesprächen oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen genommen werden. Eine irreführende Angabe ist gemäß § 3 UWG nämlich auch dann zu beanstanden, wenn der dadurch angesprochene Verbraucher im Zeitpunkt seiner Kaufentscheidung nicht in einem Irrtum befangen ist, aber die betreffende Angabe geeignet ist, den Kunden anzulocken und ihn zu veranlassen, sich mit diesem Angebot näher zu befassen, das er sonst nicht oder nicht in dieser Weise beachtet hätte (st. Rspr., BGH, Urt. v. 8.6.1989 – I ZR 233/87, GRUR 1989, 855, 856 = WRP 1990, 235 – Teilzahlungskauf II; Urt. v. 5.12.1991 – I ZR 63/90, GRUR 1992, 171, 172 = WRP 1992, 165 – Vorgetäuschter Vermittlungsauftrag).

 

3. Eine differenzierende Betrachtung der Verkehrsvorstellung des Verbrauchers über die Fabrikneuheit der Sache kann geboten sein, wenn es – wie hier – um das Angebot einer hochwertigen EDV-Anlage geht, die – wie die Beklagte unwidersprochen behauptet hat – verschleißfreie Teile aufweist, deren Funktionstüchtigkeit durch den Einsatz gebrauchter Elemente nicht beeinträchtigt wird. Hierzu bedarf es näherer Feststellungen.

 

a) Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung, nach der Verkehrsanschauung sei die von der Beklagten beworbene EDV-Anlage nicht als fabrikneu anzusehen, auf das für die meisten Artikel des menschlichen Bedarfs wohl ausreichende Verständnis beschränkt, wonach eine Sache als fabrikneu nur angesehen werden kann, wenn sie noch nicht benutzt worden ist, durch Lagerung keinen Schaden erlitten hat und nach wie vor in der gleichen Ausstattung hergestellt wird (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 3 UWG Rdn. 148). Diese Sicht ist sicher dann gerechtfertigt und ausreichend, wenn ein Produkt des täglichen Bedarfs beworben wird, das einem ständigen Verschleiß unterliegt. In einem solchen Fall erwartet der Verbraucher vernünftigerweise, daß das als neu verkaufte Produkt keine gebrauchten (Verschleiß-)Teile enthält. Weist aber ein Produkt, wie von der Beklagten für ihre EDV-Anlage bezüglich der eingesetzten Microchips, der Module und der Karten behauptet worden ist, Teile auf, die durch den Gebrauch der EDV-Anlage keinem Verschleiß unterliegen und die in ihrer Funktionstüchtigkeit sich nicht von neuen Teilen unterscheiden, so ist es nicht ausgeschlossen, daß die Verwendung solcher neuwertiger Teile in einer im übrigen fabrikneuen hochwertigen EDV-Anlage an der Einschätzung des Verbrauchers, (auch) eine solche EDV-Anlage sei fabrikneu, nichts ändert.

 

b) Die Parteien haben zu Art und Umfang der eingesetzten gebrauchten Teile unterschiedlichen Vortrag gehalten. Die Klägerinnen, welchen die Darlegung der die Irreführung gemäß § 3 UWG begründenden tatsächlichen Elemente obliegt, haben aus der Formulierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, wonach „neben neuen auch neuwertige Teile enthalten“ seien, gefolgert, daß die Maschinen der Beklagten „im Extremfall aus zwei fabrikneuen Teilen, im übrigen aber aus schon einmal eingesetzten, wenn auch neuwertigen Teilen, bestehen könne“. Die Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, daß sie als neuwertige Teile nur Chips, Module oder Karten einsetze; alle Teile, die einem mechanischen Verschleiß ausgesetzt sein könnten, seien vom sogenannten ETN-Prozeß von vornherein ausgeschlossen.

 

Der Tatrichter wird die Klägerinnen zur Konkretisierung ihres Vortrags anzuhalten haben. Denn erst wenn festgestellt ist, wie die beworbene Ware beschaffen ist, läßt sich ein für die gerichtliche Entscheidung bedeutsamer Beweis über die Irreführung einer Werbeangabe erheben. Irreführend im Sinne von § 3 UWG sind Angaben nämlich nur dann, wenn sie auch geeignet sind, die Kaufentscheidung des angesprochenen Publikums für die beworbene Ware zu beeinflussen (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1994 – I ZR 201/92, WRP 1995, 183, 185 – Editorial m.w.N.).

 

c) Für die Beurteilung, ob der Verbraucher hochwertige EDV-Anlagen, die in Teilbereichen gebrauchte, neuwertige Teile aufweisen, als fabrikneu ansieht oder nicht, ist des weiteren die unter den Parteien streitige Frage von Bedeutung, ob und in welchem Umfang auch Mitbewerber sogenannte ETN-Bauteile verwenden und ob sie ihre Kunden über diesen Umstand aufklären. Erst wenn diese Umstände geklärt sind, kann im Rahmen einer Meinungsumfrage untersucht werden, ob eine entsprechende Marktübung den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt ist und ob sie bei der Verwendung von ETN-Bauteilen hochwertiger EDV-Anlagen eine Aufklärung erwarten oder nicht.

 

d) Der Vortrag der Klägerinnen, die Angabe über die Verwendung nur neuwertiger Bauteile sei für die Interessenten von Großrechneranlagen, ungeachtet ihrer mit neuen Teilen vergleichbaren Leistungsfähigkeit, von Belang, weil die Kunden bei Anlagen, die auch (nur) neuwertige Komponenten enthielten, einen anderen Preis erwarteten als bei vollständig aus fabrikneuen Teilen hergestellten Systemen, ist für sich nicht geeignet, das begehrte Verbot wegen des Tatbestandes irreführender Preisbemessung im Sinne des § 3 UWG schlüssig zu begründen. Von einer rechtlich relevanten Irreführung über die Preisbemessung im Sinne des § 3 UWG könnte im Streitfall nur gesprochen werden, wenn, was noch ungeklärt ist, es ausgeschlossen ist, daß die Hersteller hochwertiger EDV-Anlagen verschleißfreie neuwertige Teile verwenden, und der Kunde deshalb in einer als fabrikneu beworbenen EDV-Anlage ein in allen Teilen neues Gerät erwartet, dessen Preis durch die Gestehungskosten der neu produzierten Teile bestimmt ist.

 

4. Hinsichtlich des Klageantrags zu b, welcher den in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in Nr. 5.1 unter „Gewährleistung für Maschinen“ gegebenen Hinweis betrifft, ist zu bemerken, daß dieser Antrag sich ersichtlich nicht gegen die Verwendung einer gemäß AGB-Gesetz unzulässigen Klausel richtet. Dem Hinweis ist nämlich keine Regelung zu entnehmen, welche die Rechte des Käufers der EDV-Anlage berührte. Die Vorschriften des AGB-Gesetzes gelten aber nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden (§§ 8, 9 AGBG). Im Streitfall handelt es sich bei der beanstandeten „Klausel“ lediglich um die Beschreibung des Gegenstands der vertraglichen Leistung, die einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz entzogen ist. Solche Beschreibungen legen Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung fest, lassen aber die für die Leistung geltenden wesentlichen gesetzlichen Vorschriften unberührt. Sie unterliegen nicht der gerichtlichen Kontrolle nach dem AGB-Gesetz (BGHZ 100, 157, 173).

 

Der Klageantrag richtet sich vielmehr gegen die Fassung des Hinweises über die Verwendung (nur) neuwertiger Teile und seine Anordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Erweist sich nämlich, daß für die Kaufentscheidung des Verbrauchers ein Hinweis über die Verwendung (nur) neuwertiger Teile in den EDV-Anlagen der Beklagten von Bedeutung ist, so genügt dem seine Anordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht. Ein solcher Hinweis müßte vielmehr klar und unmißverständlich gegeben werden. Wer sich aber, wie die Beklagte, auf eine eher versteckte Aufklärung beschränkt, verschafft sich in einem solchen Fall einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil und handelt sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG (vgl. BGHZ 121, 52, 58 – Widerrufsbelehrung; BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, GRUR 1994, 59, 60 = WRP 1993, 747 – Empfangsbestätigung).

 

III. Nach alledem war die Revision der Beklagten, soweit sie das Klagebegehren der Klägerinnen zu 1 und zu 2 betrifft, zurückzuweisen. Der Verlust der Parteifähigkeit der Klägerin zu 3 führte dazu, daß die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts insoweit als Prozeßurteil zu bestätigen war.

 

Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Im übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten dem Landgericht vorbehalten.