Leitsatz
1. Zur Frage, ob ein Wettbewerbsverein rechtsmißbräuchlich im Sinne des UWG § 13 Abs 5 handelt, wenn er wegen eines vergleichbaren Verstoßes nur gegen einen Dritten und nicht auch gegen eigene Mitglieder vorgeht.
2. Zur Frage der irreführenden Verwendung des Begriffs „Lifting“ in der Produktbezeichnung für eine kosmetische Hautcreme.
BGH, Urt. v. 12.12.1996, LG Berlin, KG Berlin
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. November 1993 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung „H. Lifting Cream“ eine Hautcreme, die, wie andere vergleichbare Produkte, geeignet ist, für die Zeit ihrer Anwendung die Tiefe von Hautfalten zu reduzieren und durch eine Verdickung der Epidermis die altersbedingte Schlaffheit von Haut zu vermindern. Wird die kosmetische Behandlung mit der Hautcreme eingestellt, so tritt, ebenso wie bei sonstigen gleichartigen Erzeugnissen, der Ausgangszustand der Haut wieder ein.
In einer in der Ausgabe der Illustrierten „B.“ vom 5. Oktober 1992 veröffentlichten Anzeige warb die Beklagte für dieses Pflegemittel unter Verwendung der vorstehend genannten Produktbezeichnung.
Der Kläger, ein rechtsfähiger Verband, der satzungsgemäß die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs überwacht, hat die Verwendung des Bestandteils „Lifting“ in der Produktbezeichnung der Beklagten als irreführende Werbung beanstandet. Er hat hierzu vorgetragen, den angesprochenen Verkehrskreisen sei bekannt, daß Hautfalten nachhaltig und längerfristig durch eine operative Straffung der Haut, als „liften“ bezeichnet, beseitigt werden könnten. Dies führe dazu, daß ein maßgeblicher Teil des Verkehrs erwarte, wegen der Verwendung des Bestandteils „Lifting“ sei mit dem Erzeugnis der Beklagten die gleiche Wirkung zu erreichen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr das Produkt „H. Lifting Cream“ unter der Bezeichnung, welche das Wort „Lifting“ enthält, zu bewerben und/oder zu vertreiben.
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen § 1 UWG i.V. mit § 27 Abs. 1 Nr. 1 LMBG bejaht und dazu ausgeführt:
Die Verwendung des Begriffs „Lifting“ durch die Beklagte sei irreführend, weil den Erzeugnissen damit Wirkungen beigelegt würden, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukämen. Die Bezeichnung erwecke, was der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen könne, bei weiten Kreisen der Öffentlichkeit – wenn nicht sogar ausnahmslos – Assoziationen an das operative Liften, also an durch chirurgische Eingriffe erzielte Hautstraffungen und Faltenbeseitigungen. Trotz nicht zu übersehender Irritationen sei das Vertrauen weiter Teile der Verbraucher und insbesondere der Benutzer kosmetischer Präparate in die Leistungsfähigkeit der chemischen und pharmazeutischen Industrie und die Fortentwicklung ihrer Produkte ungebrochen, so daß bahnbrechende Entwicklungen oder Entdeckungen für möglich gehalten würden, die dazu führten, daß der Prozeß der Hautalterung nicht nur unterbrochen, sondern sogar rückgängig gemacht werden könne. An dieser Erwartungshaltung änderten auch gegenteilige Erfahrungen nichts, da die Hoffnung auf einen durchschlagenden Erfolg fortbestehe.
Zwar führe die Kenntnis vom Unterschied zwischen einer operativen Straffung der Gesichtshaut und dem Einsatz kosmetischer Mittel bei weiten Kreisen zu dem Verständnis, daß der Einsatz dieser Mittel nicht zum gleichen Ergebnis wie der chirurgische Eingriff des Liftens führe. Gleichwohl werde die Vorstellung erweckt, die erzielten Resultate näherten sich denen des operativen Eingriffs an. Konkret erwarte der Verkehr, daß die Benutzung des Kosmetikums zumindest zu einer deutlichen Verminderung der Faltentiefe, vermutlich begleitet vom Verschwinden kleinerer Fältchen, führe. Darüber hinaus werde die Erwartung erweckt, ein erlangter Erfolg sei von einer gewissen Dauerhaftigkeit, verschwinde also nicht unmittelbar nach Beendigung der kosmetischen Behandlung.
Diesen Erwartungen werde das streitgegenständliche Erzeugnis nicht gerecht. Zwar bewirke es unstreitig eine leichte Verdickung der Epidermis, was die Tiefe der Hautfalten vermindern und altersbedingte Schlaffheit von Haut reduzieren könne. Es sei jedoch weiter unstreitig und entspreche offensichtlich auch gefestigter wissenschaftlicher Erkenntnis, daß die derzeit im Handel befindlichen Faltenglättungszubereitungen – also auch das in Rede stehende Erzeugnis – ihre Wirkung nur für die Dauer ihrer Anwendung entfalteten, mit der Folge, daß etwa 2 bis 24 Stunden nach Beendigung der Benutzung der ursprüngliche Hautzustand wieder eintrete, die Falten also ihre frühere Tiefe und Schärfe erneut erreichten. Zumindest die Erwartung einer gewissen Dauerhaftigkeit werde also enttäuscht. Entgegen der Ansicht der Beklagten stünden die Ergebnisse des vom Kläger vorgelegten Privatgutachtens der GfK-Marktforschung der Annahme einer Täuschung nicht unbeachtlicher Teile des Verkehrs nicht entgegen.
Anders als die Beklagte meine, sei der Unterlassungsanspruch auch nicht deshalb verwirkt, weil der Kläger bereits im Jahre 1988 Kenntnis von der Bezeichnung erlangt und sie unbeanstandet hingenommen habe.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die Rechtsverfolgung durch den klagenden Verband ist zulässig.
a) Gegen die Klagebefugnis des Klägers aufgrund der nach Erlaß des Berufungsurteils in Kraft getretenen Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG bestehen – anders als die Revision meint – keine durchgreifenden Bedenken. Der Kläger erfüllt im Streitfall das vom Gesetzgeber neu aufgestellte Erfordernis, daß dem klagenden Verband eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehören muß, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Maßgebend ist vorliegend der Markt für kosmetische Produkte und Erzeugnisse verwandter Art. Wie der Senat inzwischen aufgrund der in anderen Verfahren getroffenen Feststellungen angenommen hat, gehört dem Kläger eine ausreichende Zahl von Gewerbetreibenden an, die den hier einschlägigen Markt nach Zahl und Gewicht repräsentativ vertreten (eingehend Urt. v. 11.7.1996 – I ZR 79/94, GRUR 1996, 804 = WRP 1996, 1034 – Preisrätselgewinnauslobung III). Im Streitfall lassen sich dem Parteivorbringen keine Anhaltspunkte entnehmen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten.
b) Entgegen der Ansicht der Revision kann die Zulässigkeit des Klagebegehrens auch nicht unter dem Gesichtspunkt der mißbräuchlichen Rechtsausübung im Sinne des § 13 Abs. 5 UWG in Zweifel gezogen werden (vgl. dazu auch bereits BGH GRUR 1996, 804, 806 – Preisrätselgewinnauslobung III). Die Beklagte beruft sich insoweit erstmals in der Revisionsinstanz darauf, der Kläger lasse ein vergleichbares Wettbewerbsverhalten seiner Mitglieder unbeanstandet und gehe nur gegen Dritte vor. Mit diesem Vorbringen vermag die Beklagte – ungeachtet der Frage seiner revisionsrechtlichen Erheblichkeit – schon deshalb keinen Erfolg zu haben, weil keine der angeführten Werbungen das Wort „Lifting“ in der Produktbezeichnung enthält und daher mit dem beanstandeten Verhalten der Beklagten nicht ohne weiteres vergleichbar ist.
Darüber hinaus kann der Einwand dem Kläger aber auch deshalb nicht entgegengehalten werden, weil im Streitfall Interessen der Allgemeinheit berührt werden (st. Rspr.; vgl. u.a. BGH, Urt. v. 26.11.1976 – I ZR 86/75, GRUR 1977, 494, 497 = WRP 1977, 173 – DERMATEX). Einem nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugten Verband ist es in einem solchen Falle grundsätzlich nicht verwehrt, nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzugehen, gegen andere aber nicht; die Entscheidung hierüber steht ebenso in seinem freien Ermessen wie es dem einzelnen Gewerbetreibenden freisteht, ob und gegen welche Mitbewerber er Klage erheben will (vgl. BGH, Urt. v. 1.2.1967 – Ib ZR 3/65, GRUR 1967, 430, 431 – Grabsteinaufträge I). Eine unzumutbare Benachteiligung des (allein) angegriffenen Verletzers gegenüber anderen – etwa deshalb, weil nunmehr allein er die angegriffenen Handlungen unterlassen müsse – ist darin schon deshalb nicht zu sehen, weil es dem Verletzer offensteht, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner von dem Verband nicht angegriffenen Mitbewerber vorzugehen (BGH, Urt. v. 12.7.1984 – I ZR 37/82, GRUR 1985, 58, 59 = WRP 1985, 19 – Mischverband II). An diesen noch zu § 13 Abs. 1 UWG a.F. entwickelten Grundsätzen ist auch nach der Neufassung des § 13 UWG festzuhalten (vgl. auch Baumbach/Hefermehl, UWG, 19. Aufl., Einl. 449, § 3 Rdn. 442, § 13 Rdn. 54; auch BGHZ 131, 90, 95 – Anonymisierte Mitgliederliste). Besondere Umstände, insbesondere sachfremde Erwägungen, die im Streitfall eine andere Beurteilung nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich. Selbst bei identischer Werbung kann es grundsätzlich noch nicht als rechtsmißbräuchlich angesehen werden, wenn ein Verband, der die Frage der Wettbewerbswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens höchstrichterlich klären lassen will, zunächst gegen einen Dritten und nicht gegen ein eigenes Mitglied gerichtlich vorgeht.
2. Das Berufungsgericht hat die Verwendung des Begriffs „Lifting“ in der Produktbezeichnung „H. Lifting Cream“ ohne Rechtsverstoß als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG i.V. mit § 27 Abs. 1 Nr. 1 LMBG beurteilt.
Eine nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 LMBG verbotene Irreführung liegt vor, wenn kosmetischen Mitteln Wirkungen beigelegt werden, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Das vom Berufungsgericht bejahte Vorliegen dieser Voraussetzungen wird von seinen Feststellungen getragen, wonach die Produktbezeichnung der Beklagten bei nicht unerheblichen Teilen des Verkehrs Assoziationen an das operative Liften erzeuge, d.h. an chirurgische Eingriffe zum Zwecke der Hautstraffung und Faltenbeseitigung. Es hat dazu angeführt, es möge zwar sein, daß der Verkehr von einer Lifting Creme nicht die gleichen Ergebnisse erwarte wie vom chirurgischen Eingriff des Liftens, aber doch eine gewisse Annäherung an die durch operative Eingriffe erzielten Resultate, d.h. hautglättende und hautstraffende Wirkungen durch deutliche Verminderung der Faltentiefe. Der Verkehr erwarte dabei eine gewisse Dauerhaftigkeit in dem Sinne, daß der Erfolg nicht unmittelbar nach Beendigung der kosmetischen Behandlung verschwinde. In dieser Erwartung werde er enttäuscht, da etwa 2 bis 24 Stunden nach Anwendung der Creme der ursprüngliche Hautzustand wieder eintrete. Diese tatrichterlichen Feststellungen, die die Annahme einer Irreführung rechtfertigen, sind in der Revisionsinstanz nur einer beschränkten Nachprüfung zugänglich. Die Revision hat einen revisiblen Rechtsfehler nicht aufgezeigt.
a) Die Revision wendet sich zunächst gegen die Annahme des Berufungsgerichts, Produkte der hier in Rede stehenden Art hätten nur eine Wirkungsdauer von etwa 2 bis 24 Stunden. Diese Annahme ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, da das Berufungsgericht die von ihm zugrundegelegte Wirkungsdauer ausdrücklich als unstreitig angesehen hat. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist – worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist – nicht gestellt worden. Im übrigen ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten Prof. Dr. T. vom 14. Oktober 1991 nicht, daß die Wirkungsdauer grundsätzlich über 24 Stunden hinaus anhält. In dem Gutachten heißt es zwar, es handele sich keineswegs nur um eine Sofortwirkung für ein bis zwei Stunden, sondern um Effekte, die auch noch 24 Stunden nach der letzten Anwendung nachweisbar seien; auch für diese Wirkung gelte aber, daß nach Absetzen der kosmetischen Behandlung der Ausgangszustand wieder eintrete.
b) Ohne Erfolg beanstandet die Revision weiter die Feststellung des Berufungsgerichts als verfahrensfehlerhaft, der Verkehr erwarte eine hautstraffende Wirkung von einer gewissen Dauerhaftigkeit. Die Revision meint, der Verkehr wisse, daß die Wirkung einer Pflegecreme von der ständigen Anwendung abhänge und bis zur nächsten Anwendung erhalten bleibe. Nach der Lebenserfahrung bestehe bei der Gesichtspflege ein Pflegeintervall von längstens 24 Stunden, da zumindest von einer täglichen Reinigung auszugehen sei, an die sich üblicherweise Pflegemaßnahmen anschlössen. Der Verkehr werde daher nicht enttäuscht, da die beabsichtigte Wirkung über den Zeitraum zwischen zwei Anwendungen anhalte.
Diese Ausführungen rechtfertigen es nicht, das tatrichterlich festgestellte Verkehrsverständnis als erfahrungswidrig anzusehen. Die Revision hebt bei ihrer Betrachtung maßgebend auf die Verkehrserwartung hinsichtlich der Wirkungen einer gewöhnlichen Gesichtscreme ab und läßt dabei die Vorstellungen unberücksichtigt, die nicht unerhebliche Teile des Verkehrs gerade mit dem Begriff „Lifting“ in der Produktbezeichnung einer Gesichtscreme verbinden. Das Berufungsgericht hat insoweit nachvollziehbar festgestellt, daß der Begriff nicht ohne jede Auswirkungen auf die Verkehrserwartung bleibt und geeignet ist, Assoziationen an das operative Liften hervorzurufen, und damit zumindest eine gewisse Annäherung an die Wirkungen eines Liftens nahelegt. Die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts erscheint deshalb nicht erfahrungswidrig, daß jedenfalls nicht unerhebliche Teile des Verkehrs mehr als von einer gewöhnlichen Gesichtscreme erwarten, nämlich einen Erfolg von einer gewissen Dauerhaftigkeit, der nicht spätestens 24 Stunden nach der Anwendung wieder verschwindet.
Die Revision rügt insoweit auch ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe für die Bildung der Erwartungshaltung des Verkehrs auf die pharmazeutische Industrie abgestellt; es habe deshalb verkannt, daß lediglich bei Arzneimitteln die Anwendung regelmäßig über einen beschränkten Zeitraum erfolge, bis Heilung eintrete, während die Wirkung kosmetischer Mittel aus der Sicht des Verkehrs eine dauerhafte Anwendung erfordere. Davon abgesehen, daß auch bei Arzneimitteln eine regelmäßige Anwendung – z.B. bei chronischen Erkrankungen – in Betracht kommen kann, hat das Berufungsgericht aber auch keineswegs auf die Wirkungen eines Arzneimittels abgestellt. Soweit es vom Vertrauen weiter Teile der Verbraucher in die Leistungsfähigkeit der chemischen und pharmazeutischen Industrie und die Fortentwicklung ihrer Produkte spricht, geschieht dies in allgemeiner Form und stets im Blick auf kosmetische Mittel. Es hat damit lediglich belegen wollen, daß trotz aller gegenteiligen Erfahrungen die Hoffnung ungebrochen ist, der Prozeß der Hautalterung könne eines Tages zumindest gestoppt, wenn nicht sogar rückgängig gemacht werden. Nur insoweit ist ein Zusammenhang mit den Fortschritten der chemischen und pharmazeutischen Industrie hergestellt worden.
c) Entgegen der Rüge der Revision ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Feststellungen zum Verständnis, die der Verkehr mit dem Begriff „Lifting“ in der Produktbezeichnung der Beklagten verbindet, aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung getroffen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Tatrichter dazu berechtigt, sofern – insbesondere bei Gegenständen des allgemeinen Bedarfs – die Anschauungen des unbefangenen Durchschnittskunden zu ermitteln sind und die Richter des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers – wie hier – selbst diesem Personenkreis angehören, so daß sie in der Lage sind, zu einer hinreichend zuverlässigen Beurteilung zu gelangen. Eine abschließende Beurteilung aus eigener Sachkunde und Lebenserfahrung ist dem Tatrichter unter solchen Voraussetzungen nur dann verwehrt, wenn Umstände vorliegen, die die Annahme des von ihm in Betracht gezogenen Verkehrsverständnisses als bedenklich erscheinen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.1992 – I ZR 215/90, GRUR 1992, 874, 875 = WRP 1992, 773 – Hyanit; Urt. v. 19.1.1995 – I ZR 197/92, GRUR 1995, 354, 357 = WRP 1995, 398 – Rügenwalder Teewurst II, jeweils m.w.N.).
Derartige Umstände sind hier nicht gegeben. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Privatgutachten, das das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision nicht nur als bloße Einwendung behandelt hat. Das Berufungsgericht hat nach Bejahung einer Täuschung aufgrund eigener Sachkunde angenommen, daß das Privatgutachten der von ihm getroffenen Feststellung der Verkehrserwartung nicht entgegensteht, sondern diese eher bestätigt. Gleichwohl hat es dem Gutachten keine maßgebende Bedeutung beigemessen, weil es weiterer, eingrenzender und differenzierender Fragen bedurft hätte. Die auf die ungestützte Frage, was unter „Lifting Cream“ verstanden werde, von nur 2 % der Befragten gegebene Antwort, damit solle das Gesicht geliftet werden, hat das Berufungsgericht zu Recht als nicht aussagekräftig angesehen. Andererseits hat es aber auch die Aussagen von etwa 3/4 der Befragten nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt, die mit Antworten wie „strafft die Haut“, „Hautpflegecreme gegen Falten“, „Verjüngungscreme/verjüngt die Haut“ oder „schützt vor Hautalterung/stoppt Hautalterung“ zumindest eine hautstraffende Wirkung erwarteten. All diese Antworten sagen für das vom Berufungsgericht zugrundegelegte Verkehrsverständnis letztlich nichts Hinreichendes aus. Denn es ist nicht weiter danach gefragt worden, ob – was das Berufungsgericht als maßgebend erachtet hat – auch eine über die tägliche Anwendung hinausreichende Wirkungsdauer erwartet wird.
Umstände, die das vom Berufungsgericht angenommene Verkehrsverständnis als bedenklich erscheinen lassen könnten, lassen sich auch nicht aus dem von der Revision angeführten Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg (OLG Hamburg WRP 1988, 411 f.) herleiten. Dort stellte sich die – vom Tatrichter verneinte – Frage, ob mit der Bezeichnung „Antifalten-Creme“ die Erwartung einer vollständigen Verhinderung bzw. Beseitigung von Falten verbunden ist. Um ein auf eine vollkommene Faltenbeseitigung gerichtetes Verkehrsverständnis geht es vorliegend indessen nicht.
Das vom Berufungsgericht zugrundegelegte Verkehrsverständnis läßt sich auch nicht mit der weiteren Erwägung der Revision anzweifeln, die maßgebende Verkehrserwartung würde sich erst bei näherer Befassung mit dem Mittel und dessen Anwendungshinweisen herausbilden. Die Revision läßt dabei unberücksichtigt, daß vorliegend allein schon die Produktbezeichnung und die von ihr ausgehende Werbewirkung geeignet sind, den Kaufentschluß zu beeinflussen. Die nähere Beschreibung der Anwendung und der Wirkungen des erworbenen Produkts wird der Verkehr – insbesondere wenn sich diese auf einem Beipackzettel befindet – erfahrungsgemäß erst später zur Kenntnis nehmen.
3. Es begegnet auch keinen revisionsrechtlichen Bedenken, daß das Berufungsgericht den von der Beklagten erhobenen Einwand der Verwirkung nicht hat durchgreifen lassen. Ansprüche wegen Irreführung unterliegen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig nicht der Verwirkung (BGH, Urt. v. 7.3.1991 – I ZR 127/89, GRUR 1991, 848, 850 – Rheumalind II, m.w.N.). Das Interesse der Allgemeinheit, vor Irreführung bewahrt zu werden, ist regelmäßig und insbesondere dann, wenn es sich – wie hier – um eine nach dem LMBG verbotene Werbung handelt, als vorrangig vor den Individualinteressen des irreführend Werbenden anzusehen. Ohne Erfolg wendet die Revision gegen die Berücksichtigung dieses Grundsatzes im Streitfall ein, daß das öffentliche Interesse an der Verhinderung der in Rede stehenden Werbung hier nicht erheblich berührt sei und überdies zugunsten der Beklagten die Eintragung der Bezeichnung als Warenzeichen, die Präsenz des Produkts auf dem Markt seit mindestens 1988 und eine nicht unerhebliche Bekanntheit der Produktbezeichnung von 6,7 % zu beachten sei. Das Berufungsgericht hat all diese Umstände in seine Wertung einbezogen. Seine tatrichterliche Abwägung der Allgemeininteressen einerseits und der Besitzstandserwägungen der Beklagten andererseits läßt keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen. Es ist insbesondere nicht als denkgesetz- oder erfahrungswidrig anzusehen, daß es die von der Produktbezeichnung der Beklagten ausgehende Werbewirkung nicht als so unbedeutend eingeschätzt hat, daß sie als die Allgemeininteressen nicht oder nur unwesentlich berührend vernachlässigt werden dürfte. Selbst wenn der Verkehr – wie vom Berufungsgericht angeführt – die Erfahrung gemacht hat, daß die hautglättende Wirkung derartiger Produkte in der Regel eher gering ist, bleibt die Hoffnung auf einen durchschlagenden Erfolg fortbestehen. Diese wird durch Produktbezeichnungen, die Assoziationen an die mit dem chirurgischen Eingriff des Liftens erzielten Resultate wecken, noch verstärkt. Es ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Allgemeininteressen den Vorrang gegenüber den Individualinteressen der Beklagten eingeräumt hat.
4. Aus den vorgenannten Gründen ist die beanstandete Werbung auch im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F. geeignet, den Wettbewerb auf dem hier einschlägigen Markt für Kosmetikartikel wesentlich zu beeinträchtigen. Bei der Festlegung der Spürbarkeitsgrenze sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. näher BGH, Urt. v. 29.9.1994 – I ZR 138/92, GRUR 1995, 122, 123 f. = WRP 1995, 104 – Laienwerbung für Augenoptiker). Im Streitfall steht neben dem bei Verstößen gegen das LMBG regelmäßig gegebenen besonderen Allgemeininteresse vor allem die Stärke des wettbewerblichen Anreizes, der von der beanstandeten Werbemaßnahme ausgeht, im Vordergrund.
5. Die Revision hat schließlich auch keinen Erfolg mit ihrer Rüge, das dem Antrag entsprechende Verbot gehe zu weit, da es auch andere den Bestandteil „Lifting“ enthaltende Produktbezeichnungen umfasse und ihr damit die Möglichkeit nehme, die bisherige Bezeichnung mit einem klarstellenden Zusatz (z.B. durch die Einfügung des Wortes „Day“) weiterzuverwenden. Die – als Folge (begangenen) irreführenden Verhaltens zulässige – einschränkungslose Verurteilung bedeutet im vorliegenden Fall, da sie allein auf § 27 Abs. 1 LMBG i.V. mit § 1 UWG gestützt worden ist und dieser Umstand zur Beurteilung der Tragweite des Verbots heranzuziehen ist, daß die Beklagte jede Form der Verwendung der beanstandeten Produktbezeichnung zu unterlassen hat, durch die eine Irreführung des Verkehrs im Sinne der vorstehenden Ausführungen zur materiellen Rechtslage erfolgt. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß die Frage, ob bestimmte – etwa geänderte neue – Formen der Benutzung mit Zusätzen die Möglichkeit einer solchen Irreführung beseitigen, nicht im Erkenntnisverfahren, sondern gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren zu überprüfen ist und dort nicht etwa vom Kläger, für den insoweit die uneingeschränkte Form der Verurteilung streitet, sondern von der Beklagten darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen ist (vgl. BGHZ 118, 53, 56 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II).
III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.