Mietwagen-Testfahrt (BGH – I ZR 231/86)

Leitsatz

Ein Wettbewerber, der zum Nachweis von Verstößen gegen das Personenbeförderungsgesetz durch ein Mietwagenunternehmen – über eine bloße Anfrage und Fahrtauftragserteilung hinausgehend – eine gegen das Ordnungswidrigkeitengesetz verstoßende Anstiftung begeht, handelt unlauter im Sinne von UWG § 1.

BGH, Urt. v. 03.11.1988,  OLG Karlsruhe, LG Karlsruhe

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Mietwagenunternehmen mit Sitz in M.; der Beklagte ist Taxi-Unternehmer in K..

    Zwischen den Taxi-Unternehmen und den Mietwagenunternehmen im Raum K. besteht seit geraumer Zeit ein heftiger Streit darüber, ob die Fahrer der Mietwagen die Beschränkungen des § 49 Abs. 4 PBefG beachten. Der Beklagte und andere Taxifahrer haben in diesem Zusammenhang Testfahrten mit Mietwagen unternommen, um das Verhalten der Mietwagenfahrer zu überprüfen. Dabei wurden verschiedentlich Wettbewerbsverstöße aufgedeckt.

    Im vorliegenden Rechtsstreit beanstandet die Klägerin als rechtswidrig und wettbewerbswidrig, daß der Beklagte auf einen ihrer Fahrer eingewirkt habe, um ihn zu einem Verstoß gegen § 49 Abs. 4 PBefG zu verleiten. Sie hat hierzu vorgetragen:

    Am 17. November 1984 gegen 15.30 Uhr hätten sich zwei Taxifahrer aufgrund vorherigen ordnungsgemäß erteilten Auftrags durch einen ihrer Mietwagen, der von dem Fahrer B. gesteuert worden sei, in K. vom Hauptbahnhof zur Firma Auto-B. in der O.-Straße fahren lassen. Dort seien sie ausgestiegen. Während der Fahrer B. sein Fahrzeug noch angehalten habe, um die Fahrtaufzeichnungen zu erledigen, sei der Beklagte an ihn herangetreten und habe gebeten, nach D. (Stadtteil von K.) gefahren zu werden. Der Fahrer B. habe daraufhin zunächst erklärt, daß er die Beförderung nicht vornehmen dürfe, weil der Auftrag nicht über die Funkzentrale gekommen sei. Der Beklagte habe weiter gebeten, ihn doch zu befördern. Der Fahrer B. habe dies erneut abgelehnt und den Beklagten auf einen Aufkleber im Fahrzeug verwiesen, welcher besage, daß Fahrten, die nicht über die Zentrale bestellt seien, nicht ausgeführt werden dürften. Daraufhin habe der Beklagte dem Fahrer B. erklärt, er befinde sich in großer Eile und in einer Notsituation; sein Fahrzeug habe zur Firma B. gebracht werden müssen, daran sei sein Schwager schuld; er müsse eilig zu diesem, um sich mit ihm über diese Sache auseinanderzusetzen. Hierdurch habe sich der Fahrer B. schließlich bewegen lassen, den Beklagten doch zu befördern, um ihm zu helfen.

    Die Klägerin hat geltend gemacht, dieses Verhalten sei rechtswidrig und wettbewerbswidrig; der Beklagte habe den Mietwagenfahrer mit verwerflichen Mitteln zur Pflichtverletzung und zur Begehung einer Ordnungswidrigkeit verleitet und sei als Anstifter selbst Teilnehmer dieser Ordnungswidrigkeit.

    Die Klägerin hat beantragt,

    dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, Fahrer von Mietwagen der Klägerin unmittelbar und ohne Bestellung der Fahrt über den Betriebssitz der Klägerin oder die Funkzentrale der Firma … Funkmietwagen- Personenbeförderungs- und Vermittlungsgesellschaft mbH, K., aufzufordern oder zu bitten, ihn zu befördern (hilfsweise: und sich befördern zu lassen);

    hilfsweise dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, Fahrer von Mietwagen der Klägerin unmittelbar und ohne Bestellung der Fahrt über den Betriebssitz der Klägerin oder die Funkzentrale der Firma … Funkmietwagen-Personenbeförderungs- und Vermittlungsgesellschaft mbH, K., mit der Begründung aufzufordern oder zu bitten, ihn zu befördern (hilfsweise: und sich befördern zu lassen), es handele sich um einen dringlichen Transport;

    äußerst hilfsweise dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, Fahrer von Mietwagen der Klägerin unmittelbar und ohne Bestellung der Fahrt über den Betriebssitz der Klägerin oder die Funkzentrale der Firma … Funkmietwagen-Personenbeförderungs- und Vermittlungsgesellschaft mbH, K., zu beauftragen oder zu bitten, ihn zu befördern (hilfsweise: und sich befördern zu lassen), nachdem der Fahrer die Beförderung unter Hinweis darauf, daß ihm die Annahme des Auftrags nicht gestattet sei, abgelehnt hat.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

    I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Das beanstandete Verhalten des Beklagten sei nicht als verwerflich, sondern als zulässige Testfahrt anzusehen. Dies gelte auch dann, wenn er auf seinen Beförderungswunsch insistiert und dadurch einen Sinneswandel bei dem zunächst gesetzestreuen Mietwagenfahrer erreicht habe; denn denselben Versuchungen wäre dieser auch ausgesetzt gewesen, wenn ein anderer Passant sich in entsprechender Weise verhalten hätte. Dem stehe nicht entgegen, daß das beanstandete Verhalten des Beklagten tatbestandlich eine Teilnahme an einer Ordnungswidrigkeit darstelle; denn die zivil- und wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit dieser Testfahrt stelle einen Rechtfertigungsgrund dar.

    II. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

    Der Erfolg des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs hängt davon ab, ob der Beklagte dadurch, daß er als Testkunde den Mietwagenfahrer der Klägerin unmittelbar und ohne Bestellung der Fahrt über den Betriebssitz der Klägerin oder die für sie arbeitende Funkzentrale aufgefordert hat, ihn zu befördern, unlauter im Sinne von § 1 UWG gehandelt oder einen rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin begangen hat.

    Das Berufungsgericht ist bei seiner Prüfung davon ausgegangen, daß dieser Testauftrag darauf gerichtet war, einen Verstoß des Fahrers der Klägerin gegen § 49 Abs. 4 PBefG festzustellen, und daß der Beklagte grundsätzlich berechtigt ist, die Einhaltung dieser Vorschrift durch die Klägerin zu überprüfen. Dieser Ausgangspunkt begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

    Dabei kann dahinstehen, daß – wie die Revision vorgetragen hat – aufgrund eines Vorlagebeschlusses des Landgerichts Karlsruhe nach Art. 100 GG und der Verfassungsbeschwerden von Mietwagenunternehmen die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Rückkehrpflicht der Mietwagenfahrer nach § 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG noch offen ist; denn auf diese Vorschrift kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidend an. In dem hier zu erörternden Verhalten des Mietwagenfahrers liegt nämlich auch ein Verstoß gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG, wonach mit Mietwagen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden dürfen, die am Betriebssitz oder der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Ob zusätzlich ein Verstoß gegen die Rückkehrpflicht gegeben ist, ist somit unerheblich.

    Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei angenommen hat, richtet sich die Zulässigkeit der hier beanstandeten Testfahrt nach den allgemeinen Grundsätzen, wie sie in der Rechtsprechung für den Testkauf und sonstige Testgeschäfte entwickelt worden sind. Danach sind Testgeschäfte zwar grundsätzlich zulässig; bei Vorliegen besonderer Umstände sind sie jedoch als sittenwidrig anzusehen, insbesondere wenn mit ihnen lediglich die Absicht verfolgt wird, den Mitbewerber „hineinzulegen“, oder wenn besondere Mittel angewendet werden, um ein unzulässiges Geschäft herbeizuführen. Hierunter fallen insbesondere die in den Bereich der Strafbarkeit reichenden oder anderweit verwerflichen Mittel, unter anderem auch die Anwendung besonderer Verführungskünste (vgl. BGHZ 43, 359, 367 – Warnschild; BGH, Urteile v. 2.4.1965 – Ib ZR 71/63, GRUR 1965, 607, 609 – Funkmietwagen und v. 19.12.1984 – I ZR 181/82, GRUR 1985, 447, 450 = WRP 1985, 332, 335f. – insoweit nicht in BGHZ 93, 177 – Provisionsweitergabe).

    Als verwerfliche Mittel in diesem Sinne sind insbesondere rechtswidrige Handlungen des testenden Mitbewerbers anzusehen, und zwar nicht nur Straftaten, sondern auch sonstige von der Rechtsordnung verbotene Handlungen; denn grundsätzlich können nicht deshalb Rechtsverletzungen hingenommen werden, damit konkurrierende Unternehmen ihre wettbewerblichen Interessen besser verfolgen können.

    Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß der Fahrer der Klägerin mit der Durchführung der Testfahrt eine Ordnungswidrigkeit begangen hat (§§ 49 Abs. 4 Satz 2, 61 Abs. 1 Nr. 3g PBefG). Dies gilt auch dann, wenn man von der Darstellung der Klägerin ausgeht, wonach ihr Fahrer eine besondere Dringlichkeit dieser Fahrt angenommen hat; denn die hierzu dargelegten Umstände reichen nicht aus, um dem ordnungswidrigen Verhalten des Fahrers die Rechtswidrigkeit oder Vorwerfbarkeit zu nehmen. Entgegen der Auffassung der Revision kommt insbesondere kein rechtfertigender Notstand im Sinne von § 16 OWiG in Betracht. Ein solcher Notstand ist nur gegeben, wenn eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut abgewendet werden soll. Es ist nicht dargetan, daß der Fahrer der Klägerin eine solche Gefahrenlage angenommen hätte.

    Nach den bisher getroffenen Feststellungen könnte der Beklagte Anstifter dieser Ordnungswidrigkeit sein und sich damit nach § 14 OWiG ebenfalls ordnungswidrig verhalten haben. Dies hängt davon ab, ob er den Fahrer der Klägerin zu dieser Fahrt bestimmt hat, ohne daß dieser bereits von sich aus dazu bereit gewesen wäre. Wenn der Fahrer – wie in dem der Entscheidung „Funkmietwagen“ (GRUR 1965, 607, 609) zugrunde liegenden Fall – bereits zu einer unzulässigen Beförderung entschlossen gewesen war, konnte er nicht mehr angestiftet werden. Nach den hier gegebenen Umständen könnte jedoch, ohne daß der Fahrer zu einer solchen unzulässigen Beförderung bereit gewesen wäre, der Anstoß zu der Fahrt von dem Beklagten ausgegangen sein; dann wäre dieser Anstifter.

    Mit einer solchen Anstiftung hätte sich der Beklagte nach § 14 OWiG ordnungswidrig verhalten. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wäre sein Verhalten nicht als zivil- und wettbewerbsrechtlich zulässige Testfahrt im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts gerechtfertigt. Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes und des Ordnungswidrigkeitengesetzes treten regelmäßig nicht deshalb zurück, damit ein Mitbewerber die Gesetzestreue seiner Mitbewerber testen kann. Dies ist auch im Rahmen des Wettbewerbsrechts zu beachten, so daß eine Testfahrt, durch die der testende Mitbewerber eine Ordnungswidrigkeit begeht, als unlauter im Sinne von § 1 UWG anzusehen ist.

    Im Streitfall kommt es daher darauf an, ob der Beklagte den Fahrer der Klägerin zu der unzulässigen Beförderung angestiftet hat. Dies ist der Fall, wenn der Fahrer noch nicht von sich aus dazu entschlossen gewesen ist, sondern erst durch den Beklagten dazu bestimmt worden ist. Diese Frage, die das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend – nicht geprüft hat, bedarf der weiteren tatrichterlichen Aufklärung und der Würdigung der Gesamtumstände. Falls sich dabei eine Anstiftung durch den Beklagten und eine Verurteilung ergeben sollte, ist zu beachten, daß das Verbot auf die vollendete Anstiftung, also den Fall, daß bei einem nicht bereiten Fahrer der Entschluß originär hervorgerufen wird und dies zu einer ordnungswidrigen Beförderung führt, zu beschränken ist.

    III. Im Ergebnis ist daher unter Aufhebung des Berufungsurteils die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.