Le Corbusier-Möbel (BGH – I ZR 15/85)

1. Bei Prüfung der urheberrechtlich geschützten Kunstwerkeigenschaft eines Möbelstücks ist darauf abzustellen, ob unabhängig von dem Gebrauchszweck der den Formensinn ansprechende Gehalt ausreicht, um nach den im Leben herrschenden Anschauungen von Kunst zu sprechen. Bei dieser Betrachtung sind ua die Verhältnisse im Zeitpunkt der Schöpfung des Werkes sowie die Beachtung, die das Werk in den Fachkreisen und in der Öffentlichkeit gefunden hat, mit einzubeziehen.

    2. Die systematische Nachbildung von hochwertigen Waren (hier: Sitzmöbeln) mit schutzwürdiger wettbewerblicher Eigenart kann unter dem Gesichtspunkt des Ausnutzen fremden Rufes zur Förderung des Absatzes von qualitativ minderwertigen Imitationen wettbewerbswidrig sein, ohne daß es dazu einer betrieblichen Herkunftstäuschung bedarf.

BGH, Urt. v. 10.12.1986, OLG Stuttgart, LG Stuttgart

 

Tatbestand

    Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft italienischen Rechts, fertigt und vertreibt Wohnmöbel. Zu ihrem Programm gehört eine Serie von neun Möbelmodellen mit der Bezeichnung „LC“, die von dem französischen Architekten L Cr und zwei Mitarbeitern in den Jahren 1928/1929 entworfen wurden und die dem Bauhaus-Stil zugerechnet werden. Die Klägerin hält sich für alleinberechtigt, diese Möbel herzustellen und zu vertreiben. Sie beruft sich dafür auf eine Erlaubnis des 1965 verstorbenen Architekten L C sowie auf Vereinbarungen mit der Stiftung L C, in denen diese erklärt, als Erbin und Inhaberin der Urheberrechte des Architekten L C der Klägerin gegen Lizenzzahlung weltweit das ausschließliche Recht zur Herstellung und zum Vertrieb der Möbel einzuräumen. Die Klägerin vertreibt die LC-Möbelserie ausschließlich über den von ihr ausgewählten Facheinzelhandel.

    Der Beklagte, der in S und M Möbeleinzelhandelsgeschäfte betreibt, wird von der Klägerin nicht beliefert; er erwirbt jedoch in I von der Klägerin stammende Original-Möbel und verkauft sie im Inland etwa 20% unter der unverbindlichen Preisempfehlung der Klägerin. Außerdem vertreibt er Nachbildungen der Modelle LC1, LC2 und LC4, die er ebenfalls in I erwirbt und die sich nur durch eine weniger sorgfältige Verarbeitung von den Originalen unterscheiden.

    Die Klägerin hält die LC-Möbel für urheberrechtsschutzfähig und nimmt den Beklagten wegen Urheberrechtsverletzung und wettbewerbswidrigen Verhaltens auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch. Sie hat beantragt,

    I. den Beklagten zu verurteilen,

    1. es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zum Betrag von 500.000, — DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,

    a) Nachbildungen von L-Cr-Modellen aus dem Produktionsprogramm der Klägerin, insbesondere des kleinen Sessels LC1, des Sessels LC2 und der Liege LC4, gleich in welcher Ausführung und mit welcher Ausstattung, in der Bk D einschließlich B (West) anzukündigen, feilzuhalten und/oder in Verkehr zu bringen;

    hilfsweise: im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Kaufinteressenten anstelle des gewünschten oder nicht vorrätigen C -Modells eine Kopie davon anzubieten, mit dem Hinweis, die Kopie sei wesentlich billiger und lasse keinen Unterschied gegenüber dem Original erkennen;

    b) Prospektabbildungen der Klägerin, beispielsweise von dem Sesselmodell W , zu vervielfältigen und für eigene Werbeunterlagen zu verwenden;

    c) C -Modelle der Klägerin in Werbeprospekten abzubilden oder in Verkaufsgesprächen anzubieten, die nicht oder nicht in ausreichender Menge vorrätig sind oder deren Lieferung nur unverbindlich und ohne Angabe einer angemessenen Lieferfrist in Aussicht gestellt werden kann;

    d) im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Interessenten für C -Modelle zu empfehlen oder durch Mitarbeiter empfehlen zu lassen, sich das gewünschte aber nicht vorrätige C -Modell und/oder die gewünschte Ausführung beim offiziellen C -Händler in der Nachbarschaft anzusehen und dort auch den Preis in Erfahrung zu bringen, um anschließend die Bestellung zu günstigerem Preis bei ihm, dem Beklagten, aufzugeben;

    2. der Klägerin Rechnung darüber zu legen, zu welchen Zeitpunkten, zu welchen Stückzahlen, an welche Abnehmer, zu welchen Preisen und mit welchen Gestehungskosten (Selbstkosten) er die unter I 1 a) genannten Nachbildungen in der Bik D einschließlich Berlin (West) angeboten, verkauft und geliefert hat;

    3. der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang er die unter I 1 c) angeführten Handlungen vorgenommen hat, und zwar unter Vorlage einer Aufstellung,

    a) aus der sich die Auflage bzw. Gesamtzahl der Werbeunterlagen mit der Abbildung des Sesselmodells W ergibt;

    b) die alle Angebote nicht vorrätiger oder lediglich unverbindlich in Aussicht gestellten C -Modelle der Klägerin mit Zeitangabe, Modellbezeichnung und Benennung der Kaufinteressenten enthält;

    II. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den unter I 1) angeführten Handlungen entstanden ist und künftig entstehen wird.

    Das Landgericht hat den Beklagten hinsichtlich des Sessels LC1, des Sessels LC2 und der Liege LC4 verurteilt, es zu unterlassen, im Inland Nachbildungen anzukündigen, feilzuhalten und/oder in Verkehr zu bringen, sowie insoweit Rechnung zu legen. Auf ein entsprechendes Anerkenntnis des Beklagten hat es diesen weiterhin verurteilt, es zu unterlassen, Prospektabbildungen der Klägerin zu vervielfältigen und für eigene Werbeunterlagen zu verwenden, sowie insoweit Auskunft zu erteilen. Hinsichtlich beider Handlungen hat es die Schadensersatzpflicht des Beklagten festgestellt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

    Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin, mit der sie – mit Ausnahme des Klageantrages zu I, 1 d) – das abgewiesene Klagebegehren weiterverfolgt hat, zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat es in teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts das Klagebegehren auch hinsichtlich des Modells LC2 abgewiesen, und zwar in der Ausgestaltung als Sessel und in der Ausgestaltung des daraus entwickelten Sofas, auf das die Klägerin in der Berufungsinstanz ihr Klagebegehren erweitert hatte.

    Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren zu I und II hinsichtlich der Modelle LC2, LC3 und LC5 bis LC9 sowie den Klageantrag zu I, 1 c) und 3 b) weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

 

Entscheidungsgründe

    I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

    Hinsichtlich des Sessels LC2 und des daraus entwickelten Sofas seien keine urheberrechtlichen Ansprüche gegeben, da – im Gegensatz zu den Modellen LC1 und LC4 – die Modelle LC2 nicht die für den Urheberrechtsschutz erforderliche Eigenschaft einer persönlich geistigen Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG hätten. Der Sessel LC2 erreiche lediglich die für einen Geschmacksmusterschutz erforderliche Gestaltungshöhe. Es handle sich um einen einfachen Kubus, der in eine Stahlrohrkonstruktion eingelassen sei, wobei der Kubus zu dem vorbekannten Formenschatz gehöre und die Kombination des Lederkubus mit der Stahlrohrkonstruktion nicht ausreiche, um das Ganze zu einem Kunstwerk zu machen.

    Das Modell LC2 sei auch nicht gemäß § 1 UWG vor Nachbildungen geschützt. Eine Herkunftstäuschung sei nicht ausreichend dargetan. Eine wettbewerbswidrige Ausbeutung fremder Leistung sei zu verneinen, da die Klägerin inzwischen einen ausreichend langen Wettbewerbsvorsprung gehabt habe.

    Hinsichtlich der Modelle LC3 und LC5 bis LC9 sei das Unterlassungsbegehren bereits deshalb unbegründet, weil die Begehungsgefahr nicht bewiesen sei. Die Klägerin habe erst in der zweiten Instanz behauptet, daß auch insoweit Nachbildungen auf dem Markt seien, wobei sie diesen Vortrag nicht näher substantiiert und nicht unter Beweis gestellt habe.

    Die Klage sei ferner unbegründet, soweit sie darauf gerichtet sei, dem Beklagten zu untersagen, Original-Modelle der Klägerin in Prospekten abzubilden oder anzubieten, die er nicht ausreichend vorrätig habe oder deren Lieferung er nur unverbindlich und ohne Angabe einer angemessenen Lieferfrist in Aussicht stellen könne. In der Möbelbranche sei nur eine schwerpunktmäßige Vorratshaltung üblich, und es sei kein Beweis angetreten, daß der Beklagte nicht über die übliche Vorratshaltung und Lieferfähigkeit verfüge. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, daß sie die Bezugsquellen des Beklagten in Italien verstopfen werde; denn dies widerspreche dem Prinzip des freien Warenverkehrs in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.

    II. Die Revision hat teilweise Erfolg.

    1. a) Die Entscheidung darüber, ob der Klägerin hinsichtlich des Sessels LC2 und des daraus entwickelten Sofas LC2 Ansprüche aus § 97 UrhG i.V.m. Art. 3 und 5 der Revidierten Berner Übereinkunft – Pariser Fassung – zustehen, hängt davon ab, ob diese Modelle Werke der bildenden Künste im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG sind.

    Das Berufungsgericht hat dem Sessel LC2 zwar die für den Geschmacksmusterschutz erforderliche schöpferische Eigentümlichkeit zuerkannt; die Kunstwerkeigenschaft i.S. von § 2 Abs. 2 UrhG hat es aber mit der Begründung verneint, daß der Sessel nicht die für ein Kunstwerk erforderliche Gestaltungshöhe erreiche. Wer Stühle kaufe, um seine Wohnung oder sein Büro einzurichten, finde zwar in diesem Modell ein Sitzmöbel, das allen Anforderungen des guten Geschmacks gerecht werde, er werde es aber trotzdem nicht als ein Kunstwerk kaufen, dessen ästhetischer Wert derart sei, daß er weit über den eingeplanten Benutzungszeitraum hinausreiche. Vielmehr werde der Stuhl seinen Zweck erreicht haben, wenn er nicht mehr als praktisches Möbel verwendet werden könne oder solle, weil er abgenützt sei oder weil der Eigentümer sich wieder anders einrichten wolle. Der Sessel sei nämlich lediglich ein einfacher Kubus, der in eine Stahlrohrkonstruktion eingelassen sei. Hieraus ergebe sich keine ausreichende Gestaltungshöhe. Der Kubus gehöre zum vorbekannten Formenschatz; die Kombination des Lederkubus mit der Stahlrohrkonstruktion reiche nicht aus, um das Ganze zu einem Kunstwerk zu machen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.

    Die Beurteilung, ob einem gewerblichen Erzeugnis Kunstwerkeigenschaft zuzuerkennen ist und ob es insbesondere einen ausreichenden Grad eigenpersönlicher schöpferischer Kraft auf dem Gebiet der Ästhetik offenbart, ist zwar im wesentlichen Sache des Tatrichters. Es ist jedoch im Revisionsverfahren nachprüfbar, ob der Tatrichter bei seiner Würdigung von rechtlich zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist und ob seine Feststellungen die Bejahung bzw. Verneinung des Rechtsbegriffs des Kunstwerks tragen (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.1961 – I ZR 127/59 = GRUR 1961, 635, 636 – Stahlrohrstuhl I). Dieser Nachprüfung halten die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht stand.

    Für die Frage, ob es sich um ein Kunstwerk handelt, kommt es auch bei den Werken der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG darauf an, ob der den Formensinn ansprechende Gehalt, der in dem Erzeugnis seine Verwirklichung gefunden hat, ausreicht, daß nach den im Leben herrschenden Anschauungen von Kunst gesprochen werden kann. Unabhängig vom Gebrauchszweck des betreffenden Werkes ist somit entscheidend, ob sich in ihm eine Gestaltungshöhe offenbart, die es rechtfertigt, das Erzeugnis unter die Werke der bildenden Künste einzuordnen (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.1961 – I ZR 127/59 = GRUR 1961, 635, 638 – Stahlrohrstuhl I – m.w.N.).

    Dementsprechend ist in der Rechtsprechung mehrfach Sitzmöbeln mit einer entsprechenden Gestaltungshöhe der Urheberrechtsschutz zuerkannt worden, und zwar unabhängig davon, ob die Vervielfältigungsstücke dieser Modelle als Kunstwerke oder nur zum praktischen Gebrauch gekauft wurden (vgl. RG, Urt. v. 1.6.1932 – I 75/32 = GRUR 1932, 892, 894 – Mart-Stam-Stuhl; RG, Urt. v. 19.10.1937 – II 298/36 = GRUR 1938, 137, 138 f. – Stuhlmodelle; BGH, aaO, Stahlrohrstuhl I; BGH, Urt. v. 10.10.1973 – I ZR 93/72 = GRUR 1974, 740, 741 – Sessel – und Urt. v. 27.5.1981 – I ZR 102/79 = GRUR 1981, 820, 821 – Stahlrohrstuhl II).

    Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Es hat vielmehr zu strenge Anforderungen gestellt. Dies zeigt sich insbesondere daran, daß es die erforderliche Gestaltungshöhe u.a. deshalb verneint hat, weil die Vervielfältigungsstücke des Modells LC2 nicht als Kunstwerk, sondern zum praktischen Gebrauch erworben werden.

    Die Verneinung der Kunstwerkeigenschaft des Sessels und des Sofas LC2 mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung hat somit keinen rechtlichen Bestand. Es bedarf vielmehr der erneuten tatrichterlichen Würdigung dieses Modells, wobei darauf abzustellen ist, ob unabhängig von dem Gebrauchszweck der den Formensinn ansprechende Gehalt ausreicht, daß nach den im Leben herrschenden Anschauungen von Kunst gesprochen werden kann. Wie die Revision zu Recht geltend macht, sind bei dieser Betrachtung u.a. die Verhältnisse im Zeitpunkt der Schöpfung des Werkes sowie die Beachtung, die das Werk in den Fachkreisen und in der übrigen Öffentlichkeit gefunden hat, mit einzubeziehen (vgl. BGH, GRUR 1961, 635, 638 – Stahlrohrstuhl I – und GRUR 1974, 740, 742 – Sessel). Auch die Präsentation des Sessels LC2 in Kunstmuseen und Kunstausstellungen kann Aufschluß über die maßgebliche Bewertung geben. Dabei kann, falls die Sachkenntnis des Tatrichters und der Vortrag der Parteien keine ausreichende Bewertungsgrundlage geben, die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht kommen.

    b) Soweit das Berufungsgericht hinsichtlich der Modelle Ansprüche der Klägerin aus § 1 UWG verneint hat, halten seine Ausführungen ebenfalls nicht der rechtlichen Nachprüfung stand. Es hält das Vertreiben der Nachbildungen deshalb nicht für wettbewerbswidrig, weil eine Herkunftstäuschung nicht ausreichend dargetan sei und die Klägerin inzwischen einen ausreichenden Wettbewerbsvorsprung gehabt habe. Damit wird das Berufungsgericht dem vorliegenden Sachverhalt nicht hinreichend gerecht. Nach dem Klagevorbringen könnte es sich bei den streitbefangenen Möbeln um hochwertige Waren mit schutzwürdiger wettbewerblicher Eigenart handeln, deren systematische Nachbildung als Ausnutzen des fremden Rufes zur Förderung des Absatzes von qualitativ minderwertigeren Imitationen wettbewerbswidrig sein könnte. Eine betriebliche Herkunftstäuschung ist dafür nicht erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.1984 – I ZR 128/82 = GRUR 1985, 876 – Tchibo/Rolex – m.w.N.). Auch insoweit bedarf es gegebenenfalls weiterer tatsächlicher Feststellungen.

    2. Hinsichtlich der übrigen Modelle der Klägerin, nämlich LC3 und LC5 bis LC9, hat das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch verneint, weil eine konkrete Begehungsgefahr nicht rechtzeitig und ausreichend unter Beweis gestellt worden sei. Diese Auffassung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

    Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Begehungsgefahr insoweit nicht bewiesen sei, ist nicht verfahrensfehlerfrei getroffen; denn die Behauptung der Klägerin, daß inzwischen auch Nachbildungen der übrigen L-Cr-Möbel auf dem Markt seien, ist nach den gesamten Umständen nicht als zu unsubstantiiert und als zu spät unter Beweis gestellt anzusehen. Da der Beklagte den dahingehenden Vortrag der Klägerin in seiner Erwiderung nicht bestritten hatte und auch keine gerichtliche Auflage zu weiterer Substantiierung ergangen war, reichte der betreffende Vortrag der Klägerin zunächst aus. Als der Beklagte in der mündlichen Verhandlung diesen Vortrag dann doch bestritt und die Klägerin sich darauf unmittelbar einließ, durften keine zu hohen Anforderungen an ihre Substantiierungspflicht gestellt werden. Vielmehr reichte es unter diesen Umständen zunächst aus, daß sie eine Zeugin für das Erscheinen von Nachbildungen der betreffenden Modelle benannte.

    Das Berufungsurteil ist somit auch insoweit aufzuheben, als es Ansprüche der Klägerin hinsichtlich der Modelle LC3, LC5 bis LC9 verneint hat. Insoweit bedarf es hinsichtlich der Begehungsgefahr und gegebenenfalls auch hinsichtlich der weiteren Anspruchsvoraussetzungen noch tatrichterlicher Feststellungen.

    3. Die Revision hat allerdings keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klageantrags zu I, 1 c) und 3 b) wendet. Mit diesem Antrag soll dem Beklagten verboten werden, Modelle der Klägerin anzubieten, die nicht oder nicht in ausreichender Menge vorrätig seien oder deren Lieferung nur unverbindlich und ohne Angabe einer angemessenen Lieferfrist in Aussicht gestellt werden könne. Damit beanstandet die Klägerin als wettbewerbswidrig, daß der Beklagte bei dem Angebot von Original-Modellen der Klägerin nicht über eine ausreichende Vorratsmenge verfüge oder die Lieferung nur unverbindlich und ohne angemessene Lieferfrist in Aussicht stellen könne.

    Hinsichtlich der Vorratsmenge hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Landgericht ein irreführendes oder unlauteres Verhalten mit der Begründung verneint, daß in der Möbelbranche nur eine schwerpunktmäßige Vorratshaltung üblich sei und erwartet werde und daß nicht dargetan sei, daß der Beklagte eine geringere als die handelsübliche Vorratshaltung betreibe. Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Annahme, daß der Möbeleinzelhandel von der angebotenen Ware vielfach nur Muster oder Kataloge vorrätig hält, ist zumindest hinsichtlich hochwertiger Möbel, die – wie die hier betroffenen – in unterschiedlicher Ausgestaltung angeboten werden, nicht erfahrungswidrig. Vielmehr geht der Kunde regelmäßig davon aus, daß das betreffende Möbelstück entsprechend seinen Wünschen bestellt wird. Das gilt insbesondere, wenn wie im vorliegenden Fall die Auswahl von Material und Farbe des Bezuges in Betracht kommt.

    Hinsichtlich der Lieferfähigkeit des Beklagten hat sich das Berufungsgericht der Feststellung des Landgerichts angeschlossen, daß die Unfähigkeit des Beklagten zur Einhaltung angemessener Lieferfristen nicht dargetan sei; denn trotz der Absicht der Klägerin, den Beklagten nicht zu beliefern und seine Bezugsquellen zu verstopfen, habe er einen Testkäufer beliefern können. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Soweit sie darauf verweist, daß bei diesem Testkauf die Auslieferung von zwei der drei bestellten Möbelstücke neun Monate gedauert habe, so beweist dies ebenfalls nicht die allgemeine Unfähigkeit, die üblichen Lieferfristen einzuhalten; denn dazu wäre die Darlegung erforderlich, daß bei den Vertragshändlern der Klägerin derartig lange Lieferfristen nicht vorkämen. Auch aus der Tatsache, daß der Beklagte auf einen sogenannten Schleichbezug angewiesen ist, folgt noch nicht, daß er die üblichen Lieferfristen wesentlich überschreitet; denn ein Schleichbezug muß nicht notwendigerweise erheblich länger dauern. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob, wie das Berufungsgericht gemeint hat, der Schleichbezug wettbewerbsrechtlich unbedenklich ist oder ob er als Ausnutzung fremden Vertragsbruchs zu bewerten ist; denn der Klageantrag stellt nicht auf diesen Aspekt, sondern auf die Vorratshaltung und die Lieferfristen ab.

    4. Im Ergebnis war daher das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es hinsichtlich der Modelle LC2 (Sessel und Sofa), LC3 und LC5 bis LC9 die Klageanträge zu I, 1 a) und 2 sowie zu II als unbegründet angesehen hat. Insoweit war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im übrigen war die Revision zurückzuweisen.