Kommunalversicherer (BGH – I ZR 145/05)

Leitsätze

    1a. Die Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, aus denen sich die Pflicht zur Ausschreibung öffentlicher Aufträge ergibt, sind Marktverhaltensregeln i.S. des § 4 Nr. 11 UWG.

    1b. Öffentliche Auftraggeber können nicht als Mitglieder eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit Versicherungsdienstleistungen im Wege eines „In-House“-Geschäfts ohne Ausschreibung beschaffen .

    2a. § 104 Abs. 2 GWB schließt wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklagen von Mitbewerbern gegen Auftragnehmer nicht aus, die auf deren Beteiligung an vergaberechtlichen Verstößen gestützt werden.

    2b. Die ausschließliche Zuständigkeit der Vergabekammer nach § 104 Abs. 2 GWB gilt nur für Ansprüche gegen dem Kartellvergaberecht unterworfene öffentliche Auftraggeber, nicht dagegen für solche gegen Mitbewerber.

BGH, Urt. v. 03.07.2008, OLG Köln, LG Köln

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15. Juli 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

    Die Parteien sind Wettbewerber bei der Vergabe von Sachversicherungen durch die öffentliche Hand. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Beklagte Versicherungsverträge mit öffentlichen Auftraggebern auch dann ohne vorherige öffentliche Ausschreibung abschließt, wenn der Wert den nach § 2 Nr. 3 VgV maßgeblichen Schwellenwert übersteigt.

    Die Beklagte ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, dessen Zweck gemäß § 2 Abs. 1 seiner Satzung ist, seinen Mitgliedern durch den unmittelbaren Betrieb von Sachversicherungen Versicherungsschutz zu gewähren. Nach § 4 Abs. 1 der Satzung können Mitglieder des Vereins außer öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten insbesondere auch wirtschaftliche Vereinigungen werden, wenn mindestens 50% ihres Kapitals von der öffentlichen Hand gehalten wird.

    Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,

    mit öffentlichen Auftraggebern Versicherungsverträge ab Erreichen der EU-Schwellenwerte ohne vorherige Ausschreibung abzuschließen.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben, wobei es den Klageantrag geringfügig umformuliert hat (OLG Köln GRUR 2005, 780). Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 
Entscheidungsgründe

    I. Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den Vergabebestimmungen der §§ 97 ff. GWB bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:

    Öffentliche Auftraggeber, die Versicherungsverträge mit einem geschätzten Auftragswert oberhalb des Schwellenwertes mit der Beklagten ohne vorherige Ausschreibung abschlössen, verstießen gegen das in §§ 97 ff. GWB geregelte Vergaberecht (nachfolgend: Kartellvergaberecht). Der Versicherungsschutz, den die Beklagte öffentlichen Auftraggebern gewähre, beruhe nicht auf einem so genannten „In-House“-Geschäft im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, auf das die Vergabevorschriften keine Anwendung fänden. Es fehle an der dafür erforderlichen Voraussetzung, dass die öffentlichen Auftraggeber die Beklagte wie eine eigene Dienststelle kontrollieren könnten. Nach den §§ 17, 4 Abs. 1 der Satzung der Beklagten seien in ihrer Mitgliederversammlung auch wirtschaftliche Vereinigungen mit bis zu 50% privater Beteiligung stimmberechtigt.

    Die Beklagte sei zwar nicht selbst Normadressat des Vergaberechts, jedoch wie ein solcher zu behandeln, da ihre Mitglieder ganz überwiegend öffentliche Auftraggeber seien. Die Beklagte sei deshalb Mittäterin der Vergaberechtsverstöße. Im Übrigen hafte sie auch als Störer, weil sie den Prüfungspflichten nicht genüge, die wegen ihrer unmittelbaren Einbindung in die vergaberechtswidrige Praxis der öffentlichen Auftraggeber an sie zu stellen seien. Der systematische Verstoß gegen Vergabevorschriften, die die Beklagte wegen ihrer Mitgliederstruktur zu beachten habe, sei als Verletzung einer Marktverhaltensregel i.S. des § 4 Nr. 11 UWG anzusehen. Die Klägerin könne die Beklagte als diejenige, die die vergaberechtswidrige Praxis initiiere und maßgeblich beeinflusse, auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

    II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beklagte haftet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG aufgrund einer in Mittäterschaft begangenen Zuwiderhandlung gegen eine gesetzliche Vorschrift. Ob sie als Anstifterin oder Gehilfin für Wettbewerbsverstöße der öffentlichen Auftraggeber wie ein Mittäter verantwortlich ist (§ 830 Abs. 2 BGB), kann der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden.

    1. Der Anspruch der Klägerin wird nicht durch die Ausgestaltung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgeschlossen.

    a) Die Bestimmung des § 104 Abs. 2 GWB steht dem Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Sie bewirkt eine Zuständigkeitskonzentration, schließt aber eine Anspruchskonkurrenz zwischen kartellvergaberechtlichen und lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen nicht aus (Marx in Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB Teil A, § 104 GWB Rdn. 6 f.; Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., vor §§ 97 ff. Rdn. 142 ff.; Kullack in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., § 104 GWB Rdn. 3; Boesen, Vergaberecht, § 104 GWB Rdn. 9 u. 11). Das ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, wonach auch „sonstige Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind“, ausschließlich vor den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen geltend gemacht werden können. § 104 Abs. 2 GWB setzt damit voraus, dass neben dem speziellen vergaberechtlichen Rechtsschutz andere Abwehransprüche in Betracht kommen, die sich insbesondere auch aus dem Lauterkeitsrecht ergeben können. Die Bestimmung stellt klar, dass solche Ansprüche durch das Kartellvergaberecht nicht im Wege der Spezialität ausgeschlossen werden (vgl. die Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Vergaberechtsänderungsgesetzes, auf die der „sonstige Ansprüche“ einbeziehende Gesetzestext in § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB zurückgeht; BT-Drucks. 13/9340, S. 39 zu § 114 GWB-RegE).

    b) Anders als bei Zuwiderhandlungen gegen das im Ersten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen geregelte Kartellrecht (vgl. BGHZ 166, 154 Tz. 13 f. – Probeabonnement), das in §§ 33, 34a GWB für die geschützten Personen ausreichende zivilrechtliche Sanktionen bereitstellt, regelt das Kartellvergaberecht die zivilrechtlichen Ansprüche, die im Fall von Vergabeverstößen geltend gemacht werden können, nicht abschließend. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthält für das Kartellvergaberecht kein in sich geschlossenes Rechtsschutzsystem, das eine Verfolgung von Rechtsverstößen nach § 4 Nr. 11 UWG ausschließt (vgl. Alexander, WRP 2004, 700, 706 ff.; ferner Ullmann, GRUR 2003, 817, 823 Fn. 59). Vielmehr setzt § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB ausdrücklich voraus, dass wegen Vergabeverstößen neben § 97 Abs. 7 GWB auch andere („sonstige“) Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung gegen öffentliche Auftraggeber bestehen. Satz 2 stellt klar, dass (auch insoweit) die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Schadensersatz unberührt bleibt. Die Vorschrift des § 104 Abs. 2 GWB begründet damit als Spezialregelung für den Bereich des Kartellvergaberechts eine ausschließliche Zuständigkeit der Vergabekammern nur für den Primärrechtsschutz gegen den Auftraggeber. Sie schließt aber insbesondere nicht aus, dass vergaberechtliche Verstöße unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs lauterkeitsrechtlich gegenüber Mitbewerbern vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Da gegen Mitbewerber die Vergabekammer nach § 104 Abs. 2 GWB nicht angerufen werden kann, würde andernfalls eine mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht zu vereinbarende Rechtsschutzlücke entstehen.

    c) Das Berufungsgericht ist auch zutreffend von seiner Zuständigkeit ausgegangen. Die Klägerin macht einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte als Mitbewerber geltend, der darauf gestützt ist, dass die Beklagte unter Verstoß gegen das Kartellvergaberecht Versicherungsaufträge erhält. Zur Entscheidung über einen solchen Anspruch sind die für das Lauterkeitsrecht zuständigen Gerichte berufen. Die ausschließliche Zuständigkeit der Vergabekammer nach § 104 Abs. 2 GWB gilt nur für Ansprüche gegen dem Kartellvergaberecht unterworfene Auftraggeber, nicht dagegen für Ansprüche gegen Mitbewerber (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 4 Rdn. 13.60; Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, vor §§ 97 ff. Rdn. 146; Gronstedt in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 104 GWB Rdn. 845 ff.; Kus in Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Vergaberecht, § 102 GWB Rdn. 31).

    2. Mit Erfolg wendet die Revision ein, dass eine täterschaftliche Haftung der Beklagten nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den vergaberechtlichen Bestimmungen nicht in Betracht kommt. Die Beklagte ist nicht Normadressatin des Vergaberechts und ist – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – auch nicht wie eine Normadressatin des Vergaberechts zu behandeln. Das Vergaberecht regelt die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand. Es ist daher bei der Beschaffung von Versicherungsdienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber zu beachten, findet dagegen keine Anwendung auf das Angebot der Versicherer.

    3. Allerdings kommt eine Haftung der Beklagten als Teilnehmerin an Wettbewerbsverstößen der öffentlichen Auftraggeber nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Betracht, wenn sie öffentliche Auftraggeber dazu auffordert oder ihnen dabei behilflich ist, Versicherungsschutz ohne öffentliche Ausschreibung zu erwerben. Eine Teilnehmerhaftung kommt auch in Betracht, wenn der Teilnehmer nicht selbst Normadressat des Vergaberechts ist (vgl. BGHZ 155, 189, 194 – Buchpreisbindung; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rdn. 2.16; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 43; Fezer/Büscher, UWG, § 8 Rdn. 98). Ob die Voraussetzungen einer Teilnehmerhaftung vorliegen, kann der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

    a) Als Teilnehmer haftet auf Unterlassung, wer – zumindest bedingt – vorsätzlich den Wettbewerbsverstoß eines anderen fördert. Dabei gehört zum Teilnehmervorsatz nicht nur die Kenntnis der objektiven Tatbestandsmerkmale, sondern auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat (vgl. BGHZ 69, 129, 142 f.; 151, 337, 343; 158, 236, 250 – Internet-Versteigerung I; 172, 119 Tz. 31 – Internet-Versteigerung II; 173, 188 Tz. 21 – Jugendgefährdende Schriften bei eBay; ferner BGHZ 42, 118, 122 f. – Personalausweise; 70, 277, 285 f.; 148, 13, 17 – ambiente.de).

    b) Die öffentlichen Auftraggeber, die Versicherungsdienstleistungen oberhalb des Schwellenwerts bei der Beklagten ohne Ausschreibung beziehen, verstoßen gegen die Vergabevorschriften der §§ 97 ff. GWB und verletzen damit durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern.

    aa) Die Gewährung von Versicherungsschutz durch die Beklagte an öffentliche Auftraggeber beruht auf öffentlichen Aufträgen i.S. des § 99 Abs. 1 GWB. Danach sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die unter anderem Dienstleistungen zum Gegenstand haben.

    (1) Versicherungsdienstleistungen sind Dienstleistungen im Sinne des Vergaberechts (§ 1a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A i.V. mit Anhang 1 A, Kategorie 6 a zur VOL/A).

    (2) Der durch die Beklagte gewährte Versicherungsschutz beruht auch auf einem entgeltlichen Vertrag.

    Die öffentlichen Auftraggeber entrichten für ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten und damit für die Erlangung von Versicherungsschutz Beiträge. Unerheblich ist dabei, dass die Mitgliedschaft aufgrund ihrer auch vereinsrechtlichen Bedeutung kein typischer zweiseitiger Austauschvertrag ist. Die von der Beklagten im Wettbewerb angebotenen Versicherungsleistungen unterscheiden sich nicht von denjenigen in anderer Rechtsform organisierter Versicherungsunternehmen. Wegen der andernfalls bestehenden Umgehungsgefahren kommt nicht in Betracht, einem Unternehmen durch die Wahl der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit zu ermöglichen, öffentlichen Auftraggebern ohne Ausschreibung Versicherungsschutz zu gewähren.

    Die Beklagte ist als Unternehmen auch geeigneter Auftragnehmer im Sinne des Vergaberechts. Für die Unternehmenseigenschaft kommt es nicht auf eine Gewinnerzielungsabsicht an. Maßgeblich ist insoweit allein, dass die Beklagte im Wettbewerb mit anderen Versicherungsunternehmen auf dem Markt Versicherungsdienstleistungen für öffentliche Auftraggeber erbringt.

    bb) Öffentliche Auftraggeber können die Beklagte nicht nach den vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten und auch für die Auslegung des § 99 Abs. 1 GWB maßgeblichen (vgl. BGHZ 148, 55, 62) Grundsätzen der so genannten „In-House“-Vergabe ohne Ausschreibung beauftragen.

    (1) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs fehlt es für die Zwecke des Vergaberechts an einer Vereinbarung zwischen zwei verschiedenen Personen, die Voraussetzung für die Annahme eines ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrags ist, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Zum einen muss der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Stellen eine ähnliche Kontrolle über den Auftragnehmer ausüben wie über seine eigenen Dienststellen. Zum zweiten muss er seine Tätigkeit im Wesentlichen für die öffentliche Körperschaft oder die öffentlichen Körperschaften verrichten, die seine Anteile innehaben (vgl. EuGH, Urt. v. 18.11.1999 – C-107/98, Slg. 1999, I-8121 = WuW/E Verg 311 Tz. 49 f. – Teckal; Urt. v. 11.1.2005 – C-26/03, Slg. 2005, I-1 = WuW/E Verg 1025 Tz. 49 – Stadt Halle und RPL Lochau; Urt. v. 11.5.2006 – C-340/04, Slg. 2006 I-4137 = WuW/E Verg 1245 Tz. 32 f. – Carbotermo & Consorzio Alisei; Urt. v. 19.4.2007 – C-295/05, Slg. 2007, I-2999 = VergabeR 2007, 487 Tz. 55 – Asemfo/Tragsa; BGHZ 148, 55, 62). Als Ausnahme von den allgemeinen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts sind diese Voraussetzungen eng auszulegen (EuGH, Urt. v. 6.4.2006 – C-410/04, Slg. 2006, I-3303 = WuW/E Verg 1225 Tz. 26 – Comune di Bari; Urt. v. 13.10.2005 – C-458/03, Slg. 2005, I-8585 = WuW/E Verg 1155 Tz. 63 – Parking Brixen; WuW/E Verg 1025 Tz. 46 – Stadt Halle und RPL Lochau).

    (2) Die Beklagte wird von den öffentlichen Auftraggebern, die ihr ohne Ausschreibung Aufträge erteilen, nicht wie eine eigene Dienststelle kontrolliert.

    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften deutet es – ohne allein entscheidend zu sein – auf die Ausübung einer Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle hin, wenn der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Stellen das gesamte Kapital einer auftragnehmenden Gesellschaft hält. Andererseits sind die Vergabevorschriften immer dann anzuwenden, wenn ein öffentlicher Auftraggeber eine entgeltliche Dienstleistung durch eine rechtlich von ihm verschiedene Gesellschaft erbringen lassen will, an der neben ihm auch ein oder mehrere private Unternehmen beteiligt sind. Die auch nur minderheitliche Beteiligung eines privaten Unternehmens am Gesellschaftskapital schließt es auf jeden Fall aus, dass der öffentliche Auftraggeber über diese Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen (vgl. EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 37 – Carbotermo & Consorzio Alisei; Urt. v. 10.11.2005 – C-29/04, Slg. 2005, I-9705 = WuW/E Verg 1163 Tz. 49 – Mödling; WuW/E Verg 1025 Tz. 49 – Stadt Halle und RPL Lochau). Jede private Beteiligung an dem die Dienstleistung erbringenden Unternehmen steht unabhängig von der Beteiligungsquote der Erfüllung des Kontrollkriteriums entgegen (vgl. etwa Schranner in Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl., § 8 VOB/A Rdn. 38; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, 4. Aufl. Rdn. 132; Säcker/Wolf, WRP 2007, 282, 284; Kühling, ZfBR 2006, 661, 662). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Kontrollkriterium bereits dann nicht erfüllt, wenn für private Gesellschafter lediglich eine Beteiligungsmöglichkeit besteht, selbst wenn im Zeitpunkt der Auftragsvergabe sämtliche Gesellschaftsanteile von der öffentlichen Hand gehalten werden (EuGH, WuW/E Verg 1225 Tz. 29 ff. – Comune di Bari; vgl. auch WuW/E Verg 1245 Tz. 34 ff. – Carbotermo & Consorzio Alisei).

    Der Anwendung dieser Grundsätze auf die Beklagte steht deren personalistische Struktur nicht entgegen. Ihre Mitglieder erfüllen die Funktion von am Kapital eines Unternehmens beteiligten Gesellschaftern. Sie nehmen in der Mitgliederversammlung der Beklagten ihre Rechte wie Aktionäre einer Aktiengesellschaft wahr.

    Die mitgliedschaftlichen Teilhabemöglichkeiten gemischtwirtschaftlicher Unternehmen an der Beklagten schließen es aus, dass sie von öffentlichen Auftraggebern wie eine eigene Dienststelle kontrolliert wird. Der Mitgliederkreis der Beklagten ist nicht auf öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten beschränkt. Private Unternehmen oder Investoren sind zwar nicht unmittelbar Mitglieder der Beklagten. Nach § 4 Abs. 1 ihrer Satzung können aber wirtschaftliche Vereinigungen mit einer privaten Beteiligung von bis zu 50% Mitglied werden. Die Möglichkeit derartiger gemischtwirtschaftlicher Unternehmen zur Mitgliedschaft ist in keiner Weise beschränkt; gemäß § 17 Abs. 2 der Satzung hängt auch das Stimmrecht in der Mitgliederversammlung allein vom Jahresbeitrag ab.

    Es ist unerheblich, dass Private bei der Beklagten nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über gemischtwirtschaftliche Unternehmen Mitglied werden können. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist nicht zwischen unmittelbarer und mittelbarer Beteiligung privater Unternehmen zu unterscheiden. Maßgeblich für die Erfüllung des Kontrollkriteriums ist vielmehr, dass die öffentlichen Auftraggeber ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wichtigen Entscheidungen der Gesellschaft haben, die für sie tätig werden soll (EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 36 – Carbotermo & Consorzio Alisei; WuW/E Verg 1155 Tz. 65 – Parking Brixen). Ein derartiger Einfluss ist aber nicht sichergestellt, wenn gemischtwirtschaftliche Unternehmen in der Mitgliederversammlung – noch dazu unbeschränkt – Stimmrechte erwerben können und keine Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass ihr Stimmrecht jeweils ausschließlich durch den oder die jeweiligen öffentlichen Gesellschafter ohne Berücksichtigung der Interessen privater Partner ausgeübt wird. Dabei kann hier dahinstehen, ob solche Vorkehrungen überhaupt möglich sind oder ob dem entgegensteht, dass die Geschäftsführung einer gemischtwirtschaftlichen Vereinigung jedenfalls bei einer substantiellen privaten Beteiligung stets verpflichtet ist, auch die Interessen der privaten Partner zu berücksichtigen. Ebenso wie das Kontrollkriterium auch durch eine Kette mittelbarer Beteiligungen öffentlicher Auftraggeber erfüllt werden kann (vgl. Säcker/Wolf, WRP 2007, 282, 284), wird es ausgeschlossen, wenn Private sich mittelbar mit Stimmrecht beteiligen oder Mitglied werden können. Dafür spricht auch das vor allem in § 97 Abs. 1 GWB zum Ausdruck kommende Anliegen des Kartellvergaberechts, dass öffentliche Beschaffung, soweit sie nicht ausdrücklich von der Anwendung der Vergaberegeln ausgenommen ist, umfassend unter geregelten Wettbewerbsbedingungen erfolgt (vgl. BGHZ 162, 116, 128). Es bedarf daher grundsätzlich einer weiten Auslegung des Begriffs des öffentlichen Auftrags.

    (3) Im Übrigen sind für die Frage, ob eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausgeübt werden kann, außer den Beteiligungsverhältnissen alle relevanten Rechtsvorschriften und maßgebenden Umstände zu berücksichtigen, so dass selbst bei einer ausschließlichen Beteiligung der öffentlichen Hand das Kontrollkriterium ausgeschlossen sein kann (EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 37 – Carbotermo & Consorzio Alisei). In diesem Zusammenhang kommt es insbesondere auf die Gesellschaftsform des als Auftragnehmer vorgesehenen Unternehmens an. Verfügt die Gesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern über weitreichende Selbständigkeit, ist das Kontrollkriterium nicht erfüllt. Wegen der eigenverantwortlichen Leitung durch den Vorstand ist dies insbesondere bei Aktiengesellschaften der Fall (vgl. EuGH WuW/E Verg 1155 Tz. 67 ff. – Parking Brixen; Säcker/Wolf, WRP 2007, 282, 285).

    Nach den §§ 34 bis 36 VAG entsprechen die Befugnisse von Vorstand, Aufsichtsrat und oberster Vertretung (Mitgliederversammlung) eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit denjenigen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft. Für die Rechte und Pflichten der Organe des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit gelten – von hier unerheblichen Besonderheiten abgesehen – die aktienrechtlichen Vorschriften entsprechend. Dementsprechend obliegt die eigenverantwortliche Leitung, Vertretung und Geschäftsführung des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit allein dem Vorstand. Die Mitgliederversammlung ist dem Vorstand weder übergeordnet noch weisungsberechtigt. Die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Mitglieder beschränken sich grundsätzlich auf die Wahl des Aufsichtsrats. Auch bei der Beklagten gehen die Kontrollbefugnisse der Mitgliederversammlung nicht über die nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz vorgesehenen Befugnisse hinaus. Damit verfügt die Beklagte – ebenso wie eine Aktiengesellschaft – über weitreichende Selbständigkeit, die es ausschließt, dass ihre Mitglieder sie wie eine eigene Dienststelle kontrollieren (vgl. Holger Schröder, KommJur 2005, 445, 449).

    (4) Öffentliche Auftraggeber können aus diesen Gründen nicht als Mitglieder der Beklagten Versicherungsdienstleistungen ohne Ausschreibung im Wege eines „In-House“-Geschäfts beschaffen. Da bereits das Kontrollkriterium nicht erfüllt ist, kann dahingestellt bleiben, ob das zweite Kriterium für die Annahme eines „In-House“-Geschäfts bei der Beklagten vorliegt, im Wesentlichen nur für die öffentlichen Auftraggeber tätig zu sein, die sie kontrollieren. Das ist nur dann der Fall, wenn jede andere Tätigkeit für die Beklagte rein nebensächlich ist (EuGH WuW/E Verg 1245 Tz. 63 – Carbotermo & Consorzio Alisei). Ob die Beklagte diese Anforderung erfüllt, erscheint zweifelhaft, da sie gemäß § 4 Abs. 2 ihrer Satzung im Umfang von bis zu 10% ihres jährlichen Gesamtbeitragsvolumens für Unternehmen oder Einrichtungen mit kommunaler Minderheitsbeteiligung tätig werden darf, die bei ihr nicht Mitglied werden können (vgl. OLG Celle NZBau 2007, 126).

    cc) Die Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, aus denen sich die Pflicht zur Ausschreibung öffentlicher Aufträge ergibt, sind Marktverhaltensregeln i.S. des § 4 Nr. 11 UWG. Sie schränken die Vertragsfreiheit der öffentlichen Auftraggeber ein und regeln dadurch unmittelbar ihr Marktverhalten bei der Auswahl von Vertragspartnern. Diese Bestimmungen dienen jedenfalls auch den Interessen der Marktteilnehmer, die sich um Aufträge der öffentlichen Hand bewerben. Das ergibt sich bereits aus § 97 Abs. 7 GWB, der – im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben (vgl. EuGH, Urt. v. 11.8.1995 – C-433/93, Slg. 1995, I-2303 = NVwZ 1996, 367 Tz. 20 – Kommission/Deutschland) – den Unternehmen gegen die öffentlichen Auftraggeber ein subjektives Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren gewährt.

    dd) Die öffentlichen Auftraggeber handeln bei der Beauftragung der Beklagten auch mit Wettbewerbsförderungsabsicht i.S. des § 2 Nr. 1 UWG. Zwar dienen Beschaffungen wie andere Handlungen öffentlicher Auftraggeber regelmäßig der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben. Abweichend davon ist aber eine Absicht zur Förderung des Wettbewerbs gegeben, wenn der öffentliche Auftraggeber an dem wirtschaftlichen Erfolg des Gewerbetreibenden, dessen Wettbewerb zu fördern sein Handeln geeignet ist, ein Interesse hat, weil er davon aufgrund besonderer Umstände – etwa aufgrund vertraglicher Beziehungen – profitiert (vgl. BGH, Urt. v. 21. 9. 1989 – I ZR 27/88, GRUR 1990, 463, 464 = WRP 1990, 254 – Firmenrufnummer; Alexander, WRP 2004, 700, 704 f.). Derartige besondere Umstände liegen hier vor. Die Auftragsvergabe zielt darauf ab, dass die Auftraggeber Mitglieder der Beklagten werden und an deren wirtschaftlichen Erfolg jedenfalls in Form günstiger Beiträge teilhaben.

    ee) Die rechtswidrige Praxis der öffentlichen Auftraggeber, Versicherungsaufträge oberhalb der Schwellenwerte ohne Ausschreibung an die Beklagte zu vergeben, ist auch ohne weiteres geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Wettbewerber i.S. des § 3 UWG nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Die Wettbewerber werden als Marktteilnehmer von vornherein um die Chance gebracht, sich in einem transparenten und diskriminierungsfreien Vergabeverfahren um die Aufträge der Mitglieder der Beklagten zu bewerben, wodurch ihre wettbewerblich geschützten Interessen beeinträchtigt werden.

    ff) Die öffentlichen Auftraggeber, die die Beklagte unter Missachtung einer nach Kartellvergaberecht bestehenden Ausschreibungspflicht mit Versicherungsdienstleistungen beauftragen, begehen somit gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unlauteren Wettbewerb durch Rechtsbruch gegenüber der Klägerin und anderen Versicherungsunternehmen.

    c) Die Beklagte hat jedenfalls den objektiven Tatbestand der Beihilfe zu dem Wettbewerbsverstoß der öffentlichen Auftraggeber erfüllt.

    aa) Nach dem vom Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommenen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils hat die Beklagte am 17. Mai 2001 ein Rundschreiben mit der Betreffzeile: „G. europafest: ‚Für G. -Mitglieder keine Ausschreibungspflicht bei Versicherungen’“ an ihre Mitglieder versandt und sich darin auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Leiters des Büros der kommunalen Spitzenverbände in Brüssel, Herrn Professor A., bezogen. Diese Behauptung der Zulässigkeit einer Beschaffung von Versicherungsschutz ohne Ausschreibung, die deutlich erkennbar darauf abzielte, weiterhin auf diesem Wege im laufenden Geschäft Versicherungsleistungen abzusetzen, kann objektiv den Tatbestand der Anstiftung erfüllen (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2005, 230, 231; MünchKomm.UWG/Fritzsche, § 8 Rdn. 243). Die Beklagte hat zur Frage der Ausschreibungspflicht Beratungskompetenz in Anspruch genommen, sich auf die Autorität eines Gutachters aus einer Dachorganisation, der die hier maßgeblichen öffentlichen Auftraggeber mittelbar angehören, bezogen und Zweifel an seiner Rechtsauffassung nicht zu erkennen gegeben. Unter diesen Umständen liegt es nahe, dass die Beklagte die öffentlichen Auftraggeber zur Fortsetzung ihrer Beschaffungspraxis bei ihr bestimmt hat. Jedenfalls hat sie dazu psychische Beihilfe geleistet.

    bb) Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte auch deswegen Gehilfin bei dem Wettbewerbsverstoß der Auftraggeber war, weil sie ihnen mit einem speziell auf sie ausgerichteten Geschäftsmodell eine Struktur bereitstellt, mit der sie ihre vergaberechtlichen Bindungen bei der Beschaffung von Versicherungsdienstleistungen systematisch umgehen können.

    Die Beklagte ist aufgrund ihrer Vereinsstruktur darauf ausgerichtet, dass öffentliche Auftraggeber bei ihr durch Erwerb einer Mitgliedschaft ohne Ausschreibung Versicherungsschutz erhalten. Sie wurde von öffentlichen Auftraggebern gerade zur Deckung ihres Versicherungsbedarfs gegründet. Die öffentlichen Auftraggeber sind zudem als Mitglieder über die Mitgliederversammlung und den von ihr bestimmten Aufsichtsrat stark mit der Beklagten verflochten und beeinflussen ihre Geschäftspolitik maßgeblich, allerdings ohne sie wie eine eigene Dienststelle zu kontrollieren. Es erscheint nicht fern liegend, diese Geschäftsstruktur als objektiv darauf angelegt anzusehen, der Beklagten ohne Ausschreibung Versicherungsaufträge öffentlicher Auftraggeber zu verschaffen.

    d) Das Berufungsgericht hat jedoch – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen zu einem Teilnehmervorsatz der Beklagten getroffen.

    aa) Zwar steht auch ohne weitere Feststellungen außer Zweifel, dass die Beklagte wusste und wollte, dass die öffentlichen Auftraggeber sie ohne Ausschreibung mit Versicherungsdienstleistungen betrauten. Ebenso kannte die Beklagte die grundsätzliche Pflicht dieser Auftraggeber zur Ausschreibung und vermochte diese Pflicht als das Marktverhalten und den Wettbewerb auch auf dem Versicherungsmarkt regelnde Bestimmung zu erkennen.

    bb) Darüber hinaus setzt der Teilnehmervorsatz beim Teilnehmer das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der von ihm geförderten Wettbewerbshandlung voraus (BGHZ 69, 129, 142 f.; 151, 337, 343; 158, 236, 250 – Internet-Versteigerung I; 173, 188 Tz. 21 – Jugendgefährdende Schriften bei eBay). Das Berufungsgericht hat hierzu – aus seiner Sicht folgerichtig – noch keine Feststellungen getroffen. Dies bleibt nachzuholen.

    III. Für die neue Verhandlung und Entscheidung des Berufungsgerichts gibt der Senat folgende Hinweise:

    1. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr begründet, wenn spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz sowohl eine Teilnahmehandlung der Beklagten als auch eine durch diese Teilnahmehandlung geförderte vergaberechtswidrige und damit wettbewerbswidrige Auftragserteilung erfolgt sind. In Betracht kommt jedoch auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen den Teilnehmer, wenn es noch nicht zu einer Haupttat gekommen ist, die Teilnahmehandlung aber die Gefahr eines Wettbewerbsverstoßes begründet (vgl. BGHZ 172, 119 Tz. 30 – Internet-Versteigerung II, zum Markenrecht).

    2. Das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit setzt grundsätzlich voraus, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Teilnahmehandlung mit der Möglichkeit rechnete und dies billigend in Kauf nahm, dass die Auftraggeber gegen Vergaberecht verstießen, wenn sie sich bei ihr Versicherungsschutz ohne Ausschreibung beschafften (vgl. BGHZ 69, 129, 143). Für die Annahme einer Billigung in diesem Sinne würde genügen, dass sich die Beklagte um des Ziels willen, neue Aufträge zu erhalten, mit einem Verstoß der Auftraggeber gegen Vergaberecht abfand, auch wenn ihr ein solcher Verstoß an sich gleichgültig oder unerwünscht war (vgl. BGH, Beschl. v. 14.2.2005 – 3 StR 230/04, NStZ 2005, 381, 382; Urt. v. 4.11.1988 – 1 StR 262/88, NJW 1989, 781, 783 f.). Es reicht aus, dass sich der Teilnehmer einer Kenntnisnahme von der Unlauterkeit des von ihm veranlassten oder geförderten Verhaltens entzieht (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rdn. 2.16; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 43).

    Vorliegend hat sich die Beklagte für ihre Rechtsauffassung auf ein in ihrem Auftrag gefertigtes Gutachten aus dem Bereich der Kommunalspitzenverbände gestützt. Dieses Gutachten hat wegen der Verbindung des Gutachters zu den Kommunen nicht die Qualität einer unabhängigen Beurteilung. Es schließt deshalb ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Beklagten für sich allein nicht aus. Vielmehr kommt es darauf an, inwiefern die Beklagte auch von Rechtsprechung und Literatur positiv Kenntnis hatte oder sich ihrer Kenntnisnahme entzogen hatte, die ihrer Auffassung entgegenstand. Die im vorliegenden Zusammenhang grundlegende Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Sache „Teckal“ (WuW/E Verg 311), die im November 1999 und damit eineinhalb Jahre vor dem Rundschreiben der Beklagten erging, ließ mit dem Kriterium „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ deutlich erkennbar eine Zuordnung des Geschäftsmodells der Beklagten zu den vergaberechtsfreien „In-House“-Geschäften allenfalls mit erheblichem Argumentationsaufwand zu. Aufschlussreich könnte auch sein, aus welchem Grund sich die Beklagte zur Einholung des Gutachtens und zu dem Rundschreiben entschloss.

    Das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit kann auch durch eine – plausibel begründete – Abmahnung herbeigeführt werden (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rdn. 2.16). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob dem vorliegenden Verfahren eine Abmahnung vorausgegangen ist und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hatte.

    3. Sofern die Beklagte bei Versand des Rundschreibens vom 17. Mai 2001 noch kein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit hatte, käme es darauf an, ob sie noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz mindestens eine weitere Teilnahmehandlung vorgenommen hat, die geeignet war, eine Auftragserteilung an sie ohne Ausschreibung zu fördern. Sollte das Berufungsgericht feststellen, dass es die Beklagte durch das Rundschreiben vom 17. Mai 2001 oder in anderer Weise übernommen hatte, ihre Mitglieder zur Frage der Ausschreibungspflicht zu beraten, kommt als Teilnahmehandlung auch ein Unterlassen der Aufklärung der Mitglieder über später aufgetretene Zweifel an der in dem Rundschreiben geäußerten Rechtsauffassung in Betracht.