Architektenwettbewerb (BGH – I ZR 129/94)

Leitsatz

    1. Ein nach UWG § 13 Abs 2 Nr 2 klagebefugter Verband kann neben dem Verletzer auch dann den Störer in Anspruch nehmen, wenn nicht dieser, sondern nur der hauptverantwortlich Handelnde in einem Wettbewerbsverhältnis zu seinen Verbandsmitgliedern steht.

    2. Zur Frage der Wettbewerbswidrigkeit der Teilnahme eines Architekten an einem beschränkten Wettbewerb, bei dem die Entwürfe nicht mit der Mindestvergütung nach der HOAI entgolten werden.

    3. Die wettbewerbsrechtliche Störerhaftung wird bei Verstößen gegen Verbotsnormen, denen der Störer nicht unterworfen ist, dadurch begrenzt, daß die Erfüllung der in einem solchen Fall vorausgesetzten Prüfungspflichten dem als Störer Inanspruchgenommenen zumutbar sein muß.

BGH, Urt. v. 10.10.1996, OLG Koblenz, LG Trier

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 11. Mai 1994 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

    Die Beklagte, ein Fensterbau-Unternehmen, beabsichtigte im Jahre 1992, ihr Verwaltungsgebäude zu erweitern. Am 25. Februar 1992 schrieb sie deshalb wie folgt an fünf von ihr ausgewählte Architekten:

    … haben wir uns für eine zügige Aufstockung unserer Verwaltung in S. um einen 1.300 m2 großen Bürotrakt entschlossen. Um möglichst effektive Ergebnisse hinsichtlich der Gestaltung, Funktion und qualitative Ausführung zu erhalten, möchten wir uns nicht auf einen Entwurf beschränken. Wir möchten insgesamt fünf Architekten um ihren Entwurf bitten, einschließlich Ihnen, da Sie uns empfohlen wurden. Entwürfe, die nicht zum Tragen kommen, möchten wir mit einer Pauschale von 5.000 DM abgelten. Dasjenige Büro, dessen Entwurf zur Ausführung kommt, erhält entweder den Auftrag zur schlüsselfertigen Ausführung der Baumaßnahme, oder aber ein Entgelt von 15.000 DM. Bitte teilen Sie doch unserer Frau B. mit, ob wir mit Ihrer Teilnahme rechnen können, damit kurzfristig ein Termin zur Besichtigung der Örtlichkeit vereinbart werden kann. …

    Zwei der angeschriebenen Architekten antworteten nicht; zwei weitere zeigten sich grundsätzlich interessiert, wiesen aber darauf hin, daß die Vergütung nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (im folgenden: HOAI) erfolgen müsse. Der Architekt H. erklärte sich gegenüber der Beklagten bereit, die Leistungen entsprechend dem Schreiben vom 25. Februar 1992 zu erbringen.

    Die Klägerin ist die örtlich zuständige Architektenkammer. Nachdem sie von einem der angeschriebenen Architekten von dem Vorhaben der Beklagten unterrichtet worden war, wies sie die Beklagte darauf hin, daß das von ihr als Vergütung der Architektenleistungen angebotene Honorar weit unter den in der HOAI festgesetzten Mindestsätzen liege. Wenn der Beklagten an den Planungsansätzen verschiedener Architekten gelegen sei, müsse sie einen Wettbewerb nach den Grundsätzen und Richtlinien für Wettbewerbe auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaues und des Bauwesens (im folgenden: GRW 1977) ausschreiben.

    Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe wettbewerbswidrig gehandelt, weil sie in ihrem Schreiben vom 25. Februar 1992 den Abschluß von Architektenverträgen angeboten habe, deren Entgelt unter den zwingenden Mindestsätzen der HOAI gelegen habe. Außerdem verleite sie die Architekten zur Berufsstandesvergessenheit.

    Die Klägerin hat beantragt,

    die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Architekten diese aufzufordern, Architektenleistungen im Sinne der HOAI zu erbringen, die unterhalb der Mindestsätze der HOAI liegen, ohne daß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HOAI vorliegen, oder deren Erbringung gegen das Berufsrecht der Architekten verstößt.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (OLG Koblenz GRUR 1994, 650).

    Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

    I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines eigenen Wettbewerbsverstoßes der Beklagten verneint. Das Schreiben der Beklagten vom 25. Februar 1992 sei weder geeignet noch dazu bestimmt gewesen, ihren eigenen Wettbewerb zu fördern; der Absatz der von der Beklagten hergestellten Waren sei dadurch nicht beeinflußt worden.

    Die Beklagte hafte auch nicht als Störerin nach § 1004 BGB (analog) i.V. mit § 1 UWG. Ein solcher Anspruch scheitere daran, daß es zu einer wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung durch einen Dritten, an dem die Beklagte willentlich und adäquat kausal mitgewirkt haben könnte, nicht gekommen sei. Ein Wettbewerbsverstoß könne allenfalls in dem Anerbieten des Architekten H. liegen, Leistungen entsprechend dem Schreiben der Beklagten vom 25. Februar 1992 zu erbringen. Dieser Erklärung sei aber nicht zu entnehmen, daß er zu Architektenleistungen bereit gewesen sei, die den Leistungsbildern der HOAI entsprächen. Damit scheide der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen das Preisrecht der HOAI oder das Berufsrecht der Architekten aus. Zwar habe das an die fünf Architekten gerichtete Schreiben ein (annahmebedürftiges) Angebot enthalten, für eine bestimmte Handlung einen bestimmten Lohn zu zahlen. Dieses Angebot sei jedoch nicht auf den Abschluß eines Architektenvertrages, sondern auf die Mitwirkung an einem beschränkten, nicht dem Preisrecht der HOAI unterliegenden Wettbewerb gerichtet gewesen.

    Die Teilnahme an einem solchen Wettbewerb erfordere von den mitwirkenden Architekten keine Architektenleistung im Sinne des § 15 HOAI. Die Bedingungen des Wettbewerbs seien nicht in der Weise festgelegt gewesen, daß ein vollständiger Entwurf im Sinne einer Vorplanung nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 oder einer Entwurfsplanung nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 HOAI zu erbringen gewesen sei. H. habe sich daher nicht zu einer unter das Preisrecht der HOAI fallenden Architektenleistung verpflichtet. Mangels eines Wettbewerbsverstoßes des Architekten scheide auch eine Beteiligung der Beklagten als Störerin aus.

    Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

    II. Die Zulässigkeit der Klage begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Klägerin ist jedenfalls insoweit prozeßführungsbefugt nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, als sie die Beklagte aufgrund der Störerhaftung in Anspruch nimmt.

    Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 des Architektengesetzes Rheinland-Pfalz vom 4. April 1989 (GVBl. S. 71) ist es Aufgabe der Architektenkammer, die beruflichen und wirtschaftlichen Belange der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu fördern und das Ansehen des Berufsstandes zu wahren. Zu den wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder gehört u.a. die Unterbindung von Wettbewerbsverstößen, durch die ihren Mitgliedern Nachteile im Wettbewerb entstehen können (vgl. BGH, Urt. v. 4.10.1990 – I ZR 299/88, GRUR 1991, 540, 541 = WRP 1991, 157 – Gebührenausschreibung).

    Die seit dem Inkrafttreten des UWG-Änderungsgesetzes vom 25. Juli 1994 (BGBl. I S. 1738) hinzugetretene Voraussetzung, daß einem nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugten Verband eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehören muß, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt (wie der mutmaßliche Verletzer) vertreiben, ist im Streitfall grundsätzlich gegeben. Alle in Rheinland-Pfalz tätigen Architekten müssen sich in die Architektenliste eintragen lassen und gehören damit der Klägerin kraft Gesetzes an (§ 3 Abs. 1, §§ 4 u. 12 ArchitektenG Rheinland-Pfalz).

    Allerdings bezieht sich die Prozeßführungs- und Sachbefugnis der Klägerin nach neuem Recht nur auf Wettbewerbsverstöße, die von Wettbewerbern ihrer Mitglieder (oder auch von Mitgliedern selbst) begangen worden sind; denn nur insofern verfügt sie unter ihren Mitgliedern über eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden, die Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben räumlichen Markt anbieten. Da die Mitglieder der klagenden Architektenkammer in keinem Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten stehen, fehlt der Klägerin seit dem Inkrafttreten der UWG-Novelle im Jahre 1994 die Verfolgungsbefugnis insoweit, als eigene Wettbewerbsverstöße der Beklagten in Betracht kommen; dies gilt – entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung – nicht nur für die Eigenschaft der Beklagten als Anbieterin bestimmter Waren (Fenster) oder Leistungen (Fensterbau), sondern auch, soweit es um ihr Verhalten als Nachfragerin von Architektenleistungen geht; denn auch in dieser Eigenschaft steht die Beklagte nicht im Wettbewerb zu den Mitgliedern der Klägerin.

    Von der Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist dagegen die Befugnis der Klägerin unberührt geblieben, Wettbewerbsverstöße ihrer Mitglieder oder Verstöße von Wettbewerbern ihrer Mitglieder zu verfolgen. Hierzu zählt auch die Inanspruchnahme eines Dritten, der als Störer zu dem Wettbewerbsverstoß eines Architekten beiträgt. Denn insoweit steht eine Beteiligung an Wettbewerbsverstößen von Architekten in Rede, die die Klägerin (auch) unmittelbar in Anspruch nehmen könnte. Die den Verbänden eingeräumte Möglichkeit der Rechtsverfolgung wäre unvollständig, wenn sie nicht gegen alle an einem Wettbewerbsverstoß Beteiligten vorgehen könnten.

    III. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB i.V. mit §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht zusteht. Die Voraussetzungen einer Störerhaftung, aus der die Klägerin allein noch Rechte gegenüber der Beklagten herleiten könnte, sind im Streitfall nicht gegeben.

    1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats haftet derjenige in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB als Störer, der auch ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten in der Weise beteiligt ist, daß er in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt. Dabei kann als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.1989 – I ZR 29/88, GRUR 1990, 373, 374 = WRP 1990, 270 – Schönheits-Chirurgie; GRUR 1991, 540, 541 – Gebührenausschreibung; Urt. v. 2.5.1991 – I ZR 227/89, GRUR 1991, 769, 770 – Honoraranfrage; Urt. v. 3.2.1994 – I ZR 321/91, GRUR 1994, 441, 443 = WRP 1994, 398 – Kosmetikstudio; Urt. v. 14.4.1994 – I ZR 12/92, GRUR 1996, 905, 907 = WRP 1994, 859 – GmbH-Werbung für ambulante ärztliche Leistungen; Urt. v. 3.11.1994 – I ZR 122/92, GRUR 1995, 62, 64 – Betonerhaltung; Urt. v. 1.12.1994 – I ZR 139/92, GRUR 1995, 167, 168 = WRP 1995, 300 – Kosten bei unbegründeter Abmahnung).

    2. Mit Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß eine wettbewerbsrechtliche Störerhaftung der Beklagten nur dann in Betracht kommt, wenn es sich bei dem Verhalten der Architekten, zu dem die Beklagte als Störerin beigetragen haben soll, um einen Wettbewerbsverstoß handelt. Fehlt es an einer solchen rechtswidrigen Beeinträchtigung, scheidet auch eine Störerhaftung aus (vgl. BGH GRUR 1990, 373, 374 – Schönheits-Chirurgie; GRUR 1991, 540, 541 – Gebührenausschreibung).

    Das Berufungsgericht hat dieses Akzessorietätserfordernis hinsichtlich derjenigen – vier – Architekten, die auf das Angebot der Beklagten nicht eingegangen sind, nicht als erfüllt angesehen, weil es insofern zu keinem HOAI-Verstoß und damit auch nicht zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten gekommen sei (vgl. BGH GRUR 1991, 540, 541 – Gebührenausschreibung). Ob dieser Beurteilung des Berufungsgerichts im Streitfall beigetreten werden kann oder ob gegen den Störer in dem Falle, daß seine Handlung lediglich eine Beeinträchtigung befürchten läßt, ein Unterlassungsanspruch in Betracht zu ziehen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.1957 – I ZR 56/55, GRUR 1957, 352, 353 – Pertussin II; Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., Einl. UWG Rdn. 325), kann offenbleiben. Denn selbst wenn die angeschriebenen Architekten sich ebenso wie der Architekt H. zu einer Teilnahme an der Ausschreibung bereitgefunden hätten, könnte nicht von einem wettbewerbswidrigen Verhalten ausgegangen werden.

    a) Ob die Planungsleistungen, die ein Architekt im Rahmen eines beschränkten Wettbewerbs zu erbringen hat, unter die preisrechtlichen Bestimmungen der HOAI fallen, ist umstritten. Ohne Bedeutung ist dabei, daß häufig die erwarteten Entwürfe nicht mit den Leistungsbildern des § 15 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 HOAI (Vorplanung bzw. Entwurfsplanung) übereinstimmen. Soweit die weiteren Voraussetzungen für ihre Anwendbarkeit vorliegen, erfaßt § 4 HOAI grundsätzlich auch solche Planungsleistungen. Zu diesen weiteren Voraussetzungen gehört indessen, daß es überhaupt zu einem Vertragsabschluß zwischen der Beklagten als Auftraggeberin und den angeschriebenen Architekten gekommen wäre. Denn die HOAI findet nur Anwendung und gegen ihre zwingenden Bestimmungen kann nur verstoßen werden, wenn es sich um vertraglich vereinbarte Leistungen handelt (vgl. BGH, Urt. v. 28.3.1985 – VII ZR 180/84, NJW 1985, 2830 = BauR 1985, 467, 468; Urt. v. 14.3.1996 – VII ZR 75/95, NJW-RR 1996, 728, 729 = BauR 1996, 414, 416).

    b) Diese Voraussetzungen werden im allgemeinen bei einem sogenannten Gutachterverfahren erfüllt sein, bei dem eine bestimmte, meist besonders schwierige Planungsaufgabe mehrfach vergeben wird und bei dem mit jedem beauftragten Architekten ein Architektenvertrag mit beiderseitigen, synallagmatischen Leistungspflichten zustande kommt (Klepsch, ZfBR 1996, 1, 3; Weinbrenner/Jochem, Der Architektenwettbewerb, S. 34 f.; vgl. aber VGH Kassel NJW-RR 1995, 1299: HOAI enthält kein Verbot der Mindestsatzunterschreitung). Das Berufungsgericht hat eine solche Mehrfachvergabe im Streitfall verneint, vielmehr in dem Schreiben der Beklagten vom 25. Februar 1992 ein Angebot zu einem Vertrag gesehen, auf den die Bestimmungen über das Preisausschreiben (§ 661 BGB) entsprechend anzuwenden seien und der daher nicht dem Preisrecht der HOAI unterliege (ebenso Neuenfeld/Groscurth, Handbuch des Architektenrechts, 2. Aufl., Bd. 1 Abschn. VIII Rdn. 16 u. 17; ähnlich Loritz, BauR 1994, 38, 43). Denkbar ist aber auch, daß bei einem beschränkten Wettbewerb ähnlich wie beim offenen Wettbewerb keine Leistungspflicht des teilnehmenden Architekten begründet wird, so daß für eine Anwendung von § 4 HOAI die Grundlage fehlt (so für den beschränkten Wettbewerb nach GRW 1977 Weinbrenner/Jochem aaO S. 38 f.). Schließlich wird die Auffassung vertreten, daß Architektenwettbewerbe – gleichviel, ob es sich um eine Auslobung nach den Regeln der GRW 1977 oder eher um ein wettbewerbsähnliches Verfahren handelt – unter den Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 2 HOAI zu fassen seien (Schaetzell/Elzer, HOAI 1996, Teil B, § 4 Anm. 3.3; vgl. auch VGH Kassel NJW-RR 1995, 1299, 1301).

    c) Unter diesen Umständen kann die von der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 25. Februar 1992 erbetene und erwartete Bereitschaft, einen Entwurf für den neuen Bürotrakt einzureichen, der pauschal mit 5.000 DM abgegolten sein sollte, nicht ohne weiteres als ein Wettbewerbsverstoß der Architekten bewertet werden. Auch wenn die zu vereinbarende Pauschalzahlung mit § 4 HOAI nicht in Einklang stünde, wäre damit doch erst ein Rechtsverstoß begründet, der das Verhalten der Architekten nicht allein schon unlauter machen würde. Ein Verstoß gegen § 1 UWG käme unter dem Gesichtspunkt eines Vorsprungs durch Rechtsbruch erst dann in Frage, wenn sich die angeschriebenen Architekten bewußt und planmäßig über das Gesetz hinwegsetzen würden. Ungeachtet des Vorliegens dieser Voraussetzung wäre im Streitfall darüber hinaus im Hinblick auf die ungeklärte Rechtslage und die gegen eine Anwendung der preisrechtlichen Bestimmungen der HOAI sprechenden Stimmen im Schrifttum ein ausnahmsweise zu berücksichtigender entschuldbarer Rechtsirrtum in Betracht zu ziehen (vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1993 – I ZR 218/91, GRUR 1994, 222, 224 = WRP 1994, 101 – Flaschenpfand).

    3. Ist bereits zweifelhaft, ob die von der Beklagten angeschriebenen Architekten durch ein Eingehen auf das ihnen unterbreitete Angebot einen Wettbewerbsverstoß begangen hätten, kann das Schreiben der Beklagten vom 25. Februar 1992 nicht ausreichen, um ihre Haftung als Störerin zu begründen. Da im Streitfall – anders als in den Senatsentscheidungen „Gebührenausschreibung“ und „Honoraranfrage“ (BGH GRUR 1991, 540 und GRUR 1991, 769) – eine systematische Gebührenunterschreitung nicht in Rede steht, stößt die Verantwortlichkeit als Störer an Grenzen, die sich daraus ergeben, daß die Beachtung der Mindestsätze der HOAI zunächst und in erster Linie Angelegenheit der Architekten und Ingenieure und nicht der Auftraggeber ist:

    Soweit die HOAI nicht abdingbares Preisrecht enthält, ist eine davon abweichende Vereinbarung unwirksam, ohne daß das Gesetz weitere Rechtsfolgen an den Verstoß knüpft. Den Charakter einer Verbotsnorm erhalten die preisrechtlichen Bestimmungen der HOAI vor allem durch standesrechtliche Regelungen, die die Architekten zur Einhaltung der Gebührenordnung verpflichten (vgl. §§ 2, 32 ArchitektenG Rheinland-Pfalz i.V. mit Nr. 3.9 der Berufsordnung der Architektenkammer Rheinland-Pfalz). Die Beachtung des zwingenden Preisrechts der HOAI obliegt danach in erster Linie den Architekten und Ingenieuren, nicht ihren Auftraggebern, ähnlich wie die Einhaltung der Gebührenordnung für Rechtsanwälte in erster Linie Sache der Rechtsanwälte (vgl. § 49b Abs. 1 BRAO) und nicht der Mandanten ist.

    Zwar kommt im Interesse der Vermeidung einer Umgehung standesrechtlicher Verbote eine Störerhaftung grundsätzlich auch dort in Betracht, wo der Störer selbst dem fraglichen Verbot nicht unterworfen ist (vgl. BGH GRUR 1990, 373, 374 – Schönheits-Chirurgie; GRUR 1996, 905, 907 – GmbH-Werbung für ambulante ärztliche Leistungen; Köhler/Piper, UWG, § 1 Rdn. 381). Hierbei ist jedoch zu beachten, daß mit Hilfe der Störerhaftung die einen Normadressaten treffende Pflicht nicht über Gebühr auf unbeteiligte Dritte erstreckt werden darf. Denn bei der Bejahung der Störerhaftung werden notgedrungen Prüfungspflichten vorausgesetzt, deren Einhaltung zur Vermeidung erneuter Inanspruchnahme geboten ist. Dem als Störer Inanspruchgenommenen muß daher ausnahmsweise der Einwand offenstehen, daß ihm im konkreten Fall eine Prüfungspflicht – etwa weil der Störungszustand für ihn nicht ohne weiteres erkennbar war – entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nur eingeschränkt zuzumuten sei. Im Streitfall kann sich die Beklagte auf einen solchen Ausnahmefall berufen: Für sie war schon im Blick auf die unklare Rechtslage nicht zuverlässig erkennbar, ob die Bedingungen ihrer Ausschreibung gegen das für Architekten und Ingenieure geltende Preisrecht der HOAI verstießen; sie konnte vielmehr unter den hier gegebenen Umständen davon ausgehen, daß die von ihr angeschriebenen Architekten selbständig prüfen würden, ob der von der Beklagten ausgeschriebene Wettbewerb mit der HOAI und gegebenenfalls auch mit berufsrechtlichen Bestimmungen ihres Berufsstandes im Einklang stand.

    Dem Gesichtspunkt, daß den Prüfungspflichten, deren Bestehen im Falle der Bejahung einer Störerhaftung vorausgesetzt werden, Grenzen gesetzt sind, hat der Senat bereits in früheren Entscheidungen Rechnung getragen. So wurde in der Entscheidung „Betonerhaltung“ die Störerhaftung eines ein Gütezeichen verleihenden Instituts mit der Begründung verneint, dieses Institut sei nach Funktion und Aufgabenstellung bei und nach der Erteilung der Anerkennung nicht verpflichtet, die Namensgebung der anerkannten Gütegemeinschaft auf eine mögliche Irreführung hin zu überprüfen (BGH GRUR 1995, 62, 64). In einer Reihe von Entscheidungen hat der Senat ferner mit Blick auf die Eigenverantwortung der Presse für die redaktionelle Gestaltung der Zeitung oder Zeitschrift eine wettbewerbsrechtliche Haftung von Unternehmen verneint, die in Anspruch genommen worden waren, nachdem von ihnen an die Presse versandte (werbende) Produktinformationen unverändert als redaktionelle Beiträge veröffentlicht worden waren (BGH, Urt. v. 18.2.1993 – I ZR 14/91, GRUR 1993, 561, 562 = WRP 1993, 476 – Produktinformation I; Urt. v. 10.3.1994 – I ZR 51/92, GRUR 1994, 445, 446 f. = WRP 1994, 400 – Beipackzettel; Urt. v. 30.6.1994 – I ZR 167/92, GRUR 1994, 819, 821 = WRP 1994, 728 – Produktinformation II; Urt. v. 18.10.1995 – I ZR 227/93, GRUR 1996, 71, 72 f. = WRP 1996, 98 – Produktinformation III). Schließlich stellen auch die für das Anzeigengeschäft des Zeitungs- und Zeitschriftengewerbes entwickelten Grundsätze eine Einschränkung der Störerhaftung dar; um die tägliche Arbeit von Presseunternehmen nicht über Gebühr zu erschweren und die Verantwortlichen nicht zu überfordern, besteht hier ebenfalls keine umfassende Prüfungspflicht; vielmehr haftet das Presseunternehmen für die Veröffentlichung wettbewerbswidriger Anzeigen nur im Falle grober, unschwer zu erkennender Verstöße (BGH, Urt. v. 30.6.1972 – I ZR 1/71, GRUR 1973, 203, 204 = WRP 1973, 19 – Badische Rundschau; Urt. v. 26.4.1990 – I ZR 127/88, GRUR 1990, 1012, 1014 = WRP 1991, 19 – Pressehaftung I; Urt. v. 19.3.1992 – I ZR 166/90, GRUR 1993, 53, 54 = WRP 1992, 762 – Ausländischer Inserent; Urt. v. 10.2.1994 – I ZR 316/91, GRUR 1994, 454, 455 f. = WRP 1994, 529 – Schlankheitswerbung; Urt. v. 10.11.1994 – I ZR 147/92, GRUR 1995, 751, 752 = WRP 1995, 302 – Schlußverkaufswerbung II).

    IV. Nach alldem ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.