Hyanit (BGH – I ZR 215/90)

Leitsatz

     1. HWG § 11 Nr 11 ist eine wertbezogene Vorschrift zum Schutz der Volksgesundheit, deren Verletzung ohne weiteres wettbewerbswidrig ist und den Unterlassungsanspruch aus UWG § 1 nach sich zieht.

    2. HWG § 11 Nr 11 setzt nicht voraus, daß die „Äußerungen Dritter“ von einer tatsächlich lebenden, namentlich oder sonst individualisierten Person herrühren; allein maßgeblich ist, ob die Äußerung, mit der geworben wird, dem angesprochenen Verkehr den Eindruck vermittelt, ein Dritter habe sich entsprechend geäußert.

    3. Bei der Beurteilung, ob eine Werbeanzeige dem angesprochenen Verkehr den Eindruck vermittelt, es werde mit Äußerungen Dritter iSv HWG § 11 Nr 11 geworben, ist wegen der gegebenen Gefährdung besonders schutzwürdiger Interessen der Allgemeinheit – wie auch sonst bei gesundheitsbezogenen Angaben – „rechtlich beachtlich“ schon die Auffassung eines geringeren Teils der Verkehrskreise als in Fällen ohne Gesundheitsbezug.

BGH, Urt. v. 02.07.1992, KG Berlin, LG Berlin

 

Tatbestand

    Die Beklagte warb in Heft 51/1987 der Illustrierten „d.“ auf Seite 47 für die von ihr hergestellte Hautsalbe der Marke „H.“ mit folgender Anzeige:

    An dieser Stelle ist im Original die Anzeige abgebildet.

    Der Kläger, ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, zu dessen Aufgaben es gehört, unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen, hat in der Anzeige einen Verstoß gegen die Vorschrift gesehen, außerhalb der Fachkreise für Heilmittel mit Äußerungen Dritter zu werben (§ 11 Nr. 11 HWG).

    Er hat beantragt,

    die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

    im geschäftlichen Verkehr für Arzneimittel, insbesondere das Mittel „H.“ mit der Abbildung einer Person zu werben, der eine Sprechblase zugeordnet ist mit der Aussage „H. hat meiner Haut geholfen“.

    Die Beklagte hat geltend gemacht, angesichts des Fehlens jeglicher Merkmale zur Individualisierung der abgebildeten Person sei die angeführte Äußerung für jedermann ersichtlich eine solche des Werbenden selbst und nicht die eines Dritten. Die angesprochenen Verkehrskreise seien daran gewöhnt, daß mit Bildern von Fotomodellen Werbung betrieben werde und diesen Aussagen des Werbenden in den Mund gelegt würden. Die abgebildete Person erwecke auch nicht den Eindruck einer ehemals Kranken.

    Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

    I. Das Berufungsgericht hat die auf § 1 UWG i.V. mit § 11 Nr. 11 HWG gestützte Verurteilung der Beklagten durch das Landgericht bestätigt und dazu ausgeführt:

    Die angegriffene Anzeige enthalte eine nach § 11 Nr. 11 HWG zu beurteilende sogenannte Testimonialwerbung, eine Werbung mit meist in direkter Rede gehaltenen Äußerungen einer bestimmten Person. Hierbei sei es nicht erforderlich, daß es sich bei dem Dritten um eine bestimmte lebende Person handele. Maßgeblich sei allein der mit der Anzeigengestaltung erzielte Eindruck bei den angesprochenen Verkehrskreisen, hier bei der Gesamtheit aller unter Ekzemen oder der Schuppenflechte leidenden Personen einschließlich ihrer Angehörigen und solcher Personen, die aufgrund ihrer persönlichen Bindung zu einem Erkrankten geneigt seien, ihm bei der Suche nach einem geeigneten Heilmittel behilflich zu sein, es habe eine existierende Person gesprochen oder geschrieben, möge dieser Eindruck falsch oder richtig sein. In Anbetracht des Schutzzwecks des Heilmittelwerbegesetzes müsse bei der Beurteilung des erzielten Eindrucks von einem strengen Maßstab ausgegangen werden. Danach sei es geboten, eine in direkter Rede gehaltene Äußerung über ein Heilmittel, die in der Werbung einer abgebildeten Person zugeordnet sei, als Äußerung Dritter im Sinne von § 11 Nr. 11 HWG anzusehen, es sei denn, der Inhalt der Äußerung oder andere Umstände ließen ohne weiteres erkennen, daß es sich um eine erfundene Darstellung handele. Diesen zuletzt genannten Anforderungen genüge die angegriffene Anzeige nicht.

    Bei der Beurteilung des durch die beanstandete Anzeigengestaltung hervorgerufenen Eindrucks sei zunächst von Bedeutung, daß das beworbene Präparat als Heilmittel zur Behandlung von Schuppenflechten und Ekzemen angeboten werde, die erfahrungsgemäß über längere Zeit behandelt werden müßten und bei denen die Wirksamkeit eingesetzter Heilmittel nicht von vornherein feststehe, sondern individueller Erprobung beim jeweiligen Patienten bedürfe. Auch empfinde der Patient die mit diesen Hauterkrankungen verbundenen Beschwerden als äußerst lästig, was die Neigung fördere, nach jedem Heilmittel zu greifen, das Linderung verspreche. Die abgebildete Frau könne den Eindruck einer Leidensgenossin hervorrufen, Haltung und Gesichtsausdruck ließen sie als ernst und nachdenklich erscheinen, passend für eine Person, die über eine überstandene Krankheit berichte. So, wie in dem ihr zugeordneten Text, einer direkten Rede, könne sich eine erfolgreiche Anwenderin des Heilmittels ausdrücken.

    II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

    1. Rechtsfehlerfrei durfte das Berufungsgericht unausgesprochen davon ausgehen, daß die angegriffene Werbung sich auf ein Arzneimittel im Sinne von § 11 Nr. 11 HWG, § 2 AMG bezieht und damit den Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes unterliegt. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision nicht in Frage stellt, wird das beworbene Präparat als Heilmittel zur Behandlung der Schuppenflechte und von Ekzemen angeboten. Es hilft nach den Angaben in der angegriffenen Anzeige gegen Austrocknungen, vorzeitige Verhornungen und Entzündungen der Haut und lindert damit diese Krankheitsformen.

    2. Auch der weitere rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß eine Verletzung der Vorschrift des § 11 Nr. 11 HWG unmittelbar einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG begründe, erweist sich als rechtlich unbedenklich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es, ohne daß es des Hinzutretens weiterer Umstände bedarf, regelmäßig wettbewerbswidrig, wenn in der Werbung oder sonst im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Vorschriften verletzt werden, mit denen – wie dies durch die Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes geschieht – der Gesetzgeber im Interesse der Volksgesundheit den Wettbewerb ordnet (vgl. dazu BGH, Urt. v. 26.6.1970 – I ZR 14/69, GRUR 1970, 558, 559 – Sanatorium; Urt. v. 13.5.1987 – I ZR 85/85, GRUR 1988, 71 – Lesbarkeit III; Urt. v. 7.6.1990 – I ZR 206/88, GRUR 1991, 859, 860 – Leserichtung bei Pflichtangaben; Urt. v. 16.5.1991 – I ZR 207/89, GRUR 1991, 701, 702 – Fachliche Empfehlung I). Dies gilt namentlich auch für die hier in Betracht kommende Verletzung des Verbots einer Werbung mit Äußerungen Dritter nach § 11 Nr. 11 HWG, das der Gefahr der unsachlichen Beeinflussung entgegenwirken soll, die sich aus dem besonderen Interesse Kranker und um Kranke besorgter Menschen an der Wiederherstellung der Gesundheit ergibt. Denn eine derartige Werbung zeichnet sich durch eine besondere Überzeugungskraft aus, die auf der unzutreffenden Annahme beruht, die dritten Personen könnten die beworbenen Heilmittel neutral und objektiv kraft besonderer Sachkunde oder aus eigener Erfahrung bewerten (vgl. BGHSt 12, 85, 87 = GRUR 1958, 238, 239 – Schlankheitsmittel zu der im wesentlichen inhaltsgleichen früheren Bestimmung des § 9 Abs. 1 HWVO; vgl. auch OLG Hamburg Pharma Recht 1979, 45; KG Pharma Recht 1988, 276, 278).

    3. Gleichfalls rechtsfehlerfrei ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Bestimmung des § 11 Nr. 11 HWG setze nicht voraus, daß die Äußerungen Dritter von tatsächlich lebenden individualisierten Personen herrührten. Sinn und Zweck des § 11 HWG ist die Unterbindung bestimmter unsachlicher, nicht allein auf die Unterrichtung des Laienpublikums beschränkter Werbeaussagen, von denen die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung oder Irreführung des Verkehrs ausgehen kann (BGH, Urt. v. 28.3.1985 – I ZR 42/83, GRUR 1985, 936 = WRP 1985, 483 – Sanatorium II; Urt. v. 16.5.1991 – I ZR 207/89 aaO – Fachliche Empfehlung I). Im Rahmen dieser Zielsetzung kommt der Nr. 11 der Vorschrift, wie bereits ausgeführt (oben Nr. II. 2.), die Aufgabe zu, der abstrakten Gefahr der unsachlichen Beeinflussung entgegenzuwirken, die bei einer Publikumswerbung mit Mitteilungen der Erfahrungen von Leidensgenossen besonders groß erscheint. Darüber hinaus verfolgt § 11 Nr. 11 HWG das Ziel, die Verbraucher vor spezifischen Gesundheitsgefahren zu schützen und insbesondere der Gefahr vorzubeugen, daß Laien ohne Hinzuziehung eines Arztes alleine aufgrund der jeweiligen Erfolgsberichte und Äußerungen Fehldiagnosen stellen und Fehlbehandlungen vornehmen (BGHSt aaO; OLG Hamburg aaO; KG aaO).

    Auf dem Hintergrund dieser Zielsetzung kommt dem Umstand, daß eine derartige Äußerung tatsächlich nicht von einer dritten, namentlich individualisierten Person abgegeben worden ist, keine Bedeutung zu. Allein maßgeblich ist, ob die Äußerung, wie sie in ihrer konkreten Einbindung in die Werbung dem Verkehr entgegentritt, geeignet ist, bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck zu erwecken, ein Dritter habe sich entsprechend geäußert, so daß die Annahme, es handele sich um eine Angabe des Werbenden selbst, nicht in Betracht kommt (OLG Hamburg Pharma Recht 1979, 42; OLG Stuttgart Pharma Recht 1984, 24, 25; KG Pharma Recht 1989, 276, 278; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 1. Halbbd., Kap. 29 Rdn. 37; Doepner, Heilmittelwerbegesetz 1980, § 11 Nr. 11 Rdn. 11, 12; Kleist/Albrecht/Hoffmann, Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl., § 11 Rdn. 40; Pelchen/Vöcks in Zipfel, Lebensmittelgesetze, D 511 HWG Rdn. 30).

    4. Das Berufungsgericht hat eine solche Eignung bejaht. Hierin ist ihm im Ergebnis beizutreten.

    a) Als nicht tragfähig erweist sich allerdings die Erwägung des Berufungsgerichts, in Anbetracht des Schutzzwecks des Heilmittelwerbegesetzes müsse bei der Beurteilung des erzielten Eindrucks von einem strengen Maßstab ausgegangen werden, nach dem es geboten sei, eine in direkter Rede gehaltene Äußerung über ein Heilmittel, die einer abgebildeten Person zugeordnet sei, als Äußerung Dritter im Sinne von § 11 Nr. 11 HWG anzusehen, sofern nicht auf Anhieb zu erkennen sei, daß es sich um eine erfundene Darstellung handele. Für diese – vom ihm selbst so bezeichnete – These fehlt eine rechtliche Grundlage.

    Auf den Schutzzweck des Gesetzes und die Annahme, daß dieser das Anlegen eines „strengen Maßstabs“ erfordere, läßt sie sich – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts – nicht stützen, da das hier in Frage stehende Verkehrsverständnis eine Tatfrage und nicht eine Frage des Maßstabs ist. Selbst wenn das Berufungsgericht den „strengen Maßstab“ etwa darin hat sehen wollen, daß bereits ein verhältnismäßig kleiner Verkehrskreis ausreichen solle, um ein rechtlich beachtliches Verkehrsverständnis anzunehmen – das Berufungsurteil ergibt in dieser Richtung allerdings nichts -, könnte das die „These“ des Berufungsgerichts nicht rechtfertigen.

    b) Der – unabhängig von dem erörterten allgemeinen Satz vorgenommenen – konkreten Beurteilung der vorliegend angegriffenen Werbung ist dagegen beizutreten.

    aa) Entgegen der Rüge der Revision ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht diese Beurteilung kraft eigener Sachkunde vorgenommen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Tatrichter die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise aufgrund seiner eigenen Sachkunde und Lebenserfahrung beurteilen, sofern – insbesondere bei Gegenständen oder Leistungen des allgemeinen Bedarfs – die Anschauungen des unbefangenen Durchschnittskunden zu ermitteln sind und die Richter des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers selbst diesem Personenkreis angehören, so daß sie in der Lage sind, zu einer hinreichend zuverlässigen Beurteilung zu gelangen. Eine abschließende Beurteilung aus eigener Sachkunde und Lebenserfahrung ist dem Tatrichter unter solchen Voraussetzungen nur dann verwehrt, wenn Umstände vorliegen, die die Annahme des von ihm in Betracht gezogenen Verkehrsverständnisses als bedenklich erscheinen lassen (BGHZ 4, 96, 107 – Farina/Urkölsch; BGH, Urt. v. 21.6.1990 – I ZR 258/88, GRUR 1990, 1024, 1025 = WRP 1991, 92, 93 – Lohnsteuerhilfeverein IV; Urt. v. 13.2.1992 – I ZR 79/90, WRP 1992, 380, 382 – Beitragsrechnung; Urt. v. 20.2.1992 – I ZR 92/90, GRUR 1992, 406, 407 = WRP 1992, 469 – Beschädigte Verpackung, jeweils m.w.N.).

    Derartige Umstände sind hier jedoch nicht gegeben. Sie können insbesondere nicht darin gesehen werden, daß in den Urteilen zweier Oberlandesgerichte die dort entscheidenden Richter zu einer anderen Beurteilung gelangt sind. Der der Entscheidung des OLG Hamburg (Pharma Recht 1979, 42, rechtskräftig infolge der Nichtannahme der Revision durch den Bundesgerichtshof) zugrundeliegende Sachverhalt weicht in der Anzeigengestaltung ohne Abbildung einer Person von der vorliegend zu beurteilenden Werbung so wesentlich ab, daß eine Vergleichbarkeit, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht gegeben ist.

    Auch die Tatsache, daß das OLG Stuttgart (Pharma Recht 1984, 24, 25) bei einer mit der vorliegend zu beurteilenden Werbung eher vergleichbaren Anzeigengestaltung für ein Heilmittel mit der Abbildung des Kopfes einer weiblichen Person und einem zugeordneten Text in direkter Rede angenommen hat, daß der angesprochene Verkehr die dortige (Werbe-)Aussage als fiktiv, also nicht als die eines wirklichen Dritten ansehe, läßt das Vorgehen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall, aus eigener Sachkunde zu einem gegenteiligen Ergebnis zu gelangen, nicht als verfahrensfehlerhaft erscheinen.

    Es kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß im Fall einer derartigen Divergenz in der Beurteilung das später entscheidende Gericht stets von der Möglichkeit einer Entscheidung aufgrund eigener Sachkunde absehen müsse. Eine derartige formale (schematische) Betrachtungsweise stünde nicht im Einklang mit der Rechtsprechung, nach der stets auf die konkreten Umstände des Falles abzuheben ist.

    Aber auch bei Berücksichtigung der konkreten Umstände, insbesondere der Schlüssigkeit und Überzeugungskraft der Auffassung des OLG Stuttgart, war das Berufungsgericht, das sich mit letzterer im einzelnen näher auseinandergesetzt hat, aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht gehindert, aus eigener Sachkunde zu entscheiden, zumal das OLG Stuttgart eine Besonderheit, die sich aus der Heilmitteleigenschaft des beworbenen Produkts ergibt, nicht erschöpfend gewürdigt hat (vgl. nachfolgend unter bb) und Abweichungen der Beurteilung des Eindrucks im Verkehr auch durch unterschiedliche Gestaltungen der Anzeigen und durch unterschiedliche Indikationen der Heilmittel gerechtfertigt erscheinen (nachfolgend unter cc).

    bb) Bei der Beurteilung, ob eine Werbeanzeige dem angesprochenen Verkehr den Eindruck vermittelt, es werde mit Äußerungen Dritter i.S. von § 11 Nr. 11 HWG geworben, ist „rechtlich beachtlich“ schon die Auffassung eines geringeren Teils der Verkehrskreise als in Fällen ohne Gesundheitsbezug. Was ein demgegenüber unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise ist, läßt sich zwar, wie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allgemein angenommen wird, nicht rein zahlenmäßig ausdrücken; denn neben der in Zahlen ausdrückbaren Breite der hervorgerufenen Vorstellung im Verkehr ist auch die Art der hervorgerufenen Vorstellung, insbesondere das sich danach ergebende Gewicht der auf dem Spiel stehenden Interessen der Allgemeinheit und der Mitbewerber zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 23.3.1966 – Ib ZR 28/64, GRUR 1966, 445, 449 = WRP 1966, 340 – Glutamal; Urt. v. 27.2.1980 – I ZR 8/78, GRUR 1980, 797, 799 = WRP 1980, 541 – Topfit Boonekamp). Es ist jedoch anerkannt, daß bei Angaben mit Gesundheitsbezug wegen der gegebenen Gefährdung besonders schutzwürdiger Interessen der Allgemeinheit der nicht unbeachtliche Teil der angesprochenen Verkehrskreise nur unwesentlich über dem völlig unbeachtlichen Teil von Außenseitern, Mißverstehenden und sonstigen Personen, die der in Frage stehenden Werbeangabe keine nachvollziehbare Bedeutung entnimmt, zu liegen braucht (BGH, Urt. v. 23.3.1966 – Ib-ZR 28/64 aaO – Glutamal; vgl. auch OLG Köln WRP 1973, 656, 659 m.w.N.). Auch im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt geht es um einen Gesundheitsbezug der angegriffenen Werbung, so daß bei dieser Beurteilung – wie auch sonst bei gesundheitsbezogenen Angaben – bereits ein geringerer Teil der angesprochenen Verkehrskreise als in Fällen ohne Gesundheitsbezug ausreicht, um ein bestimmtes Verständnis des Verkehrs zugrunde zu legen. Demgegenüber hat das OLG Stuttgart – zwar zutreffend, aber unvollständig – nur darauf abgestellt, daß die Anlegung eines strengen Maßstabs die Verkehrsauffassung als solche nicht beeinflußt (vgl. oben a), es hat jedoch nicht berücksichtigt, daß der nur kleine erforderliche Verkehrsteil, der bei strengem Maßstab zur Annahme einer entsprechenden Verkehrsauffassung erforderlich ist, nach allgemeiner Lebenserfahrung leicht erreicht werden kann.

    cc) Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung, der angesprochene Verkehr sehe in der angegriffenen Anzeige eine Werbung mit Äußerungen Dritter (§ 11 Nr. 11 HWG), im wesentlichen darauf gestützt, daß die abgebildete Person nach Haltung und Gesichtsausdruck den Eindruck vermittele, von einer überstandenen Erkrankung zu berichten und ihr ein Text in direkter Rede zugeordnet sei. Das kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden.

    In tatsächlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht – rechtsfehlerfrei und von der Revision auch nicht angegriffen – zugrunde gelegt, daß der Verkehr in der Heilmittelwerbung ein seriöses Ansprechen der gesundheitlichen Probleme erwarte, das deren einschneidender Bedeutung für den einzelnen Betroffenen entspreche. Wenn es angenommen hat, die abgebildete weibliche Person könne den Eindruck einer dank des beworbenen Präparats von Beschwerden befreiten Leidensgenossin hervorrufen, sie spreche den Betrachter in der Haltung eines Gesprächs über Erfahrungen mit dem Heilmittel an, wie sie sich aus dem fettgedruckten Textteil, der direkten Rede, ergäben, so kann das nicht als erfahrungswidrig erachtet werden. Aussehen und Haltung der Person weichen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von der üblichen Anzeigengestaltung mit Fotomodellen, die ersichtlich lediglich Aussagen des Werbenden selbst wiedergeben, deutlich ab. Insbesondere der ernsthafte Gesichtsausdruck und die Nachdenklichkeit suggerierende Haltung der Hände am Kinn, welche zugleich die Unterarme – sichtlich ohne Spuren einer Hauterkrankung – dem Blick des Betrachters freigibt, vermitteln den Eindruck einer realen Szene, die das Berufungsgericht zutreffend als Mitteilung der Erfahrungen einer von Beschwerden befreiten Person – und nicht lediglich als Wiedergabe eines Werbetextes des Inserenten – beschrieben hat.

    III. Die Revision der Beklagten ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.