Halsabschneider (BGH – VI ZR 204/74)

Zu den formalen Schranken, die der Kritik einer Gewerk­schaftszeitung an einem als unsozial beurteilten Unterneh­mer gesetzt sind.

BGH, Urteil v. 1. Februar 1977 (OLG Köln)

 

Tatbestand:

Der Kl. betreibt mehrere Glashütten. Die erstbeklagte Ge­werkschaft gibt für ihre Angehörigen die “Gewerkschafts­post” heraus. Die Beklagte zu 2) sind die verantwortlichen Redakteure dieser Zeitung. Der Bekl. zu 3) ist der Verfasser eines Artikels über den Kl., der unter der Überschrift, “Wie W. (der Kl.) abblitzte” in der Ausgabe der Gewerkschafts­post vom Mai 1972 erschienen ist. Der Artikel trägt die Überschrift:

“Der berüchtigte Chef der 1.-Hütte wollte ein neues Glaswerk kaufen. Doch die Belegschaft lehnte ihn ab.”

Es heißt dann weiter:

“Durch solidarisches Handeln bewiesen die 250 Beleg­schaftsmitglieder der vor der Liquidation stehenden Kri­stallglaswerke H., daß sie eher bereit sind, die Unan­nehmlichkeiten einer Betriebsstillegung auf sich zu neh­men, als sich einem Halsabschneider auszuliefern.”

Sodann wird ausgeführt, daß die Belegschaft in einer außerordentlichen Betriebsversammlung auf die Frage, ob sie bereit sei, unter dem Kl. zu arbeiten, mit “nein” geant­wortet habe. Der Kl. habe daraufhin verzichtet.

Ferner ist mitgeteilt, daß der Kl. bekannt und in der Ver­gangenheit schon mehrfach negativ aufgefallen sei. So habe er 220 Arbeiter seiner Glashütte in Sch. (Österreich) ent­lassen, weil sie es gewagt hätten, “wegen ihrer untertarifli­chen Bezahlung” 20 Minuten zu streiken. Auch dulde der Kl. die Prügelstrafe in seinem Betrieb in E. So sei eine Türkin von einem Vorarbeiter verprügelt worden, weil sie ein Glas habe fallen lassen; eine andere Türkin sei ebenfalls verprügelt und durch den Betrieb geschleift worden.

Der Kl. hat beantragt,

 

I. die Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, folgende Be­hauptungen aufzustellen:

 

1. der Kl. sei ein Halsabschneider;

 

2. der Kl. sei der berüchtigte Chef der 1.-Hütte;

 

3. der Kl. habe auf den Ankauf der Kristallglaswerke H. verzichtet, nachdem die Belegschaft die Frage des Vorstands­sprechers der V-AG in einer außerordentlichen Betriebsver­sammlung, ob sie bereit sei, unter dem Kl. zu arbeiten, ver­neint hätte;

 

4. in der außerordentlichen Betriebsversammlung der Kri­stallglaswerke H. vom 30. 3. 1972 habe die Belegschaft die Frage des Vorstandssprechers, ob sie bereit sei, unter dem Kl. zu arbeiten, einstimmig abgelehnt, sie habe dem Kl. eine eindeutige Abfuhr erteilt, ohne in diesem Zusammenhang ergänzend hinzuzufügen, daß die aufgetretenen Unstimmig­keiten am 18. April 1972 ausgeräumt wurden, nachdem der Kl. sich bereit erklärt hatte, für das Werk A. dem zuständigen Arbeitgeberverband beizutreten;

 

5. der Kl. habe die 220 Arbeiter seiner Glashütte in Sch. (Österreich) entlassen, weil sie es gewagt hätten, “wegen ihrer untertariflichen Bezahlung” 20 Minuten zu streiken;

 

6. der Kl. dulde die Prügelstrafe in seinem Betrieb, die Türkin 5. K. sei von einem Vorarbeiter verprügelt worden, weil sie ein Glas fallen gelassen habe; ebenfalls verprügelt und durch den Betrieb geschleift worden sei die Türkin Y. U.;

 

II. die Bekl. zu 1) und 3) zu verurteilen, in der nächsten, auf die Urteilszustellung folgenden Nummer der “Gewerk­schaftspost”

 

1. die Behauptungen zu I. 1, 2, 3, 5 und 6 als unrichtig zu widerrufen,

 

2. zu der Behauptung, daß in der außerordentlichen Be­triebsversammlung der Kristallglaswerke H. vom 30. März 1972 die Belegschaft die Frage des Vorstandssprechers, ob sie bereit sei, unter dem Kl. zu arbeiten, einstimmig abge­lehnt habe, ergänzend darauf hinzuweisen, daß die aufge­tretenen Unstimmigkeiten am 18. April 1972 ausgeräumt wurden, nachdem der Kl. sich bereit erklärt hatte, für das Werk dem zuständigen Hessischen Arbeitgeberverband bei­zutreten.

Das LG hat die Bekl. nur zur Unterlassung und Widerruf der Äußerungen zu I Ziffer 1, 2 und 3 des Klagantrags ver­urteilt, und auch ohne die zu II 2 begehrte Richtigstellung. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das OLG hat die Berufung des Kl. gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Auf die Berufung der Bekl. hat es die Klage ferner insoweit abgewiesen, als sie Unterlassung und Wi­derruf der “Behauptung” verlangt, der Kl. sei ein Halsab­schneider, sowie der Behauptung bezüglich der Entlassungen in der Glashütte in Sch.

Die Revision des Kl. hatte nur teilweise Erfolg.

 
Entscheidungsgründe:

A. Die Revision ist zulässig. Da sich der Kl. als Unter­nehmer gekränkt sieht, sind bei seinem Interesse an der Abwehr der unter sich zusammenhängenden Kränkungen, auch soweit die Klage nicht auf § 824 BGB abstellt, wirt­schaftliche Gesichtspunkte mindestens in wesentlicher Weise beteiligt (zuletzt Senatsurteil vom 30. Mai 1974, IV ZR 199/72, Briining-Memoiren1, NJW 1974, 1470 mit Nachw.). Es liegt also im Sinn von § 546 ZPO ein Rechts­streit über vermögensrechtliche Ansprüche vor.

B. Das BerG hat die Berechtigung des Klagbegehrens auf Unterlassung und Widerruf nur unter dem Gesichtspunkt des § 1004 BGB (in seiner von der Rechtsprechung anerkann­ten Erstreckung auf die insbes. in §§ 823, 824 BGB geschütz­ten Rechtsgüter) geprüft. Seine Auffassung, daß insoweit alle vier Bekl. als solche legitimiert sind, ist rechtlich be­denkenfrei. Sie wird auch von der Revisionserwiderung nicht angegriffen.

Sachlich hat der Revisionsangriff allerdings nur teilweise Erfolg.

1. Zurecht weist das BerG zunächst die Ansprüche ab, die die Klage daraus herleitet, daß die Bekl. behauptet haben, der Kläger habe in dem Betrieb in Sch. die Mehrzahl seiner Arbeitnehmer entlassen, weil sie wegen untertariflicher Be­zahlung 20 Minuten gestreikt hätten.

1. Das BerG meint, diese “unerlaubte Handlung” der Bekl. sei nicht rechtswidrig, weil weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der Behauptung erwiesen sei. Insofern ist der Ausdruck “unerlaubte Handlung” dahin richtig zu stellen, daß das Vorgehen der Bekl. objektiv geeignet war, den vor allem geschäftlichen Ruf des Kl. zu beeinträchtigen, und daß deshalb ein auf § 1004 BGB in der heute anerkannten er­weiterten Auslegung gestützter Anspruch auf Unterlassung, ggf. auch Widerruf der beanstandeten Behauptung grund­sätzlich in Frage kam. Bei diesem Verständnis kann dem BerG zunächst hier gefolgt werden (vgl. BGH-Urteil vom 12. Januar 1960 (La Chatte), 1 ZR 30/58, LM BGB 9 1004 Nr. 49, NJW 1960, 642; allg. Rspr.).

2. Im Ergebnis ist dem BerG aber auch darin zu folgen, daß dem Kl. mangels festgestellter Unrichtigkeit der Be­hauptung keine Ansprüche auf Störungsbeseitigung zustehen.

Die Ausführungen des Berufungsurteils lassen sich insoweit dahin zusammenfassen:

Nach dem Beweisergebnis spreche manches dafür, daß für den Streikentschluß in Sch. die mangelnde Bereitschaft des Kl., eine Ende 1969 fällige tarifliche Istlohn-Erhöhung zu bezahlen und den mit der damals eingeführten Arbeitszeitverkürzung verbundenen Lohnausgleich zu akzeptieren, we­nigstens mitursächlich gewesen sei. Damit sei die betrieb­liche Lohnpolitik als Anlaß für den Streik nicht auszuschlie­ßen und könne auch gegenüber dem Widerstand gegen die angeordneten Überstunden nicht (wie dies das LG gesehen hatte) als zweitrangig eingestuft werden. Deshalb lasse sich die “untertarifliche Bezahlung” als wesentliches Motiv für den Streik zwar nicht positiv feststellen, aber auch nicht widerlegen. Überdies falle den Bekl., die bei der streitigen Veröffentlichung berechtigte Interessen wahrgenommen hät­ten, auch nicht der Vorwurf mangelnder Sorgfalt zur Last.

a) Gegen die in diesen Ausführungen des BerG enthalte­nen tatsächlichen Feststellungen erhebt die Revision Verfahrensrügen, die der Senat indessen nicht für durchgreifend erachtet; von einer Begründung sieht er gemäß § 565 a ZPO ab.

b) In sachlich-rechtlicher Hinsicht hat die Entscheidung des BerG Bestand.

Ein Widerruf der tatsächlichen Behauptungen kann schon deshalb nicht in Frage kommen, weil ihre Unwahrheit nicht feststeht (zuletzt Senatsurteil vom 4. Juni 1974, VI ZR 68/73, LM GG Art. 5 Nr. 35 VersR 1974, 1080, 1081 mit Nachw.). Dies würde freilich einen Unterlassungsanspruch nicht ausschließen, soweit es um eine nicht erweislich wahre Behauptung geht, die ein schutzwürdiges Recht des Kl. – hier etwa sein Persönlichkeitsrecht als Unternehmer oder das Recht an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewer­bebetrieb – beeinträchtigt. Die Rechtsmeinung des BerG hat im Ergebnis gleichwohl Bestand.

Zunächst kann daran, daß die Bekl., die sich mit ihrer Zeitschrift die Wahrung der Belange der Arbeitnehmer zur Aufgabe gemacht haben, in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt haben, kein Zweifel bestehen. Ebenso unzweifel­haft ist es, daß sie ihre Aufmerksamkeit verstärkt der unter­nehmerischen Tätigkeit des Kl. zuwenden durften, dessen Verhalten als Unternehmer verschiedentlich wenigstens an die Randbereiche des sozial Tragbaren heranreichte, wie sich aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt.

Zieht man dies in Betracht, dann gewinnt gegenüber den negatorischen Ansprüchen des Kl., wenigstens soweit es um die Abwehr von möglicherweise zutreffenden Behauptungen geht, das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) eine verstärkte Bedeutung,. hinter der hier der Abwehranspruch zurücktreten muß. Zwar berührt das Grundrecht nicht ohne weiteres die Regel des einfachen Rechts, daß, wer eine nicht beweisbare Behauptung aufstellt, dafür im Zweifel dem da­durch Beeinträchtigten einstehen muß (vgl. § 186 StGB). Anderes muß aber zumindest dann gelten, wo die Richtig­keit einer (hier: inneren) Tatsache, vorliegend der wahren Beweggründe für den Streik in Sch., mangels weiterer Auf­klärungsmöglichkeiten letztlich nach freier Meinung beur­teilt werden muß. Daß es sich so verhält, ergibt u. a. das Eingeständnis des Kl. in seiner bei den Akten befindlichen Beschwerde vom 26. März 1970 gegen einen Bescheid des Einigungsamtes Linz, in der er selbst sagt, daß damals die Frage des Lohnausgleichs “noch nicht völlig geklärt” war.

Bei solcher Sachlage muß die Freiheit der Meinungsäuße­rung bei der Abwägung den Ausschlag geben, auch soweit es sich um die Meinung im Bereich einer tatsächlichen Wür­digung handelt. Jede andere Beurteilung wäre verfassungs­rechtlich nicht tragbar.

II. Ebenso rechtsfehlerfrei hat das OLG die Berufung des Kl. zurückgewiesen, soweit er Unterlassung und Widerruf der Äußerung begehrt, er sei “der berüchtigte Chef der 1.-Hütte”.

Dazu führt das angefochtene Urteil aus: Aufgrund der in anderem Zusammenhang festgestellten Tatsachen stehe fest, daß der Kl. aus der Sicht der Beil. in mehrfacher Hinsicht negativ aufgefallen und daher “berüchtigt” gewesen sei. Für seinen schlechten Ruf bei einem Teil der Arbeitnehmerschaft spreche auch, daß er von der Belegschaft der Glaswerke in H. von vorneherein abgelehnt worden sei. Schließlich werde er durch den Ausdruck “berüchtigt” nicht formal beleidigt, jedenfalls nicht in dem Rahmen, in dem hier dieser Aus­druck gebraucht worden sei: Die Äußerung sei nämlich in einem Artikel einer Gewerkschaftszeitung erschienen, lasse damit die grundsätzliche Verschiedenheit der Standpunkte der Parteien im arbeitspolitischen und arbeitsrechtlichen Be­reich erkennen.

Dem ist beizutreten.

1. Ersichtlich geht es nur um den Begriff “berüchtigt”. Diesem mag zunächst insoweit ein tatsächlicher Aussagege­halt zukommen, als er darauf hindeutet, daß der Kl. hin­sichtlich seines sozialen Verhaltens einen schlechten Ruf ge­nieße. Der Zusammenhang der Veröffentlichung und ihr Er­scheinen in einem gewerkschaftseigenen Organ lassen aber vor allem auch keinen Zweifel daran, daß der dem Kl. beigelegte schlechte Ruf sich auf die Sicht der Gewerkschaft bezieht, im weiteren Sinn auf die Sicht von Kreisen, die sich die unter Umständen militante Verteidigung der Arbeitneh­merinteressen gerade in der Branche des Kl. zur Aufgabe gemacht haben. Daß der Kl. bei diesen in schlechtem Ruf stand, also “berüchtigt” war, ist offenbar unbestritten.

2. Allerdings könnte die Bezeichnung des Kl. als “berüch­tigt” trotz diesem sich anbietenden Verständnis in tatsäch­licher Hinsicht dann irreführend gewesen sein, wenn seine Ablehnung im Verhältnis der Sozialpartner keinen wenig­stens vertretbaren Anlaß gehabt hätte. Denn der unbefangene Durchschnittsleser – auf dessen Verständnis es in er­ster Linie ankommt – wird geneigt sein, aus dem immerhin aggressiven Ausdruck auch zu entnehmen, daß es an einem wenigstens subjektiv vertretbaren Anlaß für seinen Ge­brauch nicht fehle. Aber auch aus dieser im Sinn des Kl. etwas ergänzten Sicht erscheint die Bezeichnung in tatsäch­licher Beziehung nicht unwahr. Dies stellt das BerG im Er­gebnis ohne Rechtsirrtum fest.

Das BerG bezieht sich nämlich insoweit auf seine in an­derem Zusammenhang getroffenen Feststellungen, daß der Kl. an ausländische Hilfsarbeiter, die er in großer Zahl be­schäftigte, Löhne bezahlte, die mit rd. DM 2,50 pro Stunde auch damals weit unter dem sonst in der Glasindustrie Üb­lichen lagen. Dies hätte noch dahin ergänzt werden können, daß er diese Löhne öffentlich als sogar noch viel zu hoch bezeichnet hatte. Das BerG weist weiter darauf hin, daß die Lohnpolitik des Kl. schon Anfragen im Bundestag und Vorbehalte ausländischer Arbeitsministerien und diplomati­scher Vertretungen veranlaßt hatte. Weitere Feststellungen ergeben, daß die vom Kl. für ausländische Arbeitnehmer (nach dem Akteninhalt entgeltlich) zur Verfügung gestellten Barackenunterkünfte grobe Unzulänglichkeiten aufwiesen, und daß er entgegen arbeitsrechtlichen Grundsätzen bei einem aus der Sphäre seines Betriebs veranlagten Arbeits­ausfall ohne Entlohnung nacharbeiten ließ. Es kann schließ­lich auch herangezogen werden, daß ausländische Arbeite­rinnen in seinem Betrieb Handgreiflichkeiten bis zur Ohr­feige durch Vorgesetzte ausgesetzt waren, ohne daß der Kl. dies mißbilligte. Dies bleibt in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang ohne Rücksicht darauf bedeutsam, daß die Vorderrichter darin noch keine Rechtfertigung für den Vor­wurf gesehen haben, der Kl. dulde in seinen Betrieben die “Prügelstrafe” – eine Entscheidung die das Revisionsgericht nicht nachzuprüfen berufen ist (ß 539 ZPO).

Zieht man dies alles in Betracht, dann kann der Bezeich­nung des Kl. als in dem in Frage stehenden besonderen Be­reich “berüchtigt” auch keine im weiteren Sinn irreführende Bedeutung beigelegt werden.

3. Schließlich kann der Revision nicht in ihrer Meinung gefolgt werden, daß der Ausdruck “berüchtigt” in dem ge­gebenen Zusammenhang (auf den es ankommt) eine for­male Beleidigung dargestellt habe. Die Bekl. waren nicht nur berechtigt, auf den schlechten Ruf hinzuweisen, den der Kl. im Verhältnis der Sozialpartner jedenfalls aus einer an­gesichts der tatsächlichen Gegebenheiten mindestens vertret­baren Sicht der Arbeitnehmerseite genoß. Sie waren auch befugt, dies in einem sinnfälligen und deutlich wertenden Ausdruck zu bekunden. Dcr Ausdruck “berüchtigt” ergibt in diesem Zusammenhang keinen Überschuß an nicht hinzunehmender Abwertung (Schmähung), der seine Untersagung rechtfertigen könnte.

III. Nicht zu folgen vermag der: Senat dagegen dem BerG, soweit es den Bekl. im Gegensatz zum LG auch die “Be­hauptung” gestatten will, der Kl. sei ein “Halsabschneider”.

1. Nach Auffassung des BerG stellt dieser Ausdruck eine Beurteilung mit tatsächlichem Kern dar, so daß er als Tat­sachenbehauptung aufzufassen sei. Den tatsächlichen Gehalt erblickt das BerG in der Aussage, daß der Kl. unter grober Mißachtung der Rechte anderer diese zu seinen Gunsten aus­nutze, um vor allem gewerbliche Vorteile zu erlangen. Die­sen tatsächlichen Gehalt der Bezeichnung hält das BerG für erwiesen.

Im Ergebnis hat dies Bestand, jedenfalls wenn man sich bewußt bleibt, daß die Behauptung auch hier auf ein Ver­halten hindeute, das gerade aus gewerkschaftlicher Sicht als unsozial betrachtet und entsprechend gebrandmarkt werden durfte. Damit kommt es nicht darauf an, daß nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (vom 11. Januar 1973 – 5a ZR 322/72) die vom Kl. bezahl­ten Löhne nicht geradezu sittenwidrig (§ 138 BGB) waren, wenngleich sie nach anderen arbeitsgerichtlichen Entschei­dungen als wenigstens an der Untergrenze des moralisch Erträglichen angesiedelt zu betrachten sind. Neben dieser Lohnpolitik des Kl., auf die das BerG entscheidenden Wert legt, führt es, worauf im einzelnen nicht erneut einzugehen ist, die schon oben zu II geschilderten Vorfälle und Um­stände an. Daß diese das zusammenfassende tatsächliche Urteil tragen, stellt das BerG ohne Rechtsfehler fest. Dabei kam es nicht darauf an, daß einzelne in dem inkriminierten Artikel aufgeführte Punkte, so die behauptete Mißhandlung bestimmter Arbeiterinnen, als nicht erweislich außer Betracht bleiben müssen. Es kommt auch nicht darauf an, daß ein­zelne der im Lauf des Rechtsstreits festgestellten Belastungs­punkte schon in dem Artikel nicht ausdrücklich zur Stützung des Gesamturteils aufgeführt gewesen waren (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 1974, VI ZR 16/73, NJW 1974, 1772, 1773; BVerfG NJW 1976, 1680, 1681).

Nach allem hat die Feststellung über die Richtigkeit des tatsächlichen Kerns des Gesamturteils Bestand. Dies gilt auch, wenn man ferner – anders als das BerG – den Vor­wurf unterschiedlicher Bezahlung von Frauen und Männern außer Betracht läßt, weil sich dies nach der (wohl nicht wi­derlegten) Darstellung des Kl. aus einer Verschiedenheit der geleisteten Arbeit gerechtfertigt haben solle.

Hat so aber das BerG die tatsächliche Richtigkeit der Aus­sage fehlerfrei festgestellt, dann verbietet sich insoweit der vom LG zugesprochene Widerruf, der sich nur auf Tatsa­chen, und zwar – jedenfalls in uneingeschränkter Form – nur auf erweislich unwahre, beziehen kann (Senatsurteil vom 4. Juni 1974, VI ZR 68/73, LM GG Art. 5 Nr. 35, NJW 1974, 1371 mit Nachw.).

2. Der Revision kann aber der Erfolg insoweit nicht ver­sagt werden, als sie sich gegen die Abweisung des Unter­lassungsbegehrens wendet. Denn die Verwendung des Wor­tes “Halsabschneider” muß entgegen der Meinung des BerG in diesem Zusammenhang als Formalbeleidigung gewertet werden. Freilich ergibt sich dies nicht schon daraus, daß die Bekl. überhaupt das Verhalten des Kl. aufgegriffen und öffentlich negativ beurteilt haben; denn sie haben in Wah­rung berechtigter Interessen gehandelt. Indessen enthält der von ihnen gebrauchte Ausdruck nach den Umständen eine unstatthafte Schmähung des Kl., die den Unterlassungsan­spruch rechtfertigt. Dies vermag das Revisionsgericht, soweit das BerG entscheidend auf Fragen des allgemeinen Sprach­verständnisses abstellt, selbständig zu beurteilen.

a) Das BerG geht zwar zutreffend davon aus, daß die Presse in solchen politisch brisanten Auseinandersetzungen mitunter scharf kritisieren darf (BGHZ 45, 296, 310 f.; vgl. auch Senatsurteil vom 718. Mai 1971, VI ZR 220/69, LM GG Art. 5 Nr. 33 MDR 1971, 999; jeweils mit Nachw.). Sie darf auch einprägsame, starke Formulierungen für er­forderlich halten (BVerfGE 24, 278, 282 f.; BVerfG in NJW 1969, 227). Vor allem ist der befugtermaßen seine Meinung Vertretende nicht verpflichtet, die mildeste Fassung zu ver­wenden (Senatsurteil vom 18. Juni 1974, VI ZR 16/73, LM GG Art. 5 Nr. 36, NJW 1974, 1762; schon zuvor unter teilweiser Aufgabe der früheren Rechtsprechung BGHZ 45, 296 (Höllenfeuer)). Die Grenzen für eine zulässige Mei­nungsäußerung sind vielmehr bei einer solchen Auseinan­dersetzung (die vorliegende gehört nicht nur wegen der ge­werkschaftlichen und presserechtlichen Aufgabenstellung für die Bekl., sondern auch wegen des Interesses der Allgemein­heit an sozialer Ausgewogenheit des Arbeitslebens dazu) weit zu ziehen (BGHZ 45, 296, 309 f.). Dies alles schließt jedoch eine allgemeine und im Einzelfall nur durch Abwä­gung zu erfüllende Pflicht zur Abgrenzung gegenüber dem, was nach der Sachlage als Schimpf- und Schmähkritik emp­funden werden muß, nicht aus (obiges Senatsurteil vom 18. Juni 1974, a.a.O.; vgl. auch neuerlich Senatsurteil vom 7. Dezember 1976, VI ZR 272/75- zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Prüfungspflicht setzt vor allem ein, wenn Ausdrücke gebraucht worden sind, die wegen der Stärke ihrer kritischen Abwertung im gegebenen Zusammenhang als Schimpfwörter empfunden werden können.

b) Der Ausdruck “Halsabschneider” wird im Verkehr ent­gegen der Meinung des BerG überwiegend als ein solches Schimpfwort empfunden. Er gehört, jedenfalls soweit er auf eine namentlich benannte Person angewandt wird, nicht mehr zu den Äußerungen, die im politischen Tageskampf – vor allem in gedruckten Veröffentlichungen – üblich sind und normalerweise auch ohne Beanstandungen hingenommen werden (vgl. BVerfG in NJW 1976, 1680, 1681). Allerdings sind, wie das bereits erwähnte Senatsurteil BGHZ 45, 296, 308 f. ausgeführt hat, gegebenenfalls auch Angriffe “schimpfend-polternder Art” hinzunehmen; ihre Wertung am guten Geschmack müsse dem Leser überlassen werden. Auch ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß es für das jeweilige Verständnis mit auf dem Horizont des angespro­chenen Lesers ankommt, so daß ein bestimmtes Wort nicht abstrakt, etwa an Hand eines Wörterbuchs, entweder als noch zulässiger kritischer Terminus oder aber als unzuläs­siges Schimpfwort eingestuft werden kann. Insoweit haben sich die Bekl. insbesondere darauf berufen, daß sie sich legi­timerweise des Stils und der Sprache ihrer Leser, der Ge­werkschaftsangehörigen, bedient hätten, um sich diesen in einer für sie wichtigen Angelegenheit verständlich zu machen.

All diese Gesichtspunkte verkennt der Senat nicht, sie vermögen indessen nichts daran zu ändern, daß bei der ge­gebenen Sachlage der diffamierende Charakter des Ausdrucks überwiegt, ihn damit unzulässig macht. Was das Ab­stellen auf das Verständnis des besonderen Leserkreises an­langt, so hat zunächst außer Betracht zu bleiben, daß dort der starke und ehrenrührigen Ausdruck wohl überwiegend Beifall erwarten konnte. Das allein kann ihn aber nicht er­lauben. Das wäre wohl anders zu beurteilen, wenn die Bekl. das Verständnis ihrer tatsächlichen wie ihrer wertenden Aussage durch den Verzicht auf diesen Ausdruck hätten ge­fährdet sehen dürfen (wobei ihnen indessen ein legitimes Interesse nicht auch daran zugestanden werden kann, durch überwiegend Beschimpfendes den psychologischen Effekt ihrer erlaubten oder gar berechtigten Aussage zu verstär­ken). Das aber kann hier nicht anerkannt werden. Einmal nämlich ist sich heute auch das nicht gehobene Leserpublikum wenigstens in groben Zügen durchaus der Grenzen bewußt, die sich auch bei berechtigten und heftigen Presseangriffen aus dem Gesichtspunkt des Ehrenschutzes ergeben können; daher kann allgemein, wenn der Verzicht auf sprachliche Ausformungen überwiegend beschimpfenden Charakters ge­fordert wird, noch kein Mißverständnis befürchtet werden. Zum anderen aber kann im Rahmen der gebotenen Inter­essenabwägung nicht außer Betracht bleiben, welche Nähe der gebrauchte, mindestens potentiell als Schmähung “an­kommende” Ausdruck zum Gegenstand der Auseinander­setzung in der Presse hat. Insoweit kann ein engerer Bezug des, soweit ersichtlich, vor allem dem Bereich der Kreditwirtschaft entstammenden Ausdrucks “Halsabschneider” zum Arbeitsmarkt nicht mit dem Ergebnis festgestellt werden, daß seine Untersagung die freie Meinungsäußerung d o r spürbar einengen könnte. Anders könnte es sich mit einem gerade in diesem Milieu gängigen Wertungsbegriff verhalten, selbst wenn sein Kränkungseffekt auf der Seite des Be­troffenen nicht geringer wäre. In den Vorinstanzen ist inso­weit als Vergleichspunkt der Vorwurf, ein “Ausbeuter” zu sein, erwähnt worden. Dieser Ausdruck bezeichnet zwar in der marxistischen Theorie den Unternehmer schlechthin, hat aber inzwischen wohl typische sprachliche Bedeutung zur Kennzeichnung eines unsozialen Unternehmers gewon­nen. Dies könnte daher auch dann, falls man im vorliegen­den Fall den unterstellten Vorwurf des “Ausbeuters” trotz gleicher Schwere zerlassen wollte (- vorüber der Senat hier nicht zu entscheiden hat) den Gebrauch des weiter hergeholten und daher ohne Ausdruckseinbuße verzichtbaren Ausdrucks “Halsabschneider” nicht rechtfertigen. Sein Schmä­hungsgehalt, durch die bewußte Anlehnung an ein (freilich nicht wirklich vorgeworfene ) Gewaltverbrechen besonders sinnfällig gemacht, gellt hier über das Maß dessen hinaus, was im Interesse der Meinungsfreiheit von dem dadurch in seiner Ehre Gekränkten hingenommen werden muß. Ob es damit anders stünde, falls dem Kl. eindeutige Verstöße ge­gen das Recht und rechtserhebliche Sittengebote nachgewiesen wären, kann dahinstehen, weil das BerG derlei aus­drücklich nicht festzustellen vermag.

c) Etwas anderes können auch nicht die Feststellungen des BerG ergeben, daß auch der Kl. im Meinungskampf gele­gentlich erheblich gegen die Gebote des Anstands und der Rücksichtnahme verstoßen und etwa in anderem, aber eben­falls seine Rolle als Arbeitgeber betreffendem Zusammen­hang den Fernsehmoderator M. öffentlich als “Lügenschwein” bezeichnet hat. Der zeitliche und sachliche Abstand dieser Vorkommnisse zu der hier streitigen Veröffentlichung schließt selbst eine affektive Sonderlage aus, die indessen den Gebrauch von Schimpfwörtern allenfalls zu entschuldi­gen, aber nicht zu rechtfertigen vermöchte.

d) Nach allem muß es dabei bleiben, daß der Gebrauch des Ausdrucks “Halsabschneider” als Bezeichnung für das Verhalten des Kl., auf dem die Bekl. ersichtlich bestehen wollen, unter den gegebenen Umständen wegen seines vorwiegenden Schmähungsgehalts und auch wegen seines Ab­stands zum sachnahen Vokabular unzulässig ist.

Daß aber wiederum nicht auf rechtliche und wirtschaft­liche Auseinandersetzungen im Arbeitsbereich beschränkt – heute allgemein eine gewisse Neigung zu wegen mangeln­der Rücksichtnahme auf den Schutzbereich der angegriffenen Person unangemessener Ausdrucksweise bestehen mag, kann eine andere Beurteilung ebensowenig rechtfertigen wie die Erfahrung, daß derart Gekränkte nicht selten vor einer, wie sie glauben, unabwendbaren – Verwilderung des Ver­haltens resignieren.