Dachsteinwerbung (BGH – I ZR 7/84)

Leitsatz
    
Beim Warenartenvergleich erfordert die Verpflichtung des Werbenden zur Aufklärung über Vorteile und Nachteile der einander gegenübergestellten Warenarten nicht eine Aufzählung aller Gesichtspunkte; doch darf durch die Auslassung einzelner Gesichtspunkte nicht ein unrichtiger Eindruck entstehen.

BGH, Urt. von  27.02.1986, OLG München, LG München

 

Tatbestand:

    Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der – seiner Satzung entsprechend – die Interessen der Ziegelindustrie fördert. Die Beklagte vertreibt von ihr hergestellte Dachsteine aus Beton. Im S. Tagblatt vom 28.8.1982 hat sie in einem bebilderten Inserat mit folgendem Text geworben:

    „Johann W., Hof W., M.: Die Frankfurter Pfanne von B. (Beklagte) war 1977 das nach meiner Meinung Schönste, was angeboten wurde. Außerdem ist sie wirtschaftlich. Denn man braucht auf einen Quadratmeter nur 10 Dachsteine statt 15 normale Ziegel. B. Alles gut bedacht.“

    Der Kläger hält diese Werbung für unzulässig. Er hat ausgeführt, im Rahmen eines Wirtschaftlichkeitsvergleiches müßten alle Umstände, die für den Gebrauchszweck von Bedeutung seien, einander gegenübergestellt werden. Da dies nicht geschehen sei, verstoße die Werbung gegen § 1 UWG. Außerdem liege ein Verstoß gegen § 3 UWG vor, da die Behauptung, für einen Quadratmeter würden 15 normale Ziegel benötigt, irreführend sei; die erforderliche Menge schwanke je nach Produkt zwischen 11,5 und 24 Stück.

    Der Kläger hat beantragt,

    der Beklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,– , ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten,

    bei der Werbung für die „Frankfurter Pfanne“ folgende Angabe zu verwenden:

    Denn man braucht auf einen Quadratmeter nur 10 Dachsteine statt 15 normale Ziegel.

    Die Beklagte ist dem entgegengetreten.

    Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

     
Entscheidungsgründe:
   

    I. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen § 1 UWG angenommen und dazu ausgeführt:

    Bei der angegriffenen Werbung handele es sich nicht um eine vergleichende Werbung, da es an einer erkennbaren Bezugnahme auf Angebote eines oder mehrerer bestimmter Mitbewerber fehle. Vielmehr handele es sich um einen Warenartenvergleich ohne Bezugnahme auf bestimmte Konkurrenten; es würden Dachsteine mit Ziegeln verglichen, also zwei verschiedene Warenarten, die beide zur Dacheindeckung bestimmt und geeignet seien.

    Der wahre Warenartenvergleich sei zulässig, ohne daß er einer Rechtfertigung bedürfe. Zu beachten sei jedoch, daß auch dieser Vergleich den allgemeinen Schranken für Werbevergleiche jeder Art unterliege. Dies bedeute, daß er so wahr und vollständig sein müsse, daß ein falscher Gesamteindruck vermieden werde. Über die maßgeblichen Umstände der verglichenen Warenarten müsse stets vollständig aufgeklärt werden, weil sonst eine gesamtabwägende Entscheidung, welche Warenart die vorteilhaftere sei, nicht sachgerecht getroffen werden könne.

    Die Beklagte sei somit verpflichtet gewesen, in ihrer Werbung nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit auf die Anzahl der benötigten Dachsteine bzw. Ziegel pro Quadratmeter Dachfläche abzustellen. Diese Reduzierung auf ein einziges Merkmal führe zu einem unvollständigen und damit falschen Eindruck. Zur Beantwortung der Frage, ob die Verwendung von Dachsteinen wirtschaftlicher sei als die von normalen Ziegeln, sei es notwendig gewesen, z.B. Preise zu nennen und Angaben zur Haltbarkeit, Wärmedämmfähigkeit und Farbechtheit zu machen.

    Durch den beschränkten Vergleich könne bei einem nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs der Eindruck entstehen, die Betonsteine der Beklagten seien Ziegeln in allen wesentlichen Belangen in gleichem Maße überlegen wie im Größenverhältnis, was bedeute, daß eine generelle Überlegenheit des Dachsteins gegenüber den Ziegeln von etwa 50 % vermutet werde. Eine solche Überlegenheit sei von der Beklagten aber nicht dargetan.

    II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

    Das Berufungsgericht hat in der angegriffenen Werbung einen Warenartenvergleich gesehen, bei dem es an der Bezugnahme auf einen konkreten oder unschwer konkretisierbaren Mitbewerber fehlt. Es ist zutreffend davon ausgegangen, daß für einen solchen Vergleich auf seiten des Werbenden – entgegen der Meinung des Landgerichts – keine zwingende Notwendigkeit vorzuliegen braucht; ein hinreichender Anlaß kann schon darin gesehen werden, daß es dem in dieser Weise Werbenden nicht verwehrt werden kann, die Gründe zu nennen, aus denen seine Warenart den Vorzug vor einer anderen verdient (BGH, Urt. v. 15.6.1966 – Ib ZR 72/64, GRUR 1967, 30, 33 = WRP 1966, 375 – Rum-Verschnitt). Der Bundesgerichtshof hat jedoch wiederholt ausgesprochen, daß ein solcher Vergleich sachlich gehalten und insbesondere wahr sein muß und beim angesprochenen Verkehr auch keinen unrichtigen Gesamteindruck erwecken oder ausnutzen darf (BGH aaO.; ferner Urt. v. 13.11.1951 – I ZR 44/51, GRUR 1952, 416, 417 f – Dauerdose; Urt. v.15.3. 1967 – Ib ZR 25/65, GRUR 1967, 596, 599 = WRP 1967, 311 – Kuppelmuffenverbindung).

    Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hätte danach feststellen müssen, daß und in welcher tatsächlichen Hinsicht der Warenartenvergleich der Beklagten beim angesprochenen Verkehr unrichtige Vorstellungen weckt. Solche Feststellungen hat das Berufungsgericht jedoch nicht rechtsfehlerfrei getroffen.

    a) Seine Annahme, bei einem nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs werde der Eindruck erweckt, die Warenart der Beklagten sei Ziegeln in allen wesentlichen Belangen in gleichem Maße überlegen wie im Größenverhältnis, findet in der allgemeinen Lebenserfahrung, von der das Berufungsgericht in Ermangelung anderer Erkenntnisgrundlagen allein ausgegangen sein kann, keine hinreichende Stütze. Nach ihr liegt es näher anzunehmen, daß der Verkehr einer konkreten Angabe über die Anzahl erforderlicher Dachsteine in erster Linie ihren eigentlichen engeren Wortsinn entnimmt. Darüber hinaus liegt es noch nahe, daß aus dem Zusammenhang, in dem die Angabe gemacht worden ist, nämlich im Anschluß an die Behauptung der „Wirtschaftlichkeit“ der Dachsteine, Schlüsse auf eine gewisse Überlegenheit in wirtschaftlicher Hinsicht gezogen werden. Daß der Angabe jedoch auch der Sinn entnommen werden könnte, die Dachsteine seien Ziegeln in allen wesentlichen Belangen überlegen, und dies auch noch – dem Verhältnis 10 : 15 entsprechend – um 50 %, erscheint nach der Lebenserfahrung gänzlich fernliegend. Eine solche Annahme hätte daher näherer Feststellungen des Berufungsgerichts bedurft.

    b) Soweit das Berufungsgericht die Unrichtigkeit der vergleichenden Angabe allein schon aus ihrer Unvollständigkeit geschlossen hat, hält dies ebenfalls der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

    Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß ein Warenartenvergleich, wenn er keine unrichtigen Vorstellungen wecken soll, stets vollständig über die maßgeblichen Umstände der verglichenen Warenarten aufklären müsse. Das findet in dieser Form jedoch in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine Stütze. In dem vom Berufungsgericht für seine Rechtsauffassung angeführten Urteil vom 15.3.1967 (aaO. – Kuppelmuffenverbindung) ist ausgesprochen, daß der Warenartenvergleich seine Grenze dort findet, wo ein für die Beurteilung maßgebliches Merkmal einseitig zum Vorteil der eigenen oder zum Nachteil der zum Vergleich herangezogenen Warenart unrichtig dargestellt wird, und daß ein Vergleich auch dann unrichtig ist, wenn er bei Erörterung eines maßgeblichen Merkmals einen in denselben Zusammenhang gehörenden wesentlichen Umstand verschweigt. Der hieraus zu entnehmenden Besonderheit, daß ein „in denselben Zusammenhang gehörender wesentlicher Umstand“ verschwiegen sein und der Vergleich dadurch objektiv unrichtig werden muß, hat das Berufungsgericht nicht genügend Beachtung geschenkt. Durch dieses Erfordernis wird verdeutlicht, daß beim Warenartenvergleich zwar eine gegenüber Werbebehauptungen ohne Bezug auf eine fremde Warenart erhöhte Aufklärungspflicht besteht (vgl. BGH aaO. – Rum-Verschnitt und – Kuppelmuffenverbindung), daß die Aufklärung jedoch nicht – wie das Berufungsgericht es angenommen hat – „stets vollständig“ sein, d.h. sich auf alle maßgeblichen Umstände der verglichenen Warenarten schlechthin beziehen muß. Ein solches Erfordernis würde den Warenartenvergleich außerordentlich schwerfällig und damit als sinnvolles Werbemittel (vgl. dazu BGH aaO. – Dauerdose) weitgehend unbrauchbar machen; es wird auch durch die Wahrheitspflicht nicht geboten, da nicht jeder unvollständige Vergleich auch einen unrichtigen Gesamteindruck erweckt. Die vom Berufungsgericht angenommene Pflicht zur Vollständigkeit würde – worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat – unter Umständen auch den Interessen der Konkurrenten des Werbenden zuwiderlaufen, da letzterer danach gegebenenfalls auch genötigt wäre, nicht nur einen bestimmten, für ihn vorteilhaften Punkt, sondern gleich alle Vorzüge seiner – unterstellt insgesamt vorteilhafteren – Warenart in die Werbung einzubeziehen.

    Das Berufungsgericht hätte daher die Unzulässigkeit der Werbebehauptung nicht schon aus ihrer Unvollständigkeit entnehmen dürfen, sondern es hätte prüfen müssen, welche konkreten Nachteile der eigenen bzw. Vorzüge der fremden Warenart die Beklagte verschwiegen hat sowie ob und gegebenenfalls warum der Zusammenhang der aufgestellten Werbebehauptung Veranlassung geboten hätte, diese Vor- oder Nachteile zu offenbaren (vgl. BGH aaO. – Dauerdose und – Kuppelmuffenverbindung).

    Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Desgleichen hat es – von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht – keine Feststellungen hinsichtlich eines etwaigen irreführenden Charakters der angegriffenen Werbung im Sinne des § 3 UWG getroffen, so daß die ausgesprochene Verurteilung vom Revisionsgericht auch nicht auf diese Vorschrift gestützt werden kann.

    III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

    Dieses wird bei der erneuten Prüfung zu beachten haben, daß der Sinn des gestellten Klageantrags nicht ganz klar ist. Seinem Wortlaut nach richtet er sich auf das Verbot des angegriffenen Satzes der Werbung schlechthin, was im Hinblick auf die Heranziehung auch des § 3 UWG zur Klagebegründung nicht von vorneherein jeden Sinns entbehrt. Das Berufungsgericht hat dagegen in seiner bisherigen Begründung zu erkennen gegeben, daß es den Satz – ungeachtet des uneingeschränkten Ausspruchs im landgerichtlichen Urteil – nur unter bestimmten Voraussetzungen – nämlich ohne ergänzende Angaben – für unzulässig hält, was dafür spricht, daß es allein die konkrete Verletzungsform als Streitgegenstand angesehen hat. Ob dies – was naheliegt – vom Kläger tatsächlich gewollt war oder ob dieser – wortlautgemäß – ein Schlechthinverbot erstrebt, wird aufzuklären sein. Im letzteren Falle wäre eine Prüfung der Klage auch unter dem Gesichtspunkt des § 3 UWG geboten.