Anzeigenrubrik II (BGH – I ZR 192/89)

Zur irreführenden Werbung durch eine Zeitungsanzeige, mit der unter der Rubrik „Stellenangebote“ für Fortbildungsveranstaltungen geworben wird.

I ZR 192/89 – 25.04.91 – OLG Düsseldorf  LG Wuppertal

 

I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. Juli 1989 aufgehoben.
 
 II. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal vom 12. Oktober 1988 wird unter Neufassung des Urteilsausspruches des Landgerichts mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte auf die Anschlußberufung des Klägers unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten die Ordnungshaft zu vollziehen an dem jeweils verantwortlichen Geschäftsführer der Beklagten – verurteilt wird, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Presseerzeugnissen unter der Rubrik „Stellenangebote“
 
a) Fortbildungen zum Berufskraftfahrer zu bewerben insbesondere wie in der nachfolgenden Form:

(vom Abdruck wurde abgesehen)
 
b) in derartigen Anzeigen mit dem Hinweis „Förderung nach AFG ist beantragt“ zu werben.
 
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

 
Tatbestand:

Der Kläger ist Inhaber einer Fahrschule für Berufskraftfahrer. Die Beklagte bietet ebenfalls die Ausbildung zum Berufskraftfahrer an. Sie warb in der „Westdeutschen Zeitung“ vom 30. März 1988 auf der Seite „Stellenmarkt“ unter der Rubrik „Stellenangebote“ mit der nachstehend samt der unmittelbar darüberstehenden Rubriküberschrift wiedergegebenen Anzeige:
 

Anzeige öffnen
 
Der Abdruck der Anzeige unter der Rubrik „Stellenangebote“ entsprach dem Auftrag der Beklagten.
 
Der Kläger hat diese Werbung als unlauter und irreführend beanstandet. Durch die falsche Rubrikeinordnung ihrer Werbung gelinge es der Beklagten, Stellensuchende anzusprechen und sich dadurch einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen. Die Anzeige erwecke auch als solche nach Text, Schriftbild und Layout bei dem flüchtigen Leser den Eindruck, es handele sich um ein Stellenangebot für Kraftfahrer.
 
Der Kläger hat vor dem Landgericht beantragt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Presseerzeugnissen Fortbildungen zum Berufskraftfahrer unter der Rubrik „Stellenangebote“ zu bewerben.
 
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, der unmißverständliche Inhalt der Anzeige schließe es aus, dass jemand annehme, es werde eine entgeltliche Beschäftigung angeboten. Den interessierten Lesern sei die Praxis, unter der Rubrik „Stellenangebote“ auch Fortbildungs- und Umschulungsveranstaltungen anzubieten, geläufig. Sollte ein Leser aufgrund der Einordnung der Werbung zunächst von einem Stellenangebot ausgehen, beseitige jedenfalls der Anzeigeninhalt diese Fehlvorstellung.
 
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der Berufung der Beklagten hat sich der Kläger mit einer Anschlußberufung angeschlossen. Mit dieser hat er beantragt,
 
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das angefochtene Urteil mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft, untersagt werde, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Presseerzeugnissen Fortbildungen zum Berufskraftfahrer unter der Rubrik „Stellenangebote“ zu bewerben, insbesondere wenn dies wie in der oben abgebildeten Anzeige geschehe.
 
Der Kläger hat mit der Anschlußberufung auch geltend gemacht, dass die beanstandete Werbung den unrichtigen Eindruck erwecke, jeder, der an der angebotenen Fortbildung zum Berufskraftfahrer teilnehme, erhalte die angekündigte Förderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz, während dies tatsächlich von der Erfüllung besonderer persönlicher Voraussetzungen im Einzelfall abhängig sei. Die Beklagte hat auch insoweit die Eignung ihrer Anzeige zur Irreführung bestritten.
 
Das Berufungsgericht hat die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abgewiesen und die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten nach seinen in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen.

 
Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch wegen des Abdrucks der beanstandeten Anzeige unter der Rubrik „Stellenangebote“ zustehe. Es hat hierzu ausgeführt: Weder der bereits vor dem Landgericht gestellte Klageantrag, der auf ein allgemein formuliertes Verbot gerichtet sei, noch der mit der Anschlußberufung gestellte Antrag, der sich auf die konkrete Verletzungsform beziehe, seien gerechtfertigt. Die Werbung mit der beanstandeten Anzeige unter der Rubrik „Stellenangebote“ sei nicht irreführend. Leser, die nur nach Stellenangeboten suchten, würden durch die unrichtige Einordnung der Anzeige nicht in erheblicher Weise veranlaßt, sich mit ihr näher zu befassen. Die Anzeige erwecke trotz ihres Abdrucks unter der entsprechenden Rubrik nicht den Eindruck eines Stellenangebots, da weder Text oder Schriftbild noch das Layout darauf hindeuteten. Schon die Überschrift
 
„Fortbildung zum Berufskraftfahrer
Güterverkehr
Vorbereitung auf die Facharbeiterprüfung“
 
mache deutlich, dass für eine Fortbildungsmaßnahme geworben werde. Der nachfolgende Text sei ebenso eindeutig.
 
Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, dass auch der Hinweis der Anzeige „Anmerkung Förderung nach AFG ist beantragt“ nicht im Sinne des § 3 UWG irreführend sei. Diese Angabe lasse offen, unter welchen Voraussetzungen die Teilnahme an den beworbenen Fortbildungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) tatsächlich gefördert werde.
 
II. Die Revision des Klägers hat Erfolg.
 
1. Der Kläger hat in erster Instanz einen allgemein gefaßten Unterlassungsantrag gestellt. Dieser Antrag ist nicht darauf gerichtet, dass die Beklagte schlechthin verurteilt wird, für ihre Fortbildungsveranstaltungen nicht mit Zeitungsanzeigen unter der Rubrik „Stellenangebote“ zu werben. Der Kläger hat vielmehr mit seinem Antrag nur begehrt, dass der Beklagten verboten wird, unter der Rubrik „Stellenangebote“ mit einer Anzeige für Fortbildungsveranstaltungen zu werben, die vom Leser nicht sofort als solche erkannt, sondern – in gleicher Weise wie die konkret beanstandete Anzeige – zunächst irrtümlich ebenfalls als Stellenangebot verstanden wird. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen, auf das sich die Klage stützt, das neben dem Wortlaut des Klageantrags, der hier auf ein weitergehendes Klagebegehren hindeutet, zu seiner Auslegung heranzuziehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.1990 – I ZR 78/88, GRUR 1990, 611, 616 = WRP 1990, 626, 632 – Werbung im Programm, insoweit in BGHZ 110, 278 nicht abgedruckt, m.w.N.). Diesem Inhalt des Klagebegehrens entspricht nach der Begründung der Entscheidung auch die vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung der Beklagten.
 
In der Berufungsinstanz hat der Kläger seinen in erster Instanz gestellten allgemein gefaßten Unterlassungsantrag dahingehend neu gefaßt, dass nunmehr „insbesondere“ auch das Verbot der konkreten Verletzungsform in das Unterlassungsbegehren einbezogen ist. Darin lag eine zulässige, der Verdeutlichung des Klagebegehrens dienende Neufassung des Klageantrags (vgl. dazu das zur Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom 25.4.1991 – I ZR 134/90 – Anzeigenrubrik I [unter II. 2]).
 
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass die Werbung der Beklagten mit der beanstandeten Anzeige unter der Rubrik „Stellenangebote“ nicht zur Irreführung geeignet sei, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Kläger kann vielmehr von der Beklagten nach § 3 UWG verlangen, es zu unterlassen, in Presseerzeugnissen für ihre Fortbildungsangebote unter der Rubrik „Stellenangebote“ zu werben, wenn diese nicht sofort erkennbar als Dienstleistungsangebot gestaltet sind.
 
Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, erwartet der Leser unter der Rubrik „Stellenangebote“ grundsätzlich nur Stellenanzeigen. Diese Feststellung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass nach dem – in der Revisionsinstanz zu unterstellenden – Vorbringen der Beklagten der Abdruck von Fortbildungsanzeigen unter der Rubrik „Stellenangebote“ einer verbreiteten Übung entspricht. Denn ausweislich der Unterlagen, die sie als Beleg für ihre Darstellung zu den Akten gegeben hat, behauptet die Beklagte selbst nicht, dass unter der Rubrik „Stellenangebote“ jeweils mehr als nur einzelne Fortbildungsanzeigen, die den Gesamtcharakter der Rubrik nicht verändern können, abgedruckt werden. Wird somit – auch nach dem Vorbringen der Beklagten – gewöhnlich der Rubrikcharakter zumindest im wesentlichen gewahrt, muß auch von einer entsprechenden Erwartungshaltung der Leser ausgegangen werden. Ein Leser, dem die – hier zu unterstellende -Übung, unter der Rubrik „Stellenangebote“ auch Fortbildungsanzeigen abzudrucken, bekannt ist, wird lediglich leichter erkennen, dass seine allgemeine Erwartung im konkreten Fall nicht zutrifft.
 
Nicht nur diejenigen Leser, welche die Anzeigenüberschrift lediglich flüchtig übergehen, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil auch diejenigen, welche sie aufmerksam lesen, werden aufgrund ihrer Erwartungshaltung, eine Stellenanzeige vor sich zu haben, durch die Anzeigenüberschrift nicht ausreichend deutlich auf den wahren Charakter der Anzeige hingewiesen. Denn die Überschrift kann von Lesern, die auf ein Stellenangebot eingestellt sind, auch dahin verstanden werden, dass eine Stelle angeboten wird, bei der sich der Stelleninhaber im Rahmen seiner Tätigkeit auch zum Berufskraftfahrer für den Bereich des Güterverkehrs fortbilden kann. Diese Fehlvorstellung wird zwar durch den übrigen Anzeigeninhalt wieder beseitigt, eine Irreführung im Sinne des § 3 UWG liegt jedoch schon dann vor, wenn ein nicht unerheblicher Teil des Publikums durch Angaben, die geeignet sind irrezuführen, angelockt und veranlaßt wird, sich mit dem beworbenen Angebot überhaupt oder näher zu befassen (st. Rspr.; vgl. z.B. BGHZ 104, 384, 385 – Fachkrankenhaus; BGH, Urt. v. 18.12.1981 – I ZR 198/79, GRUR 1982, 242, 244 = WRP 1982, 270, 271 – Anforderungsscheck für Barauszahlungen; Urt. v. 8.6.1989 – I ZR 233/87, GRUR 1989, 855, 856 = WRP 1990, 235, 236 – Teilzahlungskauf II; Urt. v. 1.2.1990 – I ZR 161/87, GRUR 1990, 532, 533 = WRP 1990, 701, 702 Notarieller Festpreis).
 
3. Die Revision rügt ebenso mit Erfolg, dass das Berufungsgericht dem gegen die Werbeaussage „Förderung nach AFG ist beantragt“ gerichteten Unterlassungsbegehren nicht gemäß § 3 UWG stattgegeben hat. Mit der – an sich zutreffenden -Bemerkung, diese Angabe lasse offen, unter welchen Voraussetzungen die Teilnahme an den beworbenen Fortbildungsmaßnahmen nach dem AFG gefördert werde, konnte das Berufungsgericht eine Irreführung nicht verneinen. Denn jedenfalls bei Personen, die von der Art und Weise der Förderung nach dem AFG keine Kenntnis haben, kann die Anzeige den Eindruck erwecken, der Teilnehmer komme, falls dem Antrag der Beklagten stattgegeben werde, ohne weiteres in den Genuß einer öffentlichen Förderung der Fortbildungsmaßnahme. Da dieses Verständnis der Werbung durch ihren Sprachsinn nahegelegt wird, ist nach der Lebenserfahrung anzunehmen, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise mangels eigener Kenntnis von den Fördervoraussetzungen die Werbung auch in diesem Sinn versteht (vgl. dazu BGH, Urt. v. 1.2.1990 – I ZR 161/87, GRUR 1990, 532, 533 = WRP 1990, 701, 702 – Notarieller Festpreis, m.w.N.). Bei diesem Verständnis ist die Werbeaussage jedoch unrichtig, weil ein Antrag auf Förderung der beruflichen Bildung nur von dem Teilnehmer der Bildungsmaßnahme selbst, nicht auch von dem Träger der Maßnahme gestellt werden kann (vgl. dazu auch BSGE 43, 134, 137; Gagel/Richter, AFG, § 33 Rdn. 11). Dieser kann die Bundesanstalt für Arbeit lediglich unter Vorlage von Nachweisen vorab um Prüfung bitten, ob ihre Fortbildungsveranstaltung die institutionellen Voraussetzungen der Förderung erfüllt und auf diese Weise die spätere Antragstellung durch die Teilnehmer erleichtern. Die eigene Antragstellung und insbesondere den Nachweis, dass auch die neben den institutionellen Voraussetzungen geforderten individuellen Förderungsvoraussetzungen vorliegen, kann der Träger der Maßnahme den Teilnehmern an der Fortbildungsveranstaltung nicht abnehmen.
 
Der mit der Anschlußberufung geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung dieser Werbung ist deshalb begründet.
 
III. Auf die Revision des Klägers ist danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Beklagte unter Neufassung des Urteilsausspruchs des Landgerichts gemäß dem vom Kläger in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Antrag zu verurteilen.
 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 UWG Abs. 1 ZPO.