PVC-frei (BGH – I ZR 76/94)

Leitsatz

    Zur Frage der Irreführung durch die zutreffende Angabe „PVC-frei“ auf Verpackungen, die – für den Verbraucher erkennbar – aus Kunststoffen bestehen, von denen ebenfalls Umweltbelastungen, wenn auch andere als von PVC, ausgehen können.

BGH, Urt. v. 23.05.1996, OLG Frankfurt, LG Frankfurt 

 

 Tenor

    Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 1994 aufgehoben.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. November 1992 wird zurückgewiesen.

    Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.

    Von Rechts wegen

 

Tatbestand

    Die Beklagte vertreibt verschiedene Büro- und Schreibartikel in Blisterpackungen aus Polypropylen und Polystyrol. Auf diesen Kunststoffverpackungen befindet sich die sachlich zutreffende Angabe „PVC-frei“.

    Die Klägerin, ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat diese Angabe als irreführend beanstandet. Der Hinweis erwecke bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck, die Verpackung sei nicht umweltschädlich. Tatsächlich böten aber die verwendeten Kunststoffe in der Gesamt-Ökobilanz keine Vorteile gegenüber PVC.

    Die Klägerin hat beantragt,

    die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Verkauf von Büro- und Schreibwaren, insbesondere auf Blisterpackungen, mit dem Hinweis „PVC-frei“ zu werben, solange die Beklagte PVC durch andere Kunststoffe ersetzt, wie bei den (zur Klageschrift) beigefügten Verpackungen „P. Deckweiß“, „P. Tintenpatronen“, Füllerverpackungen „P.“, „P.-Radierer“.

    Sie hat ferner Zahlung von Aufwandsentschädigung in Höhe von 246,10 DM verlangt.

    Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat vor allem auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit hingewiesen, da vom PVC – worüber in den Medien berichtet worden sei – erhebliche Risiken für die Umwelt und für die Gesundheit ausgingen.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

    Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte nach den Klageanträgen verurteilt (GRUR 1994, 524).

    Mit der Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

    I. Das Berufungsgericht hat die beanstandete Werbung als irreführend (§ 3 UWG) angesehen. Es hat dazu ausgeführt: Der Hinweis „PVC-frei“ auf den Verpackungen, der allein Streitgegenstand sei, sei sachlich zutreffend. Er besage auch nicht, daß die Verpackungen Kunststoff-frei seien, denn der Verbraucher erkenne sofort, daß diese tatsächlich aus Kunststoff hergestellt seien. Weiter sei der Beklagten zuzugeben, daß der Hinweis wegen der breiten öffentlichen Diskussion um die mit PVC verbundenen Umweltbelastungen und Gesundheitsgefahren einem Bedürfnis der Verbraucher nach Information und Aufklärung entspreche. Gleichwohl sei der Hinweis irreführend, denn er könne auch dahin verstanden werden, es handele sich um eine Verpackung, die – obwohl erkennbar aus Kunststoff – bedenkenlos gekauft werden könne und Alternativverpackungen wie Papier oder Pappe überflüssig mache. Diesen Eindruck erwecke vor allem die Aussage „frei“, die einen eindeutig umweltpolitischen Inhalt habe und daher geeignet sei, bei nicht unbeachtlichen Teilen der Verbraucher die Vorstellung hervorzurufen, PVC sei nicht bloß durch einen anderen Kunststoff „ersetzt“ worden, sondern der tatsächlich verwendete Kunststoff biete gegenüber PVC erhebliche Umweltvorteile. Der Verbraucher könne PVC angesichts der öffentlich geführten Diskussion um die Nachteile und Gefahren dieses Produkts als Synonym für einen umweltschädlichen Kunststoff ansehen. Deshalb werde die Erwartung an die Umweltfreundlichkeit um so höher sein, wenn auf der Verpackung ausdrücklich auf „PVC-frei“ hingewiesen werde. Ein rechtlich beachtlicher Teil der umworbenen Verbraucher verstehe deshalb diesen Hinweis zugleich als Repräsentativaussage für relative Umweltproduktverträglichkeit.

    Tatsächlich seien die für die Verpackung verwendeten Kunststoffe Polypropylen und Polystyrol aber bei einer ökobilanziellen Gesamtbetrachtung nicht wesentlich umweltfreundlicher als PVC. Der Verkehr kenne jedoch die von den Kunststoffen ausgehenden spezifischen Umweltbelastungen zumeist nicht, weil die Beklagte auch die Ersatzkunststoffe neben dem Hinweis „PVC-frei“ nicht nenne. Er werde deshalb bei Zugrundelegung der gebotenen strengen Maßstäbe zur Beurteilung der Zulässigkeit der umweltbezogenen Werbung, um die es sich der Sache nach handele, in seinen Erwartungen enttäuscht, wenn er erfahre, welche Belastungen die Ersatzkunststoffe mit sich brächten; dies auch dann, wenn Polypropylen und Polystyrol ökobilanziell günstiger als PVC sein sollten.

    Auch die wegen der Verwendung der objektiv richtigen Angabe gebotene Interessenabwägung falle nicht zugunsten der Beklagten aus. Die von der Beklagten angeführte Parallele zur Diskussion um die FCKW-Problematik helfe ihr nicht weiter. Bei FCKW wisse der Verbraucher genau, welche Produkte diesen Schadstoff enthalten könnten (Gefrierschränke, Spraydosen u.s.w.). Außerdem sei dies ein Stoff, der die Gesundheit der Menschen unmittelbar gefährde (Ozonloch). An dem Hinweis „FCKW-frei“ bestehe deshalb ein schutzwürdiges Interesse; es liege auch im Allgemeininteresse. Anders verhalte es sich bei Blisterpackungen. Sie gefährdeten die Gesundheit nicht unmittelbar und seien auch nicht stets aus PVC. Vielmehr hätten sie schon immer auch aus anderen Kunststoffen bestanden, so daß PVC nicht synonym für Blisterpackungen sei. Der Verbraucher erwarte bei ihnen daher nicht zwangsläufig ein Produkt aus PVC, und die angesprochenen Verkehrskreise hätten keinen hinreichenden Anlaß, bei Blisterpackungen gezielt nach PVC zu fragen. Auch im Hinblick auf die in der Öffentlichkeit erhobenen Angriffe auf PVC habe die Beklagte kein schützenswertes Interesse daran, den Hinweis „PVC-frei“ in der beanstandeten Form zu nutzen. Sie könne ohne weiteres den Ersatzkunststoff angeben.

    II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts, das die Klage abgewiesen hat.

    Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet festgestellt, daß der Hinweis „PVC-frei“ wahr ist, da er von der Beklagten nur auf Verpackungen angebracht ist, die nicht aus PVC sind. Es hat weiter zutreffend angenommen, der Hinweis besage auch nicht, daß die Verpackungen Kunststoff-frei seien; denn der Verbraucher erkenne sofort ihre Kunststoffeigenschaft. Der Verbraucher sieht also in PVC kein Synonym für Kunststoff schlechthin.

    Das Berufungsgericht hat jedoch eine nach § 3 UWG zu untersagende Irreführung des Verkehrs darin erblickt, daß ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher den Hinweis „PVC-frei“ zugleich als Repräsentativaussage für eine – im Streitfall tatsächlich nicht vorliegende – relative Produktumweltverträglichkeit verstehe. Diese Annahme beruht auf Erwägungen, die sowohl in ihrem rechtlichen Ausgangspunkt als auch in der Feststellung der Verkehrsauffassung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen.

    1. In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht die streitgegenständliche Werbeangabe nach zu strengen Maßstäben beurteilt.

    a) Es hat zwar nicht näher ausgeführt, welche Irreführungsquote es im Streitfall für die Annahme einer Irreführungsgefahr für erforderlich hält, es hat sich jedoch ersichtlich an der für den Bereich der Gesundheitswerbung anerkannten (niedrigeren) Untergrenze orientiert, indem es seiner Beurteilung die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur umweltbezogenen Werbung entwickelten Grundsätze zugrunde gelegt hat. Danach unterliegt die Werbung mit Umweltschutzgesichtspunkten zwar ebenso wie die Gesundheitswerbung strengen Anforderungen und weitgehenden Aufklärungspflichten (seit BGHZ 105, 277, 280 – Umweltengel; zuletzt BGH, Urt. v. 14.12.1995 – I ZR 213/93, GRUR 1996, 367 = WRP 1996, 290 – Umweltfreundliches Bauen). Dies kann allerdings nicht für umweltbezogene Werbeaussagen schlechthin und uneingeschränkt gelten. So hat der Senat z.B. eine Werbung mit der Umweltverträglichkeit von Ziegeln als wettbewerbsrechtlich zulässig beurteilt, obwohl es an einem Hinweis auf die mit der Rohstoffgewinnung verbundenen Eingriffe in die Natur fehlte (BGH, Urt. v. 9.6.1994 – I ZR 116/92, GRUR 1994, 828, 829 = WRP 1994, 615 – Unipor-Ziegel). Vorliegend besteht die Besonderheit darin, daß es sich nicht um den typischen Fall einer direkten Werbung mit Begriffen wie „umweltfreundlich“, „umweltschonend“, „bio-“ oder „öko-“ handelt, die – insbesondere wenn sie werblich besonders herausgestellt werden – eine starke Suggestivkraft haben können. Der Umweltbezug wird hier nur indirekt durch eine rein negative (und wahre) Beschaffenheitsangabe hergestellt, die sich lediglich auf eine Eigenschaft des Produkts bezieht, nämlich darauf, daß das – erkennbar aus Kunststoff bestehende – Verpackungsmaterial jedenfalls kein PVC enthält, und die zudem noch durch das Informationsinteresse der Verbraucher veranlaßt worden ist (vgl. nachfolgend unter b). Es wird mithin keine positive Wirkung des Produkts verallgemeinert, sondern es wird eine negative Beschaffenheit (PVC), wie sie hier bei der Verwendung von Kunststoff naheliegt, ausgeschlossen. In einem solchen Fall kann nicht davon ausgegangen werden, daß von der umweltbezogenen Werbeaussage eine mit der Gesundheitswerbung vergleichbare Gefährlichkeit für die Gesundheit als ein besonders wertvolles und schützenswertes Gut ausgeht, die es dort rechtfertigt, die Beachtlichkeitsschwelle der Irreführung im unteren Bereich anzusiedeln. Ob dies für alle Hinweise auf eine (nur) relative Umweltverträglichkeit zu gelten hat, kann hier auf sich beruhen.

    b) Das Berufungsgericht hat außerdem nicht hinreichend beachtet, daß in den Fällen, in denen – wie hier – die Täuschung des Verkehrs lediglich auf einem unrichtigen Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, für die Anwendung des § 3 UWG grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote erforderlich ist als im Falle einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 15.2.1996 – I ZR 9/94, WRP 1996, 729, 731 – Der meistverkaufte Europas, m.w.N.).

    Es hat bei der in einem solchen Falle gebotenen Interessenabwägung, von deren Ergebnis bereits die Beantwortung der Frage abhängt, welchen Umfang ein „nicht unerheblicher Teil“ des Verkehrs im Sinne des § 3 UWG im konkreten Einzelfall haben muß (BGH, Urt. v. 3.2.1994 – I ZR 282/91, GRUR 1994, 519, 521 – Grand Marnier; vgl. auch Teplitzky in Festschrift Vieregge, 1995, S. 853, 857), auch nicht alle Besonderheiten des Streitfalls berücksichtigt. In die Erwägungen sind u.a. die von einer Werbung mit objektiv richtigen Angaben ausgehenden Auswirkungen, die Bedeutung (Gefährlichkeit) der Irreführung objektiv und/oder nach den Vorstellungen der von ihr betroffenen Verkehrskreise sowie das Gewicht etwaiger Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit oder des Werbenden selbst einzubeziehen (vgl. BGH aaO – Grand Marnier). Das Berufungsgericht hat sich demgegenüber im Rahmen der Interessenabwägung im wesentlichen darauf beschränkt, die Unterschiede in der Interessenlage herauszustellen, die bei den (wahren) Hinweisen „FCKW-frei“ einerseits und „PVC-frei“ andererseits bestehen. Mögen bei der Angabe „FCKW-frei“ – wie das Berufungsgericht anhand des zu den Akten gereichten Materials ausgeführt hat – das schutzwürdige Interesse des Werbenden und das Allgemeininteresse auch gewichtiger sein, so rechtfertigt dieser Umstand es nicht, die im Streitfall bestehende Interessenlage völlig zu vernachlässigen.

    Das Berufungsgericht ist selbst davon ausgegangen, daß der Hinweis „PVC-frei“ einem Bedürfnis der Verbraucher nach Information und Aufklärung entspricht, weil die mit PVC verbundenen Umweltbelastungen und Gesundheitsgefahren öffentlich verstärkt diskutiert und kritisiert werden (BU 6 oben). Es hat insoweit auf die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen verwiesen, ohne diese aber im einzelnen zu würdigen. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um zu prüfen, welche Intensität diese Diskussion erreicht hat und welches Gewicht dem Informationsinteresse der Verbraucher und dem eigenen Interesse der Beklagten deshalb beizumessen ist. Um diese Prüfung nachzuholen, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an den Tatrichter, da der Senat sie anhand des vorgelegten Materials selbst vornehmen kann. Bereits aus dem Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen aus dem Jahre 1990 zum Thema „Abfallwirtschaft“ ergibt sich die Forderung nach einer Substitution von PVC für den Verpackungsbereich (vgl. BT-Drucks. 11/8493, S. 225). Dies wurde in den Bundesrats-Ausschüssen anläßlich der Beratungen über die Verpackungsverordnung aufgegriffen und es wurde eine Ergänzung des bereits vorliegenden Entwurfs um ein Verbot für Verpackungen aus PVC u.a. mit dem Hinweis auf „kanzerogene Risiken durch Vinylchlorid“ angeregt (vgl. BRDrucks. 817/1/90, S. 13). Das Umweltbundesamt hat im Jahre 1992 einen Überblick zum Thema „Umweltbelastungen durch PVC“ verfaßt und für den Verpackungsbereich auf Ersatzstoffe verwiesen, bei denen jedenfalls die für PVC beschriebenen Umweltbelastungen (Dioxinfreisetzung bei unkontrollierter Verbrennung, Weichmacherübergang in Lebensmitteln bzw. Innenräumen, erhöhter Chloreintrag in Abfallverbrennungsanlagen) in der Regel entfielen. Die Diskussion über die von PVC ausgehenden Gefährdungen ist nicht auf den politischen Raum beschränkt geblieben, sondern hat auch in der Öffentlichkeit und den Medien stattgefunden. So berichtete die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher schon in einer Presseerklärung aus dem Jahre 1990 darüber, daß sich 30.000 Verbraucher den Forderungen nach einem Verbot von PVC-Verpackungen und der Kennzeichnung aller übrigen PVC-Produkte angeschlossen hätten. In groß aufgemachten Presseartikeln wird über von PVC ausgehenden Gefährdungen berichtet: Im Hamburger Abendblatt vom 6. Juli 1990 heißt es unter den Überschriften „PVC – ein Stoff im Fadenkreuz der Umweltschützer“ und „Wo die Gefahren lauern“ u.a., PVC komme immer mehr ins Gerede; vor allem die steigende Furcht vor krebserregenden Dioxinen und Furanen bereite der PVC-erzeugenden Industrie erhebliche Imageprobleme. Ein Bericht in der Wirtschaftswoche vom 25. Mai 1990 ist überschrieben mit „Dumpfe Furcht“ und „PVC: Politur am Image eines umstrittenen, chlorhaltigen Kunststoffs“. In der in Hamburg erscheinenden Tageszeitung vom 22. Mai 1991 wird unter den Überschriften „Öko-Krieg um einen Allerweltskunststoff“ und „Umweltwelle bringt Chlorwerkstoff PVC zunehmend in Verruf“ über das oben angeführte Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen berichtet und u.a. darauf hingewiesen, der Rat habe der Bundesregierung „das Verbot von PVC als Verpackungsmaterial“ empfohlen. Ein Artikel im Handelsblatt vom 26./27. November 1993 trägt die Überschrift „Töpfer denkt an Pflicht zur Kennzeichnung von PVC“.

    Es kann vorliegend dahinstehen, ob und in welchem Umfang die diskutierten Risiken sich letztlich naturwissenschaftlich absichern lassen. Im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung ist der in der Öffentlichkeit entstandene Eindruck maßgebend. Dieser ging dahin, daß die mit PVC verbundenen Umweltbelastungen und Gesundheitsrisiken verstärkt diskutiert und kritisiert wurden; die geforderten Konsequenzen reichten von einer Kennzeichnungspflicht bis zum vollständigen Verbot von PVC. Angesichts dieser Umstände muß von einem ganz erheblichen Informations- und Aufklärungsbedürfnis der Verbraucher ausgegangen werden.

    Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte könne dem Informationsbedürfnis der Verbraucher ohne weiteres dadurch Rechnung tragen, daß sie die tatsächlich verwendeten Kunststoffe angibt, erscheint eher fernliegend. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann nicht davon ausgegangen werden, daß die angesprochenen Verkehrskreise mit dem Hinweis auf die Kunststoffe Polypropylen und Polystyrol etwas anfangen oder daraus zumindest darauf schließen könnten, daß die Verpackungen jedenfalls kein PVC enthalten; denn letzteres würde wiederum die nicht überall zu erwartende Kenntnis voraussetzen, daß PVC als Abkürzung für Polyvinylchlorid steht. Eine umfassende Aufklärung über alle Nachteile des eigenen Produkts wird von § 3 UWG grundsätzlich nicht verlangt. Die Bestimmung enthält ein Irreführungsverbot, begründet aber kein Informationsgebot (vgl. BGHZ 104, 185, 188 – Entfernung von Kontrollnummern I). Dies gilt auch bei der Beurteilung von umweltbezogener Werbung (BGH aaO – Umweltfreundliches Bauen).

    Bei dieser Sachlage ergibt sich zugleich ein schützenswertes Interesse der Beklagten daran, den Hinweis „PVC-frei“ – wie dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch zahlreiche andere Hersteller tun – auf ihren Verpackungen zu verwenden. Die Beklagte hatte auch deshalb Veranlassung, auf ihre PVC-freien Produkte hinzuweisen, weil ihr in den Jahren 1985 und 1988 in Strafanzeigen vorgeworfen worden war, PVC enthaltende Radiergummis auf den Markt zu bringen; auch in einem Heft des „ÖKO-Test-Magazins“ aus dem Jahre 1992 ist sie zu denjenigen Herstellern von Radiergummis gezählt worden, die PVC verwenden.

    c) Die Gesamtwürdigung all dieser Umstände läßt es geboten erscheinen, im Streitfall eine erhöhte Irreführungsquote zu verlangen, die deutlich über der liegt, welche die Rechtsprechung bislang im Regelfall, d.h. bei einer – keine Besonderheiten aufweisenden – Werbung mit unrichtigen Angaben, für die Annahme der Täuschung eines nicht unerheblichen Teils des Verkehrs gefordert hat.

    2. Im Streitfall lassen sich den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und dem Klagevorbringen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß der hier für die Annahme einer Irreführungsgefahr erforderliche erhöhte Anteil getäuschter Verbraucher auch tatsächlich erreicht wird. Das Berufungsgericht hat insoweit keine bestimmte Quote festgestellt. Seinen Ausführungen ist jedoch zu entnehmen, daß es sich entsprechend seinem rechtlichen Ausgangspunkt, wonach vorliegend ein Quorum im unteren Bereich ausreicht (vgl. oben unter II 1 a), auch in tatsächlicher Hinsicht mit einem zu geringen Anteil begnügt hat.

    Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß überhaupt Teile des Verkehrs einer Irreführung unterliegen, kann allerdings – anders als die Revision meint – weder als erfahrungswidrig noch als denkgesetzwidrig angesehen werden. Das Berufungsgericht hat beanstandungsfrei festgestellt, daß sich ein Verkehrsverständnis nicht ausschließen lasse, wonach der Hinweis „PVC-frei“ angesichts der öffentlich geführten Diskussion um die mit PVC verbundenen Nachteile und Gefahren dahin verstanden werden könne, die verwendeten Alternativstoffe böten gegenüber PVC wesentliche Umweltvorteile; der Hinweis könne mithin jedenfalls von Teilen des Verkehrs als Repräsentativaussage für relative Produktumweltverträglichkeit gewertet werden. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß ein solches Verständnis bei einem hier rechtlich beachtlichen Teil der umworbenen Verbraucher besteht.

    Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung von einem undifferenzierten Verbraucherverständnis ausgegangen. Hätte es sich – wie geboten – näher mit anderen möglichen Verbrauchervorstellungen befaßt, so hätte es erkannt, daß zunächst hinsichtlich der angesprochenen Verbraucher danach zu unterscheiden ist, ob diese die öffentliche Diskussion über die mit der Verwendung von PVC verbundenen Risiken und Gesundheitsgefahren verfolgt haben oder ob sie unbemerkt an ihnen vorübergegangen ist. Wer sich mit Umweltfragen überhaupt nicht auseinandersetzt und von möglichen PVC-Risiken bislang nichts gehört hat, wird mit dem Hinweis „PVC-frei“ nicht allzuviel anfangen können, zumal er nicht etwa hervorgehoben in der Werbung der Beklagten erscheint, sondern erst bei näherem Hinsehen auf den Verpackungen erkennbar wird. Dieser Teil der Verbraucher wird, wenn er dem Hinweis überhaupt Bedeutung beimißt, in der Regel einer eher diffusen Täuschung erliegen, die mangels bestimmter Vorstellungen grundsätzlich nicht als eine nach § 3 UWG beachtliche Irreführung gewertet werden kann. Bei denjenigen Teilen des Verkehrs, die die Diskussion um mögliche PVC-Gefahren einschließlich des Krebsrisikos verfolgt haben, ist wiederum zu unterscheiden: Nach der allgemeinen Lebenserfahrung erscheint es naheliegend, die Angabe überwiegend so zu verstehen, wie sie gemeint ist, daß nämlich PVC-freie Verpackungen nicht nur kein PVC, sondern auch keine mit PVC vergleichbaren Kunststoffe mit den in der Öffentlichkeit diskutierten typischen PVC-Risiken enthalten. Bei einem solchen Verkehrsverständnis kann keine Irreführung angenommen werden. Denn nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen (BU 6 f.) und dem Sachvortrag der Parteien kann davon ausgegangen werden, daß die von der Beklagten verwendeten Kunststoffe Polypropylen und Polystyrol zwar möglicherweise andere, aber jedenfalls nicht die für PVC spezifischen Risiken und Gefahren aufweisen. Eine Irreführung kommt danach in erster Linie nur bei dem über PVC-Risiken informierten Teil der Verbraucher in Betracht, der – wie vom Berufungsgericht angenommen – bei den verwendeten Kunststoffen wesentliche Umweltvorteile gegenüber PVC erwartet. Insoweit erscheint allerdings die Annahme des Berufungsgerichts eher fernliegend, die Angabe „PVC-frei“ könne dahin verstanden werden, es handele sich um eine Verpackung, die – obwohl erkennbar aus Kunststoff – bedenkenlos gekauft werden könne und Alternativverpackungen wie Pappe oder Papier überflüssig mache. Erkennt der Verkehr, daß er einen Kunststoff vor sich hat, so kann als weitgehend bekannt und selbstverständlich vorausgesetzt werden, daß Herstellung und Entsorgung von Kunststoffen zu Umweltbelastungen führen können (vgl. auch BGH aaO – Unipor-Ziegel). Mit Pappe oder Papier wird er einen solchen Kunststoff daher nicht gleichsetzen. Der verbleibende Anteil derjenigen, die jedenfalls andere wesentliche Umweltvorteile erwarten, kann nicht allzu hoch angesetzt werden. Eine solche Verbrauchererwartung wäre eher naheliegend, wenn eine besondere Umweltfreundlichkeit herausgestellt worden wäre, etwa durch eine Werbeaussage: „Umweltfreundlich, weil PVC-frei“. So liegt der Fall hier nicht. Vielmehr liegt es näher, daß der Verbraucher, an dem die öffentliche Diskussion um die PVC-Risiken nicht unbemerkt vorübergegangen ist, bei der schlichten Angabe „PVC-frei“ an die auch in der Öffentlichkeit geäußerte Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für Verpackungen aus PVC denkt. Er ist nicht in der Lage, eine ökobilanzielle Gesamtbetrachtung, wie sie dem Klagevorbringen zugrunde liegt, anzustellen und wird im allgemeinen wissen, daß auch andere Kunststoffe – teils erheblich – umweltbelastend sind. Für ihn ist es wichtig – und dies ist eine Folge der öffentlichen Diskussion -, daß er bewußt auf Verpackungen aus PVC verzichten will, um die damit verbundenen spezifischen Risiken zu vermeiden.

    Unter diesen Umständen kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Anteil derjenigen, die wesentliche Umweltvorteile gegenüber PVC erwarten und sich getäuscht fühlen, wenn sie von den mit den verwendeten Alternativkunststoffen verbundenen Umweltbelastungen erfahren, jedenfalls nicht deutlich über der im Regelfall einer Werbung mit unrichtigen Angaben (und ohne daß besondere Umstände des Einzelfalls eine Abweichung erfordern) anzusetzenden Irreführungsquote liegen.

    3. Das angefochtene Urteil kann auch nicht aus einem anderen rechtlichen Grund (§ 1 UWG) Bestand haben. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, daß eine gefühlsbetonte Werbung bei einer dem Leitbild des Leistungswettbewerbs widersprechenden Ausnutzung der Gefühle zur unsachlichen Beeinflussung der Kaufentscheidung auch dann wettbewerbswidrig sein kann, wenn sie nicht irreführt (BGH aaO – Unipor-Ziegel). Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Zwar kann eine umweltschutzbezogene Werbung wie die streitgegenständliche Angabe geeignet sein, Emotionen der Verbraucher anzusprechen, weil durch sie sowohl die für den Menschen bedeutsame Besorgnis um die eigene Gesundheit als auch das soziale Verantwortungsgefühl für die eigene Generation und spätere Generationen geweckt werden kann. Da aber die Richtigkeit der Angaben nicht in Zweifel zu ziehen ist, kann sie nicht als unsachliche wettbewerbswidrige Beeinflussung des Publikums gewertet werden (vgl. BGHZ 112, 311, 315 – Biowerbung mit Fahrpreiserstattung). Zu den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs steht es nicht in Widerspruch, wenn der Werbende denkbare negative Eigenschaften eines beworbenen Produkts ausschließt.

    III. Danach war auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts war zurückzuweisen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.