Schlangenzeichen (BGH – I ZR 1/79)

Leitsatz

Bei Prüfung der Frage, ob ein Warenzeichen, das für Kosmetika verwendet wird, im Verkehr den Eindruck hervorruft, es handle sich bei der so gekennzeichneten Ware um ein Arzneimittel, ist neben dem Zeichen auch die übrige Aufmachung der Verpackung zu berücksichtigen.

BGH, Urt. v. 27.03.1981, OLG Köln, LG Köln

 

Tatbestand

    Die Beklagte vertreibt unter anderem kosmetische Erzeugnisse. Sie verwendet dabei seit 1948 auf den Verpackungen und in der Werbung das im Klageantrag wiedergegebene Bildzeichen, das eine Schale mit einer Schlange in einem Dreieck zeigt. Dieses Zeichen ist für die Beklagte mit Priorität vom 1.10.1948 – ua für Mittel zur Körperpflege und Schlankheitspflege – in die Warenzeichenrolle des Deutschen Patentamtes eingetragen.

    Der Kläger macht geltend, die Schale mit der Schlange in diesem Zeichen lehne sich deutlich an das sogenannte Apothekerzeichen, nämlich an ein stilisiertes A mit Schale und Schlange in dessen linkem Aufstrich, sowie an den von den Medizinern benutzten sogenannten Äskulapstab an. Deshalb neige der unbefangene Betrachter irrig zu der Annahme, bei den damit gekennzeichneten kosmetischen Erzeugnissen handele es sich um medizinische Präparate, die nicht nur der Schönheitspflege und Kosmetik dienten, sondern um dem Arzneimittelbereich nahestehende Mittel, wenn nicht sogar um Arzneimittel selbst.

    Der Kläger hat beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,– DM oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin zu unterlassen, in der Werbung für und beim Vertrieb von kosmetischen Erzeugnissen, so zB auf deren Verpackungen, das nachstehend abgebildete Zeichen zu verwenden.

    Die Beklagte hat dagegen die Auffassung vertreten, von einer Annäherung an das Apothekerzeichen oder an den Äskulapstab könne bei ihrem Zeichen keine Rede sein. Die Abbildung einer Schlange sei nicht schlechthin und unabhängig von der Art der Darstellung als ein Symbol der Medizin anzusehen. Dies zeige sich besonders darin, daß sie häufig bei Warenzeicheneintragungen und zur Kennzeichnung von Waren auf den verschiedensten Gebieten Verwendung finde. Dies schließe die Möglichkeit einer Irreführung aus. Außerdem hat die Beklagte behauptet, ihre Produkte entsprächen auch in gesundheitsbezogener Hinsicht den Vorstellungen der Verbraucher.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht dieses Urteil abgeändert und die Beklagte unter Zubilligung einer sechsmonatigen Aufbrauchsfrist antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, die damit ihren Klagabweisungsantrag weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

    I.

    Das Berufungsgericht führt aus, dem Kläger stehe der mit der Klage verfolgte Unterlassungsanspruch gem § 3 UWG zu, da das angegriffene Zeichen als irreführende Angabe im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sei. Es sei geeignet, einen nicht ganz unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs über die Beschaffenheit der von der Beklagten unter Verwendung dieses Zeichens angebotenen Kosmetika zu täuschen. Das Berufungsgericht meint, das Zeichen rufe im Verkehr die Vorstellung hervor, bei den darunter vertriebenen Waren handele es sich um Arzneimittel. Denn das Zeichen werde vom Bild der Schlange beherrscht. Dieses sei ein bekanntes Symbol aus dem Apothekenbereich und Arzneimittelbereich und als solches bekannt durch den Äskulapstab und das Apothekerzeichen. Die Schale, aus der die Schlange aufsteige, ähnele den früher gebrauchten Apothekerwaagen, worauf auch das Dreieck hinweise, das Assoziation zu den Ketten der Waage wecken könne. Bei kosmetischen Erzeugnissen liege die Möglichkeit einer gesundheitsbezogenen Assoziation des Schlangen-Waage-Zeichens wegen der Nähe solcher pflegenden und in Einzelfällen vielleicht auch gesundheitsfördernden Erzeugnissen zu Arzneien besonders nahe; dies auch wegen der Ähnlichkeit vieler Verpackungen mit denen von Arzneimitteln und auch, weil Kosmetika häufig in Apotheken verkauft würden.

    II.

    Die dagegen gerichtete Revision ist begründet.

    1. Gegenstand des Rechtsstreits ist nach dem Wortlaut des Klagantrags nicht die Frage, ob der Gebrauch des Warenzeichens schlechthin zu verbieten ist, sondern ob sein Gebrauch in der Werbung für und beim Vertrieb von kosmetischen Erzeugnissen, so zB auf deren Verpackungen unzulässig ist. Das ergibt der Wortlaut des Klageantrages, wird auch vom Berufungsgericht so gesehen, wenn dieses eingangs der Urteilsgründe ausführt, das Zeichen sei geeignet, über die Beschaffenheit der unter Verwendung des Zeichens angebotenen Kosmetika zu täuschen.

    2. Die Verurteilung der Beklagten setzt danach, wenn sie nach § 3 UWG begründet sein soll, die Feststellung voraus, daß die Beklagte durch den Gebrauch des Zeichens bei der Werbung und dem Vertrieb kosmetischer Erzeugnisse, zB auf deren Verpackung, irreführende Angaben verwendet. Da dafür, welchen Inhalt eine Werbeangabe hat, maßgebend ist, welche Vorstellungen die angesprochenen Verkehrskreise damit verbinden, hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, welche Vorstellungen der Verkehr mit dem Zeichen verbindet, wenn es ihm in der Werbung für Kosmetika, zB auf deren Verpackungen begegnet. Eine solche Feststellung läßt das Berufungsurteil vermissen. Denn das Berufungsgericht hat lediglich geprüft und festgestellt, welche Vorstellungen das Zeichen für sich allein hervorruft, also unabhängig davon, für welche Erzeugnisse es gebraucht wird. Das Berufungsgericht stützt seine Feststellung, der Verkehr entnehme dem Zeichen, daß es sich bei der damit versehenen Ware um ein Arzneimittel handele, nur auf Assoziationen, die allein das Zeichen selbst bzw dessen Einzelelemente hervorrufen sollen. Dies könnte zwar unter Umständen unschädlich sein, wenn das Zeichen in jedwedem Zusammenhang, ob für kosmetische oder andere Waren verwendet, und unabhängig davon, welche Form und welche zusätzlichen Beschriftungen die Verpackung sonst noch aufweist, im Verkehr die Vorstellung eines Arzneimittels hervorrufen würde. Das hat aber das Berufungsgericht selbst nicht feststellen wollen, vielmehr ausdrücklich hervorgehoben, es möge die Verwendung eines solchen Zeichens in Bereichen unbedenklich sein, in denen die Art des damit beworbenen Produkts Vorstellungen vom Arzneimittelcharakter ausschließe oder ganz fernliegend erscheinen lasse. Diese – zutreffende – Erwägung hätte das Berufungsgericht aber veranlassen müssen, seiner Prüfung nicht nur das Zeichen für sich allein, sondern die von der Beklagten konkret verwandten Werbemittel und Vertriebsmittel als Ganzes, insbesondere die Verpackungen, und zwar mit dem Warenzeichen, aber auch mit der sonstigen Beschriftung zugrundezulegen. Denn nur in diesem Zusammenhang tritt das Warenzeichen dem Verkehr entgegen und nur unter Einbeziehung dieser weiteren Elemente kann beurteilt werden, ob der Verkehr beim Anblick der von der Beklagten verwendeten Verpackungen aufgrund des beanstandeten Warenzeichens die Vorstellung gewinnt, es handele sich um ein Arzneimittel. Sind die Verpackungsmittel mit zusätzlichen Hinweisen versehen, die den Kosmetikcharakter der Ware erkennen lassen, wie unter Beweisantritt vorgetragen ist, so hätte es jedenfalls einer Prüfung bedurft, ob diese Hinweise es nicht ausschließen, daß erhebliche Verkehrskreise ungeachtet dessen die Ware der Beklagten für Arzneimittel halten.

    Daß die Würdigung der Aussage des Zeichens ohne Einbeziehung der konkreten Verletzungsform als ganzer nicht unbedenklich ist, hätte das Berufungsgericht auch dem Ergebnis der von der Beklagten vorgelegten Meinungsumfrage über die Bedeutung des – isolierten – Bahlsen-Zeichens entnehmen können. Obwohl dieses, wie das Berufungsgericht ausführt, viel weiter von Apothekensymbolen und Arzneimittelsymbolen entfernt ist, haben zahlreiche Befragte noch medizinische Bezüge assoziiert und sogar speziell an Arzneimittel gedacht, weil das Zeichen eine Schlange enthält. Dabei liegt die Annahme fern, daß der Verkehr, wenn ihm dieses Zeichen auf einer Verpackung begegnet, die durch ihre übrige Aufmachung erkennen läßt, daß es sich um Backwaren handelt, allein durch die Verwendung dieses Zeichens zu der Annahme gelangen könnte, es handele sich um Arzneimittel.

    Nach alledem fehlt es im Streitfall hinsichtlich der Irreführungseignung an einer dem Maßstab des § 286 ZPO genügenden Feststellung schon aus diesem Grund. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung des Zeicheneindrucks hinreichend auf den Gesamteindruck abgestellt und ob es ausreichend beachtet hat, daß es auf den Eindruck des flüchtigen Betrachters ankommt.

    Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, daß bloße Assoziationen, auf die im vorliegenden Urteil stark abgestellt worden ist, nicht schon ohne weiteres konkrete Aussagen nachprüfbaren Inhalts im Sinne des § 3 UWG enthalten müssen. Sie gewinnen rechtlich erst Bedeutung, wenn sie sich zu Vorstellungen über Umstände der in § 3 genannten Art konkretisiert und verfestigt haben. Deshalb könnte es für die Annahme einer Irreführung nicht ausreichen, wenn vage Anklänge an Begriffe wie Gesundheit oder Medizin bereits als Angaben über solche Umstände angesehen werden sollten (vgl dazu auch BGH GRUR 1969, 546, 547 – med). Im übrigen wird sich das Berufungsgericht insoweit auch mit dem Vorbringen der Beklagten auseinandersetzen müssen, daß bei einer pflegenden Kosmetik, wie sie sie anbiete, etwa hervorgerufene Vorstellungen von Gesundheit nicht unrichtig seien, zumal eine enge Zusammenarbeit zwischen Kosmetikern und Dermatologen bestehe. Insoweit ist der Fall nicht ohne weiteres vergleichbar mit denjenigen, in denen sich die Rechtsprechung mit der Gesundheitswerbung für alkoholartige Getränke befaßt hat (vgl BGHZ 47, 259 – Gesunder Genuß; GRUR 1980, 797, 799 – topfit).