Großer Werbeaufwand (BGH – I ZR 63/83)

Leitsatz

Wenn in einer vergleichenden Werbung darauf hingewiesen wird, daß konkurrierende Erzeugnisse durch großen Werbeaufwand auffallen, kann nach dem Gesamtzusammenhang darin eine unlautere Abwertung dieser Konkurrenzprodukte liegen.

BGH, Urt. v. 11.07.1985, OLG Stuttgart, LG Stuttgart

 

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 11. März 1983 aufgehoben.

Die Berufung gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 26. August 1982 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.

Tatbestand

    Die Beklagte, ein Lebensmittel-Filialunternehmen, bot in einer ganzseitigen Anzeige in der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 16. November 1981 zahlreiche Artikel mit Preisangaben an. Dabei wurde der Leser durch den nachfolgenden bebilderten Text zu vergleichenden Qualitäts- und Geschmacksproben bei Cognac und Asti Spumante aufgefordert:

    Der Kläger, ein Verband zur Wahrung der Interessen der deutschen Spirituosen-Industrie, sieht in der Aufforderung, den von der Beklagten vertriebenen Cognac „A R“ mit anderen Cognacs zu vergleichen, die den Lesern durch großen Werbeaufwand auffallen, eine unlautere vergleichende Werbung. Mit der Klage verlangt er, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, für den Cognac „A R“ mit der Wendung zu werben:

    „Vergleichen Sie z. B. unseren Cognac A R mit anderen Cognacs, die Ihnen durch großen Werbeaufwand auffallen.“

    Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

    I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

    Die beanstandete Werbung verstoße weder gegen § 1 UWG noch gegen § 3 UWG. Sie sei keine unzulässige vergleichende Werbung. Es fehle an der hierfür erforderlichen Bezugnahme auf bestimmte Mitbewerber; denn die beanstandete Aufforderung sei nur ein Beispiel in der allgemein gehaltenen Empfehlung zu vergleichenden Qualitäts- und Geschmacksproben im Zusammenhang mit einem umfassenden Angebot verschiedenster Waren aus dem Sortiment der Beklagten. Die Aufforderung, einen Vergleich mit den Cognac-Marken vorzunehmen, die durch großen Werbeaufwand auffielen, enge die Zahl der Vergleichsprodukte nicht so weit ein, daß nur noch bestimmte Wettbewerber angesprochen seien; denn der Durchschnittsleser kenne die einzelnen Cognac-Hersteller und deren Werbeaufwendungen nicht. Es liege demnach nur ein allgemeiner Werbevergleich vor, der sich im Rahmen des Zulässigen halte. Der Hinweis auf den großen Werbeaufwand sei nicht abwertend; er enthalte auch nicht die Andeutung, der höhere Preis der bekannten Cognacs beruhe nur auf großem Werbeaufwand. Der Werbung sei auch nicht der Hinweis zu entnehmen, der Cognac der Beklagten sei mindestens ebenso gut, wie die teureren Konkurrenzprodukte. Man könne ihr allenfalls entnehmen, daß der Vergleich für die Beklagte nicht ungünstig ausgehen werde und trotz des geringen Preises und der unbekannten Marke Qualität und guter Geschmack festgestellt würden.

    II. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Urteils des Landgerichts.

    1. Für die Entscheidung kann offenbleiben, ob die streitige Werbung, die zu einem Vergleich des angepriesenen Cognacs mit anderen, dem Leser durch großen Werbeaufwand auffallenden Cognac-Marken auffordert, als eine Bezugnahme auf bestimmte Cognac-Marken verstanden wird; denn auch wenn man – wie das Berufungsgericht – darin keinen Hinweis auf bestimmte Konkurrenzprodukte, sondern nur eine allgemeine Bezugnahme auf die anderen Marken sieht, ist diese Werbung nach den dafür geltenden Maßstäben als unlauter im Sinne von § 1 UWG anzusehen.

    Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt nicht verkannt hat, verstoßen allgemein gehaltene Werbevergleiche insbesondere dann gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs, wenn sie sich nicht in den Grenzen einer sachlich gebotenen Erörterung halten, sondern eine pauschale Abwertung der fremden Erzeugnisse darstellen (vgl. BGH, Urt. v. 24. 11. 1972 – I ZR 157/71, GRUR 1973, 270 f. – Der sanfte Bitter). Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, daß eine derartige pauschale Abwertung der konkurrierenden Erzeugnisse hier nicht gegeben sei.

    Das Berufungsgericht meint, die Charakterisierung der anderen Cognac-Marken durch ihren hohen Werbeaufwand enthalte deshalb keine pauschale Abwertung, weil dieser Hinweis grundsätzlich wertneutral sei und auch nicht aufgrund weiterer konkreter Umstände als abwertend verstanden werde. Diese Annahme hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand; sie widerspricht insbesondere der Lebenserfahrung. Dabei kann offenbleiben, ob die Bezugnahme auf den hohen Werbeaufwand bei konkurrierenden Marken für sich betrachtet noch als wertneutral angesehen wird; im Zusammenhang mit dem übrigen Text der Anzeige ist dies jedenfalls nicht mehr anzunehmen. Im Gesamtzusammenhang wird dieser Hinweis nämlich als eine Abwertung dieser anderen Marken als preislich überhöht verstanden.

    Wie das Berufungsgericht verkannt hat, enthält die streitige Cognac-Werbung sinngemäß die Behauptung, der Cognac der Beklagten sei nach Qualität und Geschmack mit den durch großen Werbeaufwand auffallenden Marken vergleichbar. Dies ergibt sich insbesondere aus der Aufforderung zu einer vergleichenden Blindprobe und dem vorausgesagten Ergebnis dieses Vergleichstests. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts, wonach darin keine Gleichstellung mit den teureren Produkten, sondern allenfalls die Behauptung liege, der Vergleichstest werde für die Beklagte nicht ungünstig ausgehen, widerspricht der Lebenserfahrung. Wenn ein Kaufmann einen Vergleichstest als Werbemittel benutzt, wird erfahrungsgemäß darin die Behauptung gesehen, daß das beworbene Produkt diesem Vergleich standhält und daß dabei zumindest keine nennenswerten Qualitäts- und Geschmacksunterschiede zu seinen Ungunsten festgestellt werden. In dieser Auffassung wird der Leser auch dadurch bestärkt, daß in dem weiteren Anzeigentext ein entsprechendes Ergebnis des Tests bereits angekündigt wird. Der Vergleich soll zeigen, wie leicht sich der Verbraucher „beeinflussen und täuschen“ lasse, und soll die Augen dafür öffnen, „daß Qualität und guter Geschmack nicht mit großen Namen und hohen Preisen verbunden sein“ müßten. Dies enthält sinngemäß die Aussage, der Verbraucher unterliege insofern einer Täuschung, als er nur bei großen Namen und hohen Preisen einen Cognac von guter Qualität und gutem Geschmack erwarte, tatsächlich seien diese Vorzüge auch bei dem preiswerten Cognac der Beklagten gegeben.

    Wird somit die Behauptung aufgestellt, der erheblich preiswertere Cognac der Beklagten sei ebenso gut wie die teureren Produkte mit den großen Namen, so wird dem Leser der Schluß nahegelegt, die bekannten teureren Marken erschienen zu Unrecht als qualitativ besser, tatsächlich seien sie nur überteuert. Im Zusammenhang mit dieser negativen Beurteilung erscheint auch der Hinweis darauf, daß andere Marken durch hohen Werbeaufwand auffallen, nicht mehr wertneutral, sondern ebenfalls abwertend. Er stützt die Behauptung der überhöhten Preise; denn er knüpft an die weit verbreitete Vorstellung an, daß ein großer Werbeaufwand durch entsprechend höhere Preise wieder hereingeholt werde. In dem Hinweis auf den großen Werbeaufwand der anderen Marken liegt daher nach dem Sinnzusammenhang ebenfalls die Behauptung, daß diese Erzeugnisse teurer seien, als es von der Leistung her gerechtfertigt wäre. Eine solche pauschale Abwertung der konkurrierenden Erzeugnisse zur Hervorhebung des eigenen Produkts ist unlauter im Sinne von § 1 UWG.

    2. Ist der Klageanspruch somit bereits nach § 1 UWG begründet, kann dahinstehen, ob auch ein Verstoß gegen § 3 UWG wegen Irreführung über die Qualität des Cognacs der Beklagten gegeben ist.

    III. Im Ergebnis war somit das Berufungsurteil aufzuheben und das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.