Denkzettel-Aktion (BGH – KZR 1/79)

Leitsatz   

    1. Zur Frage der Wettbewerbswidrigkeit der Organisation eines Boykotts durch ein Presseorgan.

    2. Zur Verantwortlichkeit des kaufmännischen Geschäftsführers für einen Wettbewerbsverstoß, der durch eine Veröffentlichung eines im Verlag der Gesellschaft erscheinenden Presseerzeugnisses begangen worden ist.

BGH, Urt. von 13.11.1979, OLG Düsseldorf

 

Tatbestand:   

    Die Klägerin betreibt in Stadtvororten Selbstbedienungs-Warenhäuser für Letztverbraucher.

    Im Verlag der Beklagten zu 1) erscheint unter dem Titel “ … “ ein nach Geschäftszweigen aufgeteilter Informationsdienst für den Handel. Die Beklagten zu 2) und 3) sind Geschäftsführer der Beklagten zu 1); der Beklagte zu 3) ist außerdem Chefredakteur von “ … „.

    In einer Beilage zur Ausgabe E 39/VII Elektro Hausrat G-P-K vom 29. September 1977 sind unter anderem folgende Ausführungen enthalten:

    „Soll der Fachhändler weiterhin tatenlos zusehen, … wie ein Hersteller nach dem anderen seine Treue-Schwüre beiseite schiebt und … Märkte mit Traumkonditionen mästet; …

    „Nein“, sagen Sie … Doch, … was bringt Ihnen dieses Lamentieren … ? Wäre es nicht weit realistischer, … dort die Waffen zu schmieden, wo Ihre Stimme, wo Ihr Einfluß Gewicht erhalten: Bei den Lieferanten … ?! Und wer eignet sich da besser als die Genossenschaften, deren Pflicht es sogar ist, … mit ihrem mächtigen Einkaufsvolumen den für die Bereinigung des Marktes notwendigen Druck zu erzeugen. Deshalb: Nehmen Sie unbedingt an dieser ersten „Hersteller-Denkzettel-Aktion“ teil. Gleich, ob Sie Genossenschaftsmitglied sind oder nicht!

    Verpassen Sie den Herstellern, die Sie am meisten durch Super-Rabatte an die Märkte oder Konzerne diskriminieren oder die am frechsten ihre Treue-Schwüre gebrochen haben, durch Benennung auf der Rückseite Ihren Denkzettel!

    Damit haben alle Einkaufsverbände gleich zwei Orientierungspunkte: Sie wissen, welcher Hersteller nach Meinung der eigenen Genossen und welcher Hersteller nach Meinung des Branchen-Durchschnitts die konsequente Streichung aus dem Fachhandels-Kalender am meisten verdient. Erschrecken Sie nicht, wenn Sie dabei an Ihr eigenes Sortiment denken: Durch die Abgabe Ihrer Stimme sind Sie in Ihren Entscheidungen so frei wie bisher. Es geht hier als Warnschuß nur um die Streichung der mit der Lieferung verbundenen Vorteile“.

    Auf der Rückseite der Beilage befindet sich unter der Überschrift „Hersteller-Denkzettel-Aktion 77“ ein Fragebogen folgenden Wortlauts:

    „1.     Gehören Sie einer Einkaufsgruppierung an? Ja/Nein

    2.     Wenn ja, welcher:

    3.     Sind Sie der Meinung, daß Ihre Genossenschaft bzw die Einkaufsverbände generell einzelne, die Fachhandels-Partnerschaft gravierend verletzende Hersteller aus der Listung streichen, sie auch nicht für die Einkaufsbörsen zuzulassen, auch wenn Sie sich dann im Bedarfsfalle die Artikel einer solchen Marke woanders und eventuell zu schlechteren Konditionen beschaffen müssen? Ja/Nein

    4.     Welcher Hersteller (Sie können auch jeweils zwei nennen, wobei der zweite jedoch nur mit halbem Gewicht in die Wertung kommt) verdient Ihrer Meinung nach einen solchen Denkzettel am meisten? Und zwar für das Sortiment:

    a) Weiße Großgeräte:

    b) Elektro-Kleingeräte:

    c) Hausrat:

    d) Glas/Porzellan/Keramik:

    e) Rasenmäher/Gartengeräte:

    f) (Elektro-Werkzeuge) Werkzeuge:

    5.     (Nur für statistische Zwecke) Ich bin “ … „-Abonnent Ja/Nein“

    In der genannten Ausgabe des Informationsdienstes, dem die Beilage beigefügt war, heißt es auf Seite 2:

    „Entscheidend ist: Herstellern, die die Fachhandelsleistungen nicht honorieren oder ihre Exclusivitäts-Versprechen rücksichtslos brechen, die ihnen per Listung geschenkte Bevorzugung zu entziehen!

    Verzichten Sie aber auf die Nennung von Herstellern, die offen zugeben, überall hinzuliefern und die Konzerne mit höheren Rabatten zu mästen“.

    Die Klägerin sieht in dieser „Denkzettel-Aktion“ den Beginn einer gegen sie – auch ohne namentliche Nennung – gerichteten Boykottmaßnahme. Sie hat beantragt,

    1.     den Beklagten unter Androhung von Zwangsmitteln zu verbieten, Dritte aufzufordern oder auffordern zu lassen, der Beklagten zu 1) diejenigen Hersteller von Bedarfsgegenständen zu nennen, die wegen der gleichzeitigen Belieferung von Verbrauchermärkten von der Belieferung des Fachhandels über Einkaufsverbände und Genossenschaften ausgeschlossen und/oder auf den Einkaufsbörsen dieser Verbände und Genossenschaften nicht zugelassen werden sollten und die so erhaltenen Nennungen an die Einkaufsverbände und Genossenschaften weiterzugeben,

    2.     festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner zum Ersatz des durch die vorgenannten Handlungen entstandenen und noch entstehenden Schadens verpflichtet seien.

    Die Beklagten haben

    Klagabweisung

   beantragt.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihr Klagabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin möchte die Revision zurückgewiesen haben.

     
Entscheidungsgründe:   

    Die Revision bleibt erfolglos.

    I.

    Das Berufungsgericht führt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung aus, daß ein rechtswidriger Boykott den Tatbestand des wettbewerbswidrigen Verhaltens nach § 1 UWG erfüllt und Unterlassungsansprüche sowie bei einem Verschulden des Täters Schadensersatzansprüche auslöst. Gegen diesen zutreffenden Ausgangspunkt wendet die Revision nichts ein.

    II.

    1. a) Das Berufungsgericht sieht in der „Denkzettel-Aktion“ des Beklagten zu 1) den Tatbestand eines Boykotts gegen die Klägerin verwirklicht. Dabei sieht es eine Besonderheit des Falles darin, daß der Boykott „zweistufig“ sei: Die Beklagte zu 1) fordere die Fachhändler auf, durch ihre Einkaufsorganisationen den Herstellern eine Auftragssperre anzudrohen, um diese dadurch zu veranlassen, Verbrauchermärkte wie die von der Klägerin betriebenen Geschäfte nicht mehr zu beliefern. Zwar fehle die Identität zwischen dem Adressaten der ersten, von der Beklagten zu 1) ausgehenden Boykottaufforderung, den Fachhändlern, und der zweiten, von den die letzteren repräsentierenden Einkaufsorganisationen ausgehenden Boykottaufforderung, den Herstellern. Jedoch sei die erste Boykottaufforderung lediglich ein Mittel zu dem Zweck, die zweite auszulösen und letztlich die Klägerin und andere Betreiber von Verbrauchermärkten zu treffen. Der erste Boykottierer – die Beklagte zu 1) – sei damit auch für den zweiten Boykott – den von den Herstellern gegen die Verbrauchermärkte zu verhängenden – verantwortlich zu machen. Denn das eigentliche Ziel der Beklagten zu 1) komme in ihrer Veröffentlichung deutlich zum Ausdruck. Dieses liege offensichtlich nicht darin, daß die Fachhändler gewisse Hersteller boykottierten, sondern ausschließlich darin, durch die mit Hilfe der ersten Boykottdrohung unter Druck gesetzten Hersteller zum Boykott der Verbrauchermärkte zu veranlassen. Die Boykottaufforderung sei auch geeignet, die Willensentschließung der Betroffenen auf beiden Stufen zu beeinflussen. Ob es tatsächlich zu einem Boykott der Klägerin komme, sei nicht erheblich.

    b) Die Revision vertritt demgegenüber die Auffassung, die Aufforderung der Beklagten zu 1), sie darüber zu unterrichten, inwieweit sich Vertragspartner der Händler vertragswidrig verhielten, könne nicht als Boykottaufforderung gewertet werden. Auch werde ein etwaiger Boykott der „zweiten Stufe“ nicht von der Beklagten zu 1) veranlaßt. Das von den Fachhändlern und ihren Einkaufsorganisationen verlangte Verhalten bestehe nur darin, daß sie ihre Vertragspartner – die Hersteller – zu vertragsgemäßem Verhalten auffordern sollten. Das Berufungsgericht habe auch nicht offen lassen dürfen, ob es überhaupt zu einem Boykott der Hersteller gegen die Verbrauchermärkte komme.

    c) Diese Angriffe sind nicht gerechtfertigt. Die Feststellung des Berufungsgerichts, das Ziel der „Denkzettel-Aktion“ liege darin, einen Boykott der Verbrauchermärkte – und damit auch der Klägerin – durch Markenartikelhersteller zu bewirken, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Nach dem Wortlaut der Anlage zu dem Informationsdienst kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Beklagte zu 1) nicht nur in Erfahrung zu bringen versucht hat, welche Hersteller sich vertragswidrig verhalten hätten. Diese von den Empfängern der Anlage erbetene Information sollte vielmehr auch die Grundlage für die von der Beklagten zu 1) beabsichtigten und angekündigten weiteren Schritte sein. Denn sie nennt in der Anlage die erwarteten Antworten der Fachhändler „Orientierungspunkte“ für die Einkaufsverbände und gibt dadurch zu erkennen, daß sie beabsichtigt, die eingehenden Antworten auszuwerten und den Einkaufsverbänden zur Verfügung zu stellen, und zwar um diese zu veranlassen, den Herstellern die Streichung aus dem Fachhandelskalender und die Nichtzulassung zu den Einkaufsbehörden anzudrohen, für den Fall, daß sie die Belieferung der Verbrauchermärkte nicht einstellen. Ob man das Verhalten der Beklagten zu 1) als Auslösung eines zweistufigen Boykotts bezeichnen kann, wie dies das Berufungsgericht tut, mag offen bleiben. Entscheidend ist, daß die Beklagte zu 1) mit ihrer Aktion einen durch die Fachhändler und ihre Einkaufsverbände veranlaßten Boykott der Verbrauchermärkte – also Unternehmen, die derselben Wirtschaftsstufe angehörten wie die Fachhändler – bewirken und die organisatorischen Voraussetzungen hierfür hat schaffen wollen.

    Es kann auch keine Rede davon sein, daß die Handlungen der Beklagten zu 1) lediglich dazu dienen sollten, Hersteller, die sich zur ausschließlichen Belieferung des Fachhandels vertraglich verpflichtet hätten, zur Einhaltung ihrer Vertragspflichten anzuhalten. Die Aufforderung der Beklagten zu 1), Hersteller zu nennen, die den Denkzettel verdient hätten, knüpft nicht an die Verletzung bestehender vertraglicher Abmachungen an, sondern bezieht alle diejenigen Hersteller ein, die „ihre Treue-Schwüre gebrochen haben“ – womit auch beispielsweise Absichtserklärungen ohne Rechtsverbindlichkeit erfaßt werden – oder die die Fachhändler „am meisten durch Super-Rabatte an die Märkte oder Konzerne diskriminieren“ oder, wie es in dem Fragebogen selbst heißt, die „die Fachhandels-Partnerschaft gravierend verletzen“; auch die letztgenannten Formulierungen erweitern den Kreis der Adressaten des Boykottaufrufs über den Kreis vertraglich zur ausschließlichen Belieferung des Fachhandels verpflichteter Hersteller hinaus auf alle Hersteller, die zugleich Fachhändler und Verbrauchermärkte beliefern und dabei den letzteren dem Fachhandel unerwünschte günstige Bedingungen einräumen.

    Das Berufungsgericht hat auch zu Recht ausgeführt, daß die Aufforderung der Beklagten zu 1) auf Seite 2 der Ausgabe E 39/VII vom 29. September 1977, auf die Nennung von Herstellern zu verzichten, die offen zugeben, „überall hinzuliefern und die Konzerne mit höheren Rabatten zu mästen“, keine beachtliche Beschränkung des Adressatenkreises auf vertragsbrüchige Hersteller darstelle. Das Berufungsgericht hat dies in rechtlich nicht zu beanstandender Weise daraus hergeleitet, daß diese Bemerkung vor allem gegenüber dem Text der Beilage, der eine solche Einschränkung nicht enthält, völlig in den Hintergrund tritt. Hinzuzufügen ist, daß es sich auch bei Herstellern, die „heimlich“ Verbrauchermärkte beliefern, nicht ausschließlich um solche zu handeln braucht, die vertraglich zur ausschließlichen Belieferung des Handels verpflichtet sind, und daß auch andere Formulierungen in dem angeführten Abschnitt erkennen lassen, daß nicht nur Vertragsbrüchige zur Ordnung gerufen werden sollen. So ist davon die Rede, daß denjenigen Herstellern die „ihnen per Listung geschenkte Bevorzugung“ entzogen werden sollte, die „die Fachhandelsleistungen nicht honorieren“.

    Daß die Handlungen der Beklagten zu 1) geeignet sind, die Willensentscheidung der Adressaten – der Hersteller – zu beeinflussen und sie zur Verhängung einer Liefersperre gegen die Verbrauchermärkte zu veranlassen, hat das Berufungsgericht zu Recht festgestellt; die Revision stellt diese Eignung nicht ernsthaft in Frage. Entgegen der Auffassung der Revision durfte sich das Berufungsgericht im Rahmen seiner Erwägungen über die Tatbestandsmäßigkeit der Handlungen der Beklagten zu 1) darauf beschränken, deren Eignung zur Herbeiführung der angestrebten Liefersperre festzustellen; ob es tatsächlich zu der Liefersperre gekommen ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

    2. a) Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte zu 1) zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt, da sie den Wettbewerb der Fachhändler gegenüber den Verbrauchermärkten habe fördern wollen. Die Beklagte zu 1) habe darüber hinaus auch ihren eigenen Wettbewerb gegenüber ähnlichen Informationsdiensten fördern wollen.

    b) Die Revision macht geltend, daß sich die Beklagte zu 1) auf die Verbreitung von Meinungen und Informationen beschränkt habe. Zudem sei die Klägerin kein bestimmter Wettbewerber, und es sei auch unbestimmt, wer auf Seiten des Fachhandels als Wettbewerber der Klägerin in Betracht komme. Für die Annahme, die Beklagte zu 1) wolle auch eigene Wettbewerbsinteressen wahrnehmen, fehle jede Feststellung darüber, ob es überhaupt „ähnliche Pressedienste“ gebe und durch welche Maßnahmen der Wettbewerb zwischen Presseorganen habe beeinflußt werden sollen.

    c) Das Berufungsgericht hat zu Recht ein Handeln der Beklagten zu 1) zu Zwecken des Wettbewerbs bejaht. Denn hierfür reicht es nach ständiger Rechtsprechung aus, daß gehandelt wird, um fremden Wettbewerb zu fördern. Dies hat die Beklagte zu 1), wie das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum festgestellt hat, getan. Sie hat sich nicht, wie die Revision meint, auf die Verbreitung von Meinungen und Informationen beschränkt, sondern darüber hinaus, wie bereits in anderem Zusammenhang dargelegt, Schritte unternommen, um eine Liefersperre der Hersteller gegen die Verbrauchermärkte organisatorisch vorzubereiten und den Anstoß zu seiner Durchführung zu geben, und zwar zu dem erklärten Zweck, den Wettbewerb des Facheinzelhandels auf Kosten der Verbrauchermärkte zu fördern. Unerheblich ist es entgegen der Auffassung der Revision, daß in den Verlautbarungen der Beklagten zu 1) weder die Klägerin namentlich genannt noch individuell bestimmte Wettbewerber der Klägerin durch die Boykottmaßnahmen gefördert werden. Der Boykott soll sich gegen die nach konkreten Tätigkeitsmerkmalen und Organisationsmerkmalen bestimmte Gruppe der Verbrauchermärkte richten, der die Klägerin angehört, und als deren Wettbewerber ist die Gesamtheit der Fachhändler bezeichnet, die mit Elektrogeräten und sonstigem Hausrat Einzelhandel treiben. Damit ist dem Tatbestandsmerkmal der Bestimmtheit der Boykottparteien Genüge getan.

    Das Berufungsgericht hat einen Verstoß der Beklagten zu 1) gegen die guten Sitten im Wettbewerb angenommen, ohne jedoch hierzu nähere Ausführungen zu machen. Anhand der getroffenen Feststellungen ist das Revisionsgericht indessen in der Lage, die fehlende Wertung nachzuholen. Der geplante Boykott sollte dazu führen, daß die Verbrauchermärkte von der Belieferung durch eine Anzahl von Markenartikelherstellern ausgeschlossen würden. Daß ihre Wettbewerbsfähigkeit im Verhältnis zu den Facheinzelhändlern dadurch eingeschränkt werden würde, ist offensichtlich. Daß die Beklagte zu 1) sich zur Ausräumung eines Sittenverstoßes nicht darauf berufen kann, sie habe nur auf die Vertragstreue der Hersteller hinwirken wollen, ergibt sich daraus, daß ihre Aktion, wie in anderem Zusammenhang bereits dargelegt, unterschiedslos auch Hersteller in den Adressatenkreis einbezogen hat, die unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Nichtbelieferung der Verbrauchermärkte verpflichtet waren.

    3. a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Veröffentlichung der Beklagten zu 1) sei nicht durch das Grundrecht der Pressefreiheit (Art 5 GG) gerechtfertigt. Die Beklagte zu 1) habe nicht nur mit geistigen Argumenten gearbeitet, sondern darüber hinaus Mittel benutzt, die den Herstellern die freie Entscheidung über die Belieferung der Verbrauchermärkte genommen habe. Das aktive Eingreifen mit Kampfmaßnahmen in den Konkurrenzkampf stelle einen Mißbrauch des Grundrechts der Pressefreiheit dar.

    b) Die Revision hält dies für unrichtig. Sie meint, die Beklagte habe nur ihre Aufgabe als Meinungsorgan und Informationsorgan erfüllt. Es sei ihr nicht verwehrt, Mißstände aufzudecken und Partei zu ergreifen. Ihre Veröffentlichung müsse im Gesamtzusammenhang mit ihrem wirtschaftspolitischen Engagement gesehen werden. Das Berufungsurteil lasse hier jede Interessenabwägung vermissen.

    c) Die Angriffe der Revision sind nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die „Denkzettel-Aktion“ der Beklagten zu 1) durch das Grundrecht der Pressefreiheit nicht gedeckt wird. Die angegriffene Veröffentlichung stellt zwar auch eine Meinungsäußerung dar, durch die sich die Beklagte zu 1) den Standpunkt und die Interessen der Facheinzelhändler zu eigen macht und vertritt. Die Beklagte zu 1) geht aber über eine solche verfassungsrechtlich geschützte Auseinandersetzung hinaus; sie beschränkt sich nicht darauf, ihre Ansicht darzulegen, abweichende Auffassungen zu bekämpfen und mit Argumenten zu überzeugen, sondern greift aktiv in die wettbewerbliche Auseinandersetzung auf der Seite der Facheinzelhändler ein. Dabei läßt sie es nicht einmal bei einer Aufforderung zu einem wettbewerbswidrigen Boykott bewenden, sondern trifft bereits die sachlichen und organisatorischen Maßnahmen zur Vorbereitung seiner Durchführung. Dieses Verhalten findet in dem verfassungsrechtlich geschützten Interesse der Beklagten zu 1) an der Kundgabe und Propagierung ihrer Meinung und ebenso in einem Interesse der Öffentlichkeit an der Information über eine wirtschaftspolitische Auseinandersetzung keine Rechtfertigung. Die Beklagte zu 1) gibt sich bei ihrer Befragungsaktion auch nicht damit zufrieden, die eingehenden Antworten als Grundlage ihrer Argumentation zu sammeln und auszuwerten, sondern sie führt diese Befragung zu dem ausdrücklich genannten Zweck durch, die Ergebnisse den Wettbewerbern der Verbrauchermärkte als Grundlage für die Einleitung wettbewerbswidriger Boykottmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte zu 1) hätte ihrer entschiedenen Parteinahme für die Belange des Facheinzelhandels in einer durch das Grundrecht der Pressefreiheit gedeckten Weise voll und ganz Ausdruck verleihen können, auch ohne sich an rechtswidrigen Handlungen der von ihr begünstigten Wettbewerber aktiv zu beteiligen. Danach führt die gebotene Interessenabwägung zu dem von dem Berufungsgericht gefundenen Ergebnis, daß auch das Grundrecht der Pressefreiheit das Verhalten der Beklagten zu 1) nicht zu rechtfertigen vermag.

    4. Da die Beklagte zu 1) sich weiterhin für berechtigt hält, die beanstandete Aktion durchzuführen, hat das Berufungsgericht zu Recht die für die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr festgestellt. Hiergegen richtet die Revision auch keine Angriffe.

    5. Hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs hat das Berufungsgericht ein Verschulden der für die Veröffentlichung verantwortlichen Personen, das sich die Beklagte zu 1) zurechnen lassen muß, rechtsfehlerfrei bejaht. Die Revision kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, daß das Landgericht die Rechtswidrigkeit der Publikation verneint hat. Die Ausführungen des Landgerichts verdienen keine Billigung; sie sind in entscheidenden Punkten von Rechtsirrtum beeinflußt. Die Verantwortlichen mußten bei Anstellung gehöriger und zumutbarer Erwägungen über die Sachlage und Rechtslage zu dem Ergebnis kommen, daß die Argumente, die sich für eine Rechtmäßigkeit ihrer Aktion anführen ließen, wesentlich weniger überzeugend waren, als diejenigen, die dagegen sprachen. Sie durften sich deshalb nicht darauf verlassen, daß eine objektive Beurteilung der Sachlage und Rechtslage zu ihren Gunsten ausgehen werde.

    Das Berufungsgericht hat auch zu Recht ausgeführt, die Wahrscheinlichkeit, daß die Maßnahmen der Beklagten zu einer Schädigung der Klägerin führen würden, sei hinreichend groß, um einen Feststellungsantrag zu rechtfertigen. Hiergegen erhebt die Revision keine Rügen.

    III.

    Daß über die gegen den Beklagten zu 3) als den Chefredakteur und für die „Denkzettel-Aktion“ unmittelbar Zuständigen und Verantwortlichen gerichtete Klage hinsichtlich aller verfolgten Ansprüche nichts anderes entschieden werden kann als über die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete, zieht die Revision nicht in Zweifel.

    Sie wendet sich jedoch gegen die Verurteilung des Beklagten zu 2), der nach ihrer Auffassung als kaufmännischer Geschäftsführer nicht für die Veröffentlichung verantwortlich gemacht werden kann. Das Maß der Sorgfaltspflicht werde, so meint die Revision, überspannt, wenn man von dem kaufmännischen Geschäftsführer verlangen wolle, er solle jeden Artikel lesen und überprüfen lassen; er dürfe sich vielmehr auf den Chefredakteur verlassen sowie darauf, daß ein Jurist die Presseerzeugnisse überwache.

    Diese Angriffe werden den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht gerecht. Dieses hat nicht die Rechtsansicht vertreten, der Beklagte zu 2) sei als kaufmännischer Geschäftsführer allgemein verpflichtet, sämtliche Publikationen der Beklagten zu 1) auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Es hat vielmehr ausgeführt, der Beklagte zu 2) habe die Augen nicht gänzlich davor verschließen dürfen, welche Veröffentlichungen seine Gesellschaft betreibe; das gelte insbesondere bei so außergewöhnlichen Publikationen wie der hier in Rede stehenden.

    Dem ist zuzustimmen. Auch bei einer Aufteilung der Zuständigkeiten der Geschäftsführung der Beklagten zu 1) auf deren Mitglieder bleibt die Gesamtverantwortlichkeit der Geschäftsführung erhalten. Der Beklagte zu 2) als kaufmännischer Geschäftsführer hatte deshalb im Rahmen seiner sich hieraus ergebenden Aufsichtspflichten und Überwachungspflichten der Tätigkeit der Redaktion seine Aufmerksamkeit insbesondere in Fällen zu widmen, in denen diese eine außergewöhnliche, aus dem Rahmen der üblichen Tätigkeit eines Wirtschaftsinformationsdienstes fallende Aktion plante und durchführte. Um eine solche, den Aufgabenbereich eines Presseorgans dieser Art übersteigende Publikation handelte es sich bei der „Denkzettel-Aktion“. Das ergibt sich einmal daraus, daß damit ein durch das Grundrecht der Pressefreiheit nicht gedeckter Eingriff in die Wettbewerbsverhältnisse des Einzelhandels begangen wurde, zum anderen aber auch daraus, daß die Durchführung der Aktion – zB die Herstellung und Verteilung der Beilage zu dem Informationsdienst, die Auswertung der eingehenden Antworten – organisatorische Vorbereitungen und Aufwendungen erforderte, die über den redaktionellen Bereich in den kaufmännischen übergriffen. Der Beklagte zu 2) hat denn auch nicht in Abrede gestellt, daß er von vornherein über die Denkzettel-Aktion unterrichtet gewesen ist. Er hat lediglich behauptet, er habe sie „weder verursacht noch unterstützt“. Unter diesen Umständen durfte der Beklagte zu 2) die Entscheidung über die Durchführung der Aktion nicht kritiklos dem Chefredakteur überlassen, sondern mußte auch selbst Erwägungen über deren Rechtmäßigkeit anstellen. In dieser Hinsicht weicht der zur Beurteilung stehende Sachverhalt entscheidend von dem vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 30. Januar 1979 – VI ZR 163/77 – (NJW 1979, 1041 = GRUR 1979, 421) entschiedenen Fall ab.

    Zu Unrecht rügt die Revision in diesem Zusammenhang, daß das Berufungsgericht dem unter Beweis gestellten Vorbringen, die Beklagten hätten sich von einem Juristen beraten lassen, nicht nachgegangen sei. Dieser Vortrag ist nämlich nicht schlüssig. Er geht nur dahin, daß die Beklagte zu 1) „über einen die Presseerzeugnisse kontrollierenden Juristen verfüge“. Welcher Art dessen Kontrollbefugnisse und Kontrollmöglichkeiten waren, ist ebensowenig dargelegt wie seine besondere Qualifikation zur erschöpfenden und zutreffenden Beurteilung presserechtlicher und wettbewerbsrechtlicher Tatbestände, noch haben die Beklagten behauptet, sie hätten diesen Juristen über die Rechtmäßigkeit der „Denkzettel-Aktion“ befragt oder der Jurist habe diese Aktion als rechtlich unbedenklich beurteilt.

    IV.

    Der Revision ist zuzugeben, daß die Verurteilung zur Unterlassung, am Wortlaut der Urteilsformel gemessen, zu weit gefaßt ist. Denn danach hat es den Anschein, als solle den Beklagten verboten werden, Dritte aufzufordern, ausnahmslos alle Hersteller zu nennen, die außer dem Facheinzelhandel auch Verbrauchermärkte belieferten. Die „Denkzettel-Aktion“ der Beklagten beschränkte sich demgegenüber darauf, die Leser des Informationsdienstes aufzufordern, zwar nicht nur „vertragsbrüchige“ Hersteller zu benennen, aber doch nur solche, deren Konditionen für die Belieferung von Verbrauchermärkten von den Facheinzelhändlern als unerwünscht oder, wie es in der Veröffentlichung heißt, diskriminierend empfunden würden. Wie die Begründung der Klage zeigt, zielte das Begehren der Klägerin trotz der weiten Fassung des Klageantrags auch von vornherein nur darauf ab, den Beklagten dieses Verhalten zu verbieten. Dementsprechend lassen auch die zur Auslegung des Urteilstenors heranzuziehenden Gründe des angefochtenen Urteils zweifelsfrei erkennen, daß das Berufungsgericht die Verurteilung auf das Verbot der Aufforderung zur Nennung derjenigen Hersteller von Bedarfsgegenständen hat beschränken wollen, die wegen ihrer dem Facheinzelhandel unerwünschten Bedingungen bei der gleichzeitigen Belieferung von Verbrauchermärkten von der „Listung“ ausgeschlossen werden sollten. Über die Tragweite des Urteilsspruchs kann danach kein erheblicher Zweifel entstehen, so daß es einer Änderung nicht bedarf.