Das goldene A (BGH – I ZR 21/72)

Leitsatz

1. Die Veranstaltung von Gewinnspielen zu Werbungszwecken verstößt gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs, wenn die Teilnehmer um die Lösung der Aufgabe zu finden, sich gezwungen sehen, die Verkaufsräume des Werbenden zu betreten und eingehend zu durchsuchen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nach der Größe der Verkaufsräume und der Zahl des Verkaufspersonals die Teilnehmer sich hierbei nicht unbeobachtet fühlen können.

BGH, Urt. 26.01.1973

 

 
 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen vom 15. Dezember 1971 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

    Die Beklagte, die in mehreren Großstädten der Bundesrepublik Filialgeschäfte unterhält, vertreibt Einrichtungsgegenstände, besonders Möbel. Am 31. März 1971 eröffnete sie in der Innenstadt von Essen eine weitere Filiale. Die Ausstellungsräume umfassen etwa 800 qm Bodenfläche. Neben Möbeln werden auch kleinere Einrichtungsgegenstände und kunstgewerbliche Artikel angeboten. Am 26. März 1971 veröffentlichte die Beklagte in mehreren Zeitungen ein Inserat, in dem es unter anderem heißt:

    „Kaufen Sie keine Möbelstücke mehr vor dem 31. März 1971!

    Dann gibt es auch in Essen A Finnlandmöbel. Das Einrichtungshaus, das Ihnen das große internationale moderne Wohnprogramm anbietet. Ein Programm, das durch Farbe, Form und Verarbeitung das Einrichten noch schöner macht.

    Suchen Sie das goldene A. Gewinnen Sie den berühmtesten Sessel der Welt.

    Ab 31. 3. können Sie bei A Finnlandmöbel am Kennedyplatz 3 einen echten A Kugelsessel im Werte von 2.000,– DM gewinnen…. Das Einrichten macht mehr Spaß in Essen, wenn A Finnlandmöbel eröffnet….“

    Der klagende Verein, der satzungsgemäß unlauteren Wettbewerb verfolgt, ist der Ansicht, die Ankündigung des Gewinnspiels und seine Durchführung seien wettbewerbswidrig; denn durch die Verheißung eines ungewöhnlich hohen Gewinns, wie ihn der Kugelsessel darstelle, werde das Publikum in übertriebener Weise angelockt. Außerdem werde durch das Gewinnspiel ein psychologischer Kaufzwang ausgeübt, denn die Teilnehmer müßten die Geschäftsräume der Beklagten betreten, wo sie durch ihr intensives Suchen nach dem goldenen A zwangsläufig die Aufmerksamkeit der Bedienung der Beklagten erweckten und sich dadurch zum Kauf genötigt sähen.

    Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren noch bedeutsam, mit seinem ersten Hilfsantrag beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung von Strafen zu unterlassen, zu Wettbewerbszwecken, insbesondere in Zeitungsinseraten anzukündigen: „Suchen Sie das goldene A. Gewinnen Sie den berühmtesten Sessel der Welt. Ab (Datum) können Sie bei A Finnlandmöbel am (Ort) einen echten A Kugelsessel im Wert von 2.000,– DM gewinnen,“ und das in dieser Form angekündigte Gewinnspiel durchzuführen.

    hilfsweise

    die Beklagte zu verurteilen, bei Vermeidung von Strafen es zu unterlassen, zu Wettbewerbszwecken, insbesondere in Zeitungsanzeigen Gewinnspiele anzukündigen und/oder durchzuführen, bei denen die Teilnehmer ein goldenes A suchen müssen und dadurch zum Betreten der Räume des Geschäftslokales der Beklagten veranlaßt werden.

    Die Beklagte hält ihre Werbung für erlaubt, insbesondere werde kein psychologischer Kaufzwang ausgeübt. Die Waren in ihrem Geschäftslokal seien so aufgestellt und ausgezeichnet, daß sich der Kunde jedes einzelne Stück selbst ansehen und sich ohne Verkäuferberatung über Preise, Maße und ähnliches informieren könne. Jeder könne ungehindert durch das Geschäft gehen und das Angebot besichtigen. Das Verkaufspersonal spreche Interessenten, die von der Einladung der Besichtigung Gebrauch machten, nicht an, sondern lasse die Kunden solange betrachten und kramen, bis sie selbst den Wunsch zur Beratung zu erkennen gäben. Die Geschäftsräume seien durch drei Möbelverkäufer und zwei Verkäuferinnen für Kleingegenstände betreut.

    Das Landgericht hat die Beklagte entsprechend dem ersten Hilfsantrag zur Unterlassung verurteilt. Dagegen richtet sich die zulässig eingelegte Sprungrevision der Beklagten, die damit ihren Klagabweisungsantrag weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

    I. Das Landgericht führt aus, die Spielankündigung sei zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der übertriebenen Anlockung wettbewerbswidrig, weil der Wert des Kugelsessels im Verhältnis zum sonstigen Warensortiment nicht ungewöhnlich hoch sei. Dagegen bestehe die Gefahr eines psychologischen Kaufzwanges; denn der Spielteilnehmer müsse sich, wie er der Werbeanzeige entnehme, in die Geschäftsräume der Beklagten begeben, um das „goldene A“ zu suchen und sehe sich veranlaßt, sich dort mit einer Gründlichkeit umzusehen, die selbst ein Käufer normalerweise nicht aufbringen werde, der sich gewöhnlich nur auf einige wesentliche Gegenstände seines Interesses konzentriere. Die Spielteilnehmer müßten es für notwendig halten, auch unter Regale, in Schränke oder unter Borde zu schauen, da sie nicht wissen könnten, wo sich das „goldene A“ wirklich befinde. Eine so gründliche Durchsuchung eines Geschäfts, das offensichtlich nicht auf eine reine Durchlaufkundschaft eingestellt sei, müsse bei einem erheblichen Teil der Spielteilnehmer Befangenheit hervorrufen und in ihnen die Vorstellung erwecken, sie müßten sich durch den Kauf irgendeines kleinen Artikels die Untersuchungsmöglichkeit gleichsam erkaufen. Dies gelte auch dann, wenn sich das Personal der Beklagten jeder Einflußnahme enthalte, weil, anders als etwa in einem Selbstbedienungsgeschäft oder einem Kaufhaus, von vornherein keine Atmosphäre bestehe, die den Eindruck erwecke, man könne die Räume gründlich durchsuchen, ohne eine erhebliche Kauferwartung des Personals zu erwecken.

    II. Die dagegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg.

    1. Zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1959, 138 – Italienische Note; GRUR 1967, 202 – Gratisverlosung; zuletzt Urteil des Senats vom 17.11.1972 – I ZR 71/71) geht das Landgericht davon aus, daß zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltete Preisausschreiben grundsätzlich zulässig sind und ihr Verbot wettbewerbsrechtlich nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt ist. Solche Umstände können auch darin liegen, worauf das Landgericht abhebt, daß das Gewinnspiel so angelegt ist, daß die Teilnehmer in eine Lage versetzt werden, in der sie einem wettbewerbswidrigen psychologischen Kaufzwang ausgesetzt sind (vgl. BGH WRP 1971, 261 – Clix-Mann). Es ist nicht rechtsirrig, wenn das Landgericht solche Umstände im Streitfall als gegeben ansieht.

    Dabei ist vorweg klarzustellen, daß die beanstandete Werbung nicht unter dem besonderen Blickpunkt einer Einführungswerbung zu beurteilen ist. Zwar bezog sie sich auf die am 31. März 1971 bevorstehende Geschäftseröffnung, sie ist aber bereits vor diesem Zeitpunkt durch die einstweilige Verfügung vom 5. März 1971 verboten worden und die Beklagte hat am 23. April 1971, also nach Eröffnung des Geschäfts, den Antrag gestellt, der Klägerin Frist für die Erhebung der Klage im Hauptverfahren zu setzen. Danach durfte das Landgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, daß die Beklagte auch nach der Geschäftseröffnung und auch nicht etwa nur bei der Eröffnung weiterer Filialen beabsichtigte, in gleicher Weise mit dem beanstandeten Gewinnspiel zu werben.

    Es ist auch nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Landgericht unter den festgestellten Umständen annimmt, der Teilnehmer an diesem Gewinnspiel werde in eine Lage versetzt, in der er sich aus Befangenheit veranlaßt sehen könnte, sich durch den Kauf eines kleineren Artikels die Untersuchungsmöglichkeit gleichsam zu erkaufen. Die Revision hebt zwar zu Recht hervor, daß Preisausschreiben, Gratisverlosungen usw. heute weit verbreitet sind, daraus allein läßt sich aber nicht ableiten, daß das Berufungsgericht im Streitfall dem Publikum eine übertriebene Feinfühligkeit unterstellt, wenn es annimmt, der Teilnehmer könne sich einem Geschäftsabschluß nur schwer entziehen, wenn er sich am Spiel beteiligen wolle. Vielmehr kommt es dabei jeweils auf die besonderen Umstände der Ausgestaltung eines solchen Spiels an. Mit Recht sieht das Landgericht hier die Besonderheit darin, daß die Lösung der Teilnahmebedingungen eine Durchsuchung des Ladenlokals erfordert. Es widerspricht nicht der Lebenserfahrung, daß, wie das Landgericht ausführt, der Teilnehmer sich dabei auffällig und ungleich einem normalen Kunden verhalten muß, diese besondere Lage auch als unangenehm empfindet und sich deshalb zum Kauf einer Kleinigkeit gedrängt fühlt. Dem steht nicht entgegen, daß es sich um ein Möbelgeschäft handelt. Zwar ist in größeren Möbelgeschäften die Bewegungsfreiheit der Kaufinteressenten gelegentlich etwas größer als in kleineren Geschäften anderer Branchen, aber es trifft die Wirklichkeit nicht, wenn die Revision meint, es sei in derartigen Geschäften – wie beim Besuch einer Kunstgalerie – üblich, sie ohne ernsthaftes Kaufinteresse aufzusuchen, nur um die ausgestellten Möbel zu betrachten und zu begutachten. Dem stünde im Streitfall schon entgegen, daß die Ausstellungsfläche nicht mehr als 800 qm umfaßt, also nicht mit den Verhältnissen eines Warenhauses vergleichbar ist, in denen der Kunde sich anonym fühlt und gewohnt ist, sich einer Ansprache leichthin zu entziehen. Mit 5 Verkäufern ist das Geschäft der Beklagten auch nicht so gering besetzt, wie das Landgericht ohne Rechtsfehler feststellt, daß jedenfalls ein Kunde, der gründlich nach dem goldenen A sucht, sich unbeobachtet fühlen kann. Überdies widerspräche die Annahme der Lebenserfahrung, daß die Verkäufer, die, wie die Beklagte einräumt, Umsatzprovision beziehen, sich gegenüber solchen Besuchern ungewöhnlich zurückhaltend verhalten werden, wenn dazu nicht eine besondere Anweisung der Geschäftsleitung besteht, wofür die Beklagte nichts vorgetragen hat.

    Die Werbung der Beklagten ist aber – entgegen der Ansicht des Landgerichts – auch unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens wettbewerbswidrig. Zugelassen hat die Rechtsprechung die Werbung durch Preisausschreiben, Gratisverlosungen usw. – obwohl diese an sich geeignet sein können, die Kaufinteressenten von der sachgerechten Prüfung der Angebote nach Qualität und Preiswürdigkeit abzulenken – aus der Erwägung, daß es sich, wie bei Werbegeschenken, um eine Möglichkeit handelt, das Publikum auf das eigene Angebot in einer Weise aufmerksam zu machen, die den Bedürfnissen der Werbung entgegenkommt, ohne daß sachfremde Einflüsse auf die Teilnehmer ein zu starkes Gewicht erlangen müssen. Als bedenklich ist es dagegen schon in der älteren Rechtsprechung angesehen worden, wenn die Teilnehmer durch die Ausgestaltung des Preisausschreibens in eine enge Berührung mit dem Geschäftslokal des Veranstalters gebracht werden (vgl. OLG Dresden, MuW 1930, 1387 – so auch die vorherrschende Meinung im Schrifttum vgl. Bußmann, NJW 1952, 682; Baumbach/Hefermehl, 10. Aufl., UWG § 1 Anm. 84; Reimer/v. Gamm, 4. Aufl., Wettbewerbsrecht, Anm. 33 zu § 1 ZWG S. 240; a. A. Kunze, MA 1972, 295 f und 425 f). Das Reichsgericht hat eine Berührung mit dem Geschäftslokal zwar als zulässig betrachtet, wenn die Lose oder andere Teilnahme-Unterlagen oder auch die Gewinne im Geschäftslokal abgeholt werden mußten, sofern dabei kein psychologischer Kaufzwang ausgeübt werde (RG GRUR 1930, 1204; GRUR 1931, 278). Der Bundesgerichtshof hat sich dem im Modenschau-Fall im Hinblick auf die besondere Fallgestaltung angeschlossen (GRUR 1959, 544, 546), in neuerer Zeit jedoch in einem anderen Fall die enge Verknüpfung mit dem Geschäftslokal nach den dort vorliegenden Umständen als wettbewerbswidrig beurteilt (GRUR 1965, 315 – Werbewagen). Der vorliegende Fall nötigt nicht zu einer abschließenden Beurteilung der Frage, ob Preisausschreiben, wenn sie zu einer engen Berührung mit dem Geschäftslokal führen, unter den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen schlechthin als ein übermäßiges Anlocken zu werten sind; denn im Streitfall geht die durch die Teilnahmebedingungen geschaffene enge Berührung über das bloße Abholen der Lose und Teilnahmebedingungen oder der Gewinne – was Gegenstand jener Entscheidungen war – insofern weit hinaus, als die Teilnehmer das Geschäft nicht nur betreten, sondern zwecks Lösung der Aufgabe gründlich durchsuchen mußten. In dieser Weise darf aber ein Kaufmann die durch einen recht wertvollen Gewinn – bei unklar bleibender Gewinnchance – angeregte Spiellust des Publikums nicht ausnutzen, um sich vor seinen Konkurrenten einen Vorsprung zu verschaffen. Dies umso weniger, als auf diese Weise das Publikum – selbst ohne einen psychologischen Kaufzwang – dazu veranlaßt werden könne, ohne Warenvergleich Gelegenheitskäufe zu tätigen, tätigen, die es ohne diese besonderen Spielbedingungen nicht ohne weiteres vornehmen würde.

    Die Revision der Beklagten war danach mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.