Der Vertrieb von Likörfläschchen mit Etikettierungen, auf denen die Bezeichnungen „Busengrapscher“ bzw. „Schlüpferstürmer“ mit sexuell anzüglichen Bilddarstellungen von Frauen verbunden sind, verstößt gegen § 1 UWG, weil dadurch der -diskriminierende und die Menschenwürde verletzende – Eindruck der sexuellen Verfügbarkeit der Frau als mögliche Folge des Genusses des angepriesenen alkoholischen Getränks vermittelt wird.
BGH, I ZR 91/93 – 18.05.1995 – Kammergericht, LG Berlin
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 5. Februar 1993 aufgehoben. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Kammer für Handelssachen 91 des Landgerichts Berlin vom 18. Januar 1991 wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Zuwiderhandlungsfall festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Spirituosen mit dem nachfolgend wiedergegebenen Etikett „Busengrapscher“
(Vom Abdruck wurde abgesehen)
oder dem nachfolgend wiedergegebenen Etikett „Schlüpferstürmer“
(Vom Abdruck wurde abgesehen)
zu werben.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verband, der satzungsgemäß die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrnimmt.
Der Beklagte stellt her und vertreibt Spirituosen, darunter jeweils in Miniaturflaschen zu 0,02 l einen Brombeerlikör und einen Schlehen-mit-Rum-Likör. Die 4 x 5 cm großen Etiketten auf den 10,5 cm hohen Fläschchen sind beim Brombeerlikör mit der Bezeichnung „Busengrapscher“ und beim anderen Likör mit der Bezeichnung „Schlüpferstürmer“ versehen, und zwar in hervorgehobener Schrift jeweils über Abbildungen, die wie folgt gestaltet sind:
(Vom Abdruck wurde abgesehen)
Der Kläger, der in dieser Werbung eine Verletzung des Anstandsgefühls der angesprochenen Verkehrskreise und eine Beleidigung und Herabwürdigung der Frau sieht, weil deren Darstellung in obszöner Weise die Interessenten zum Kauf der Spirituosen des Beklagten anlocken soll, hat beantragt, dem Beklagten die Werbung mit den angegriffenen (und im Antrag näher bezeichneten) Etiketten zu verbieten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben.
Mit seiner (zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat Ansprüche des Klägers gemäß § 1 UWG verneint. Dazu hat es ausgeführt:
Die angegriffene Spirituosenwerbung sei unter den gegebenen Umständen in ihrem Ausdrucksgehalt nicht so beschaffen, daß die Schwelle zu einem Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG als überschritten anzusehen wäre. Die Werbung sei geschmacklos, verletze aber noch nicht schamlos anstößig das sittliche Empfinden.
Für die moderne Werbung sei kennzeichnend, daß sie durch drastische Schlagworte, frivole Texte und sexbetonte Bilder die Aufmerksamkeit des Publikums zu wecken suche. Daran sei das Publikum heute gewöhnt. Es empfinde ein solches Werben nicht als grobe Belästigung. Vorliegend sei für die Verbraucherschaft erkennbar, daß es sich bei der Etikettierung um einen sich witzig gebenden Reklameeinfall handele. Die schlüpfrig niedrige Ebene sexueller Anspielung, auf der sich der Einfall bewege, sei dabei nicht geeignet, das sittliche Empfinden der angesprochenen Verkehrskreise zu verletzen und insbesondere die weibliche Verbraucherschaft in ihrem Selbstwertgefühl zu kränken. Denn die Ausstattung präge die Ware sichtbar zu einem alkoholischen Scherzartikel, dessen plumper Anzüglichkeit jeder irgendwie ernst zu nehmende sexistische Hintersinn abgehe.
Die textliche und bildliche Ausgestaltung in Verbindung mit dem allgemeinen Wissen von der enthemmenden Wirkung des Alkohols lasse dem Publikum die Spirituosen als solche erscheinen, die sich zum Scherz wundersamer sexueller Wirkkraft berühmten. Daß ein gewöhnlicher Likör in der winzigen Dosierung der Miniaturflasche solche Wirkung entfalten könnte, komme für niemand ernstlich in Betracht. Es handele sich um ersichtlich humorvoll gemeinte Phantasievorstellungen, deren Anknüpfung an die Spirituosenartikel deren Absatz als Spaßmacher fördern solle. Daß solche Art gewollten Humors mit derb sexuellen Anspielungen gewiß weithin als primitiv und unkultiviert auf Ablehnung stoße, könne ihm noch nicht das Gepräge einer sittlichen Anstößigkeit verleihen. Insbesondere spreche nichts dafür, daß mit den Etiketten nach dem Verständnis des Publikums Alkohol als ein Mittel propagiert werde, um sich Frauen für sexuelle Handlungen gefügig zu machen.
Der Beurteilung stehe auch nicht entgegen, daß ein Zusammenschluß von Frauen und Müttern im Berliner Norden in der Aufmachung eine „Aufforderung zum Alkoholgenuß mit dem Ziel sexueller Enthemmung (Stürmen und Grapschen)“ erblickt und empört die Herausnahme aus dem Sortiment der in Rede stehenden Filialhandelskette erwirkt habe; denn das Anstandsgefühl besonders feinfühliger Menschen, um die es sich ersichtlich bei jenen Verbraucherinnen gehandelt habe, weil über andere Proteste weder etwas vorgetragen noch sonst zu ersehen sei, könne nicht zum entscheidenden Maßstab erhoben werden.
Auch die vom Kläger für seinen Standpunkt angeführte Rüge, die der Deutsche Werberat im Jahre 1990 wegen eines Tischaufstellers einer anderen Likörfabrik ausgesprochen habe, auf dem mit einer sexuellen Darstellung für einen Likör „Scharfer Hüpfer“ geworben worden sei, gebe für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nichts her; denn ein Tischaufsteller sei wegen seiner werblichen Ausstrahlungswirkung eigener Art nicht der hier in Streit stehenden Etikettierung von Miniaturflaschen gleichzusetzen.
II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, daß als Anspruchsgrundlage vorliegend allein § 1 UWG in Betracht kommt; es hat jedoch dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht rechtsfehlerfrei beurteilt und daher ihr Vorliegen zu Unrecht verneint.
1. Sittenwidrig (bzw. wettbewerbswidrig) im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und nach herrschender Meinung ein Wettbewerbsverhalten, das dem Anstandsgefühl der beteiligten Verkehrskreise widerspricht oder von der Allgemeinheit mißbilligt und für untragbar angesehen wird (vgl. BGHZ 15, 356, 364 f. – Progressive Kundenwerbung; BGHZ 19, 392, 396 – Anzeigenblatt; BGHZ 54, 188, 191 – Fernsprechwerbung; BGHZ 56, 18, 19 – Grabsteinaufträge II; BGH, Urt. v. 3.2.1988 – I ZR 222/85, GRUR 1988, 614, 615 = WRP 1988, 352 – Btx-Werbung; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 18 Rdn. 7; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., Einl. UWG Rdn. 66; GroßkommUWG/Schünemann, Einl. D Rdn. 10). Die damit vorausgesetzte sittlich-rechtliche Wertung ist im Blick auf die Funktion des § 1 UWG im Wettbewerb vorzunehmen, so daß eine Orientierung allein nach allgemein ethischen Moralvorstellungen nicht genügen kann (vgl. Baumbach/Hefermehl aaO Rdn. 69 und § 1 UWG Rdn. 2; v. Gamm aaO Kap. 7 Rdn. 3). Insbesondere darf eine bloße Geschmackszensur auf der Grundlage des § 1 UWG nicht stattfinden (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.1970 – I ZR 25/69, GRUR 1970, 557, 558 – Erotik in der Ehe; v. Gamm aaO). Abzustellen ist vielmehr auf Wertvorstellungen der beteiligten Verkehrskreise (vgl. v. Gamm aaO Kap. 18 Rdn. 9 ff.), deren Gewicht und Relevanz für die Beurteilung des in Frage stehenden Verhaltens jeweils aufgrund einer umfassenden Abwägung auch der einander gegenübertretenden Interessen sowie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des UWG zu erfolgen hat, wobei auch verfassungsrechtliche Bewertungen solcher Interessen eine Rolle spielen können (vgl. v. Gamm aaO Kap. 18 Rdn. 7; zur Mitberücksichtigung verfassungsrechtlicher Aspekte bei der Auslegung und Anwendung privatrechtlicher Normen vgl. auch Dürig in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 1 Rdn. 132 sowie – m.w.N. – GroßkommUWG/Schünemann, Einl. A Rdn. 58 und D Rdn. 30).
2. Diesen Beurteilungsanforderungen ist das Berufungsgericht nicht hinreichend gerecht geworden.
a) Die Revision beanstandet zu Recht, daß das Berufungsgericht den Aussagegehalt der angegriffenen Werbung, dessen Feststellung Voraussetzung für die sittlich-rechtliche Wertung ist (vgl. v. Gamm aaO Kap. 7 Rdn. 4), nur unzureichend beurteilt habe und daß deshalb das Verständnis, das der angesprochene Verkehr der Werbung entgegenbringe, nicht fehlerfrei ermittelt worden sei.
Mit seiner Einordnung der Flaschenetiketten in die allgemeine Kategorie „sexueller Anspielungen, drastischer Schlagwörter, frivoler Texte und sexbetonter Bilder“, an die das Publikum durch die moderne Werbung gewöhnt sei, ist das Berufungsgericht dem Charakter der hier in Rede stehenden Warenbezeichnung und zugleich Werbeaussage ebensowenig gerecht geworden wie mit seiner Einschätzung, es handele sich um eine scherzhaft gemeinte und verstandene Bezeichnung „wundersamer sexueller Wirkkraft“ bzw. um einen „Scherz mit sexuellen Phantasievorstellungen“. Bei dieser Beurteilung hat das Berufungsgericht wesentliche Gesichtspunkte nicht hinreichend berücksichtigt, bei deren Beachtung die Werbung den Betrachtern gerade nicht mehr als reiner „Scherz“ erscheinen kann, sondern einen Charakter gewinnt, der von dem verbreiteten Einsatz erotischer Anreize oder sexueller Anspielungen in der Werbung deutlich ins Negative abweicht. Beide Etiketten werden durch Wort- und Bilddarstellungen geprägt, die in obszöner Weise den Eindruck der freien Verfügbarkeit der Frau in sexueller Hinsicht vermitteln und zugleich die Vorstellung fördern sollen, daß die so bezeichneten alkoholischen Getränke geeignet seien, solcher Verfügbarkeit für die angesprochenen sexuellen Handlungen Vorschub zu leisten. Der angesprochene Verkehr wird daher zu großen Teilen obszöne Andeutungen dieser Art als ernstgemeint ansehen, wenn sie – wie hier – zur Förderung des Absatzes eines alkoholhaltigen Getränks eingesetzt werden. Denn bei Berücksichtigung einerseits der in starkem Maße anzüglichen Schlagworte und Abbildungen, andererseits der allgemein bekannten enthemmenden Wirkung von Alkohol ist die Feststellung des Berufungsgerichts, das Publikum werde die Etikettierung nicht mindestens auch als Propagierung eines Mittels zur Überwindung sexueller Widerstände verstehen, mit der Lebenserfahrung nicht in Einklang zu bringen. Ein solches Verständnis liegt im Gegenteil nahe und wird mit den verwendeten Etiketten auch bewußt angesprochen, und zwar in doppelter Hinsicht: durch Weckung des Gedankens an Enthemmung nicht allein der Frau, sondern auch des Mannes, um ihm den Mut zu sexuellem Vorgehen zu machen.
b) Bei Zugrundelegung eines solchen Verständnisses bedeutet die Werbeaussage eine Herabsetzung und Diskriminierung der Frau, die, wenn sie wie hier öffentlich zur Förderung des eigenen Warenabsatzes erfolgt, gegen § 1 UWG verstößt. Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Verwendung der in Rede stehenden Bezeichnungen nicht mehr um ein lediglich als grob geschmacklos zu qualifizierendes Verhalten, das im Geschäftsleben noch hinzunehmen ist, sondern um eine Form der Werbung, die das sittliche Empfinden der maßgeblichen Verkehrskreise verletzt, weil sie wegen der damit verbundenen kränkenden Herabsetzung eines Bevölkerungsteils in grobem Maße gegen das allgemeine Anstandsgefühl verstößt und dadurch ärgerniserregend und belästigend wirkt (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 1 UWG, Rdn. 84).
Der hohe Rang der hier betroffenen menschlichen Würde, die durch Art. 1 GG geschützt ist, erfordert ihre Achtung und Wahrung auch im Wettbewerbsgeschehen. Ihre Verletzung sowie die hier mit in Rede stehende Diskriminierung eines Bevölkerungsteils allein zu dem Zweck, den Absatz eines bestimmten Produkts zu fördern, entspricht nicht den Anschauungen der großen Mehrheit des Publikums und der Wettbewerbsteilnehmer von einem grundsätzlich einzuhaltenden Mindeststandard dessen, was im Wettbewerb als unanstößig (noch) zu tolerieren ist, und zwar jedenfalls dann nicht, wenn solche Rechtsverletzungen – wie vorliegend – bei einer Werbung erfolgen, die sich – durch Wahl des normalen Vertriebswegs -an das allgemeine Publikum wendet und nicht auf Waren bezieht, deren besonderer Charakter sich schon aus ihrer spezifischen Zwecksetzung – wie etwa bei unmittelbar zur sexuellen Verwendung bestimmten oder bei pornographischen Artikeln – und ihren entsprechenden besonderen Vertriebsstätten wie Sex-Shops ergibt. Solche Waren und ihre Bezeichnung wenden sich – was der Beklagte mit seiner Berufung auf die angebliche Gewöhnung des Verkehrs an entsprechende Angebote der Sex-Shops verkennt – an ein begrenztes Publikum in Angebotsbereichen, in denen mit ihnen gerechnet wird und andere Maßstäbe anzulegen sind als bei Waren, die in gewöhnlichen Verkaufsstätten angeboten werden und dort nicht nur dem unmittelbar angesprochenen und interessierten (engen) Kundenkreis, sondern dem allgemeinen, in seiner Mehrheit an einer Werbung wie hier nicht interessierten und von ihr jedenfalls zu großen Teilen abgestoßenen Publikum – darunter Frauen und Kinder – entgegentritt.
Dem kann der Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß in der Werbung sexbetonte frivole Schlagworte, Bilder und Texte weitverbreitet seien und daß Darstellungen wie die hier in Rede stehenden in einer Vielzahl von Fällen in Zeitschriften, Illustrierten und Zeitungen sowie in den elektronischen Medien ihre Entsprechung fänden.
Was alle diese Fälle von den im Streitfall beanstandeten Etiketten schon in tatsächlicher Hinsicht unterscheidet, ist, daß hier, anders als in jenen Fällen, die angegriffene Etikettierung durch Wort und Bild unmittelbar darauf zielt, beim Kaufen des Produkts des Beklagten den Eindruck hervorzurufen, daß der Genuß dieser Getränke – vor allem auch auf seiten der Frau – geeignet ist, mögliche physische und psychische Widerstände abzubauen und die sexuellen Wünsche des Mannes so leichter erfüllbar zu machen.
Hinsichtlich der Darstellungen in den Medien vernachlässigt der Vergleich des Beklagten darüber hinaus, daß diese, weil bei ihnen der Meinungsäußerungsfreiheit sowie der Freiheit zur Befriedigung von – in weitem Sinne zu verstehenden – Informationsinteressen eine maßgebliche Rolle zukommt, in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (unter Umständen auch unter den Kunstschutz des Art. 5 Abs. 3 GG) fallen, was bei der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in jedem Einzelfall vorzunehmenden Güterabwägung (vgl. BVerfGE 7, 198, 208 f.; 21, 239, 243; 24, 278, 282; 34, 202, 225; 50, 234, 241; 54, 129, 136 ff.; weitere Nachweise bei Herzog in Maunz/Dürig aaO Art. 5 Rdn. 257 f. in Fn. 4 und 6) nicht unberücksichtigt bleiben und dazu führen kann, die Schwelle des – trotz Ärgerniserregens – noch Hinzunehmenden zu erhöhen. Einen solchen Schutz kann der Beklagte für seine Bezeichnungen jedoch nicht in Anspruch nehmen. Er würde voraussetzen, daß der Werbung vorliegend jedenfalls auch der Charakter einer Meinungsaussage zuzubilligen wäre, für den nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konstitutiv das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung ist (vgl. BVerfGE 71, 162, 175, 179; BVerfG NJW 1992, 1153; 1994, 3342). An diesem Element fehlt es jedoch vorliegend, weil die Werbung des Beklagten erkennbar keinerlei Aussagebedürfnisse befriedigen, sondern allein der Förderung des Absatzes seiner Waren dienen soll. Ein solches ausschließlich kommerzielles Interesse hat jedoch bei der gebotenen Güterabwägung an Bedeutung und Gewicht zurückzutreten, wenn ihm ein schützenswertes Interesse anderer gegenübersteht (vgl. BGHZ 1250 91, 97 – Markenverunglimpfung I). Solche Interessen bestehen vorliegend nicht nur seitens des – teilweise durch die Diskriminierung unmittelbar betroffenen – Publikums, sondern auch seitens der Mitbewerber, bei denen es sich zusätzlich auch darauf erstreckt, daß Werbemittel, durch die weite Kreise der Bevölkerung in ihrer Würde verletzt oder diskriminiert werden, nicht allgemein Eingang in den Wettbewerb finden und die Teilnehmer am Wettbewerb in die Zwangslage bringen, entweder sich selbst um des Markterfolgs willen Werbeaussagen wie die hier in Rede stehenden zu eigen zu machen oder Wettbewerbsnachteile gegenüber Mitbewerbern in Kauf zu nehmen, die keine Bedenken haben, Werbeaussagen der beanstandeten Art zum Mittel ihres Wettbewerbs zu machen.
Mit der hier getroffenen Beurteilung steht im Einklang, daß das Deutsche Patentamt (Mitt. 1985, 215, 216) die Eintragung eines Warenzeichens „Schlüpferstürmer“ mit der Begründung abgelehnt hat, es handele sich um eine ärgerniserregende Darstellung im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 4 WZG, und daß ferner der Deutsche Werberat ausweislich des in den Gerichtsakten befindlichen Auszugs aus dem „Jahrbuch Deutscher Werberat 1991“ in einem vergleichbaren Fall eine sexuell anzügliche Likörwerbung eines anderen Herstellers als „eindeutig frauendiskriminierend“ verurteilt hat, weil die zur Werbung für einen Likör „Scharfer Hüpfer“ im Comic-Stil verwendete Darstellung eines unbekleideten Mannes, der sich einer ebenfalls unbekleideten „Traumfrau“ nähert, offenkundig die Aussage enthalte, Frauen seien leicht verfügbar, wenn sie Alkohol genossen hätten. Die vom Deutschen Werberat (aaO) referierten zustimmenden Reaktionen auf seine Rüge in einer großen Zahl von Zeitungen läßt im übrigen erkennen, daß der Einsatz solcher Werbemittel keineswegs nur – wie das Berufungsgericht gemeint hat – von „besonders feinfühligen Menschen“, sondern weit über deren Kreis hinaus als anstößig und wettbewerbsfremd empfunden wird.
III.
Das Berufungsurteil ist demgemäß aufzuheben. Auf die Berufung des Klägers ist der Beklagte in Abänderung des landgerichtlichen Urteils nach dem Klageantrag zu verurteilen, wobei ihm gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind.