Aquavit (BGH – I ZR 204/89)

Leitsatz
 
1. Eine Werbeangabe, die wegen der Unkenntnis des Verbrauchers über die tatsächlichen Zusammenhänge des Herstellungsvorgangs zu einer Fehlvorstellung über die qualitätsmäßige Beschaffenheit des Produkts führt, verletzt keine schützenswerten Verbraucherinteressen, wenn der in der Werbeangabe verwendete maßgebliche Begriff branchenüblich ist und die qualitätsmäßige Beschaffenheit nicht bei dem fehlerhaft vorgestellten Produktionsvorgang, sondern allein bei dem tatsächlichen Herstellungsvorgang gewährleistet ist. In einem solchen Falle, in dem der Werbende die Unkenntnis des Verbrauchers nicht zu eigenem Vorteil nutzt, kann mangels Verletzung schützenswerter Interessen von einer irreführenden Angabe im Sinne des UWG § 3 nicht gesprochen werden.

2. Soll durch eine Meinungsumfrage die Relevanz einer irrigen Vorstellung des angesprochenen Verkehrs für den Kaufentschluß im Sinne des UWG § 3 festgestellt werden, so ist die Fragestellung rechtsfehlerhaft, wenn sie nicht die Bedeutung erfaßt, die der – relativ geringen – Abweichung der Vorstellung von den tatsächlichen Gegebenheiten zukommt, vielmehr die Annahme des Befragten nahelegt oder jedenfalls erlaubt, es werde nach der Bedeutung einer – erheblich weitergehenden – Abweichung der Vorstellung von Verhältnissen gefragt, die im konkreten Fall nicht gegeben sind.


 
Orientierungssatz
 
Werbung mit den Modalitäten des Reifungsprozesses einer Spirituose, die branchenüblich als Vor und Endprodukt in gleicher Weise bezeichnet wird (Aquavit), wenn nur das hochkonzentrierte Destillat als Vorprodukt, und nicht das trinkfertige Endprodukt, den Reifungsprozeß durchlaufen hat.

 
BGH, Urt. von 29.05.1991 – I ZR 204/89 – OLG Köln, LG Köln 

 
Tatbestand:

Die Beklagte vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland einen Aquavit unter der Bezeichnung „Linie-Aquavit“. Sie wirbt damit, daß ihr Produkt eine „Äquator-Reife“ erfahren habe, da es in Sherry-Fässern in monatelanger Schiffsfahrt zweimal den Äquator passiert habe. Während des Transports weist der Aquavit eine Alkoholkonzentration von zwischen 60 und 70% auf. Im Anschluß an die Reise wird durch Zugabe von destilliertem Wasser der Alkoholgehalt auf 41,5% reduziert.

Der Kläger, ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, beanstandet die auf dem Verpackungskarton und dem Flaschenetikett enthaltene Werbeaussage – wie sie im Klageantrag wiedergegeben ist – als irreführend. Sie vermittle dem Verbraucher die unrichtige Vorstellung, das trinkfertige Produkt, wie es in der Flasche angeboten werde, habe die Äquatorlinie zweimal überquert.

Er hat beantragt,

der Beklagten unter Androhung der näher bezeichneten Ordnungsmittel zu verbieten,

in bezug auf das Produkt „Linie-Aquavit“ auf der Verpackung wie nachstehend wiedergegeben zu werben:

An dieser Stelle ist im Original der Verpackungsaufdruck abgebildet. Er enthält u. a. die Werbeaussagen:

Der Aquavit mit der Äquator-Reife

 
Nach langer Lagerung „schaukelte“ dieser Aquavit in ausgesuchten Sherry-Fässern auf einem Schiff  der …-Reederei von Norwegen nach Australien und zurück. So passierte er die Linie, den Äquator. Zweimal.

 …

 
 Die amtliche Garantie des A/S Vinmonopolet Norwegen auf der Rückseite jedes LINIE-Etiketts bestätigt Ihnen, wann, wielange und mit welchem Schiff der …-Reederei LINIE-Aquavit auf der Reife-Route war …

 und neben der Abbildung der Rückseite eines Flaschenetiketts und Text:

 
 Hier steht immer der Name des Schiffes, und hier steht die Reisezeit eines jeden LINIE-Aquavits.

 und/oder wie nachstehend abgebildet auf der Innenseite des Flaschenetiketts anzukündigen:

An dieser Stelle ist im Original die Innenseite des Flaschenetiketts abgebildet. Der Text lautet:

 
 Staatliche Garantie

 A/S Vinmonopolet verbürgt:

 
 Dieser LINIE-Aquavit

 
 hat in alten Sherry-Fässern

 
 auf der Reise von

 
 Norwegen nach Australien

 
 mit dem …-Frachter

 
 M/S „TOURCOING“

 
 den Äquator passiert.

 
 Zeit der Reise:

 14.6.82 – 2.9.82.

wenn der Flascheninhalt des „Linie-Aquavit“ die Reife-Route nicht zurückgelegt hat.

Nach Umstellung der Werbung der Beklagten hat der Kläger in der Berufungsinstanz des weiteren beantragt,

der Beklagten zu verbieten,

in bezug auf das Produkt „Linie-Aquavit“ auf der Verpackung wie nachstehend wiedergegeben zu werben:

An dieser Stelle ist im Original der Verpackungsaufdruck nach Umstellung der Werbung abgebildet. Er enthält u. a. die Werbeaussagen:

 
Der Aquavit mit der Äquator-Reife.

 
In ausgesuchten, alten Sherry-Fässern schlummert LINIE Aquavit dem aufregenden Moment entgegen, der ihn auf seiner monatelangen Reise von Norwegen über Australien rund um die Welt zweimal über den Äquator führt.

 …

 
Die amtliche Garantie des A/S Vinmonopolet Norwegen bestätigt Ihnen auf der Rückreise eines jeden LINIE-Etiketts, wann, wie lange und mit welchem Schiff LINIE Aquavit auf Äquator-Reise war

und neben der Abbildung der Rückseite eines Flaschenetiketts den Text:

 
Auf der Etiketten-Rückseite einer jeden Flasche steht hier immer der Name des Schiffes und hier die Reisezeit des LINIE Aquavit.

und/oder wie nachstehend abgebildet auf der Innenseite des Flaschenetiketts anzukündigen

„Staatliche Garantie:

A/S Vinmonopolet verbürgt:

LINIE-Aquavit

hat in alten Sherry-Fässern

mit dem …-Frachter

M/S „TOURCOING“

auf der Reise von

Norwegen über Australien

rund um die Welt zweimal

den Äquator passiert.

Zeit der Reise:

29.09.86-16.02.87″,

solange der Flascheninhalt des Linie-

Aquavit die Reife-Route nicht zurückgelegt hat.

Die Beklagte hat demgegenüber den Standpunkt eingenommen, ihre Werbeangaben seien zutreffend. Nach gesicherter Erkenntnis müsse der Aquavit wie auch andere Spirituosen in hoher Alkoholkonzentration reifen, bevor er als trinkfertiges Produkt verkauft werden könne. Wie das Endprodukt sei auch das höherprozentige Destillat als „Aquavit“ zu bezeichnen. Der trinkfertige Aquavit in der Flasche sei sonach auch nach der Vorstellung des Verbrauchers identisch mit dem per Schiff über die Äquatorlinie transportierten höherprozentigen Destillat. Eine fehlerhafte Vorstellung der Verbraucher sei jedenfalls wettbewerbsrechtlich nicht relevant, da es diesen nur darum gehe, die höchstmögliche Qualität zu erreichen; diese sei indessen durch die Art der Reifung bei ihrem Produkt gewährleistet.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen (OLG Köln GRUR 1989, 845). Den auf das Verbot des neuen Werbetextes, dessen Anfang lautet: „In ausgesuchten, alten Sherry-Fässern schlummert LINIE-Aquavit dem aufregenden Moment entgegen …“, gerichteten zweiten Klageantrag hat es als eine unzulässige Klageänderung angesehen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
 
 
Entscheidungsgründe:
 
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die mehrfach hervorgehobene Werbeaussage, „Dieser Linie-Aquavit“ habe den Äquator passiert, sei objektiv richtig. Im Sprachgebrauch der Fachkreise, der auch in gesetzliche Regelungen Eingang gefunden habe, würden das zur Reifung gelagerte hochprozentige Vorprodukt und das trinkfertige Endprodukt in gleicher Weise bezeichnet. Da, wie der Sachverständige C. ausgeführt habe, nicht die Lagerung des Endprodukts, sondern die des hochprozentigen Destillats wesentliche Voraussetzung für eine hohe Qualität der Spirituose sei, beschreibe die angegriffene Werbung zutreffend, daß der beworbene Aquavit seine Reife bei der Lagerung in Fässern, welche per Schiff von Norwegen nach Australien transportiert worden seien, erfahren habe. Eine mögliche Fehlvorstellung des Verbrauchers, das trinkfertige Produkt sei in den Fässern transportiert worden, sei wettbewerbsrechtlich jedenfalls nicht relevant, da der Verbraucher letztlich gerade das bekomme, was er sich erhofft habe. Die nach der Verkehrsbefragung durch die GfK ermittelte Vorstellung von Verbrauchern, der Aquavit werde als trinkfertiges Produkt über die Meere transportiert, der Reifeprozeß sei nur dann optimal, wenn ihn das Endprodukt durchgemacht habe, sei nicht schützenswert; diese Verbraucher erhielten nämlich tatsächlich ein Produkt, das günstiger gereift sei, als wenn der Reifungsprozeß mit dem Endprodukt durchgeführt worden wäre. Zudem habe die Beklagte ein schützenswertes Interesse daran, entsprechend der marktüblichen Werbung für Spirituosen, auf die Reifung ihres Aquavits hinweisen zu dürfen, ohne zwischen höherprozentigem Destillat und trinkfertigem Endprodukt unterscheiden zu müssen. Eine solche Unterscheidung verwirre den Verbraucher mehr, als sie ihn aufklären könne.

Hinsichtlich des auf Unterlassung des neuen Werbetextes gestellten Unterlassungsantrags hat das Berufungsgericht eine unzulässige Klageänderung angenommen. Es hat hierzu ausgeführt, dieser Antrag betreffe eine andere Ausstattung des Flaschenetiketts, bei welcher nicht auszuschließen sei, daß sich andere Ergebnisse der Verbrauchererwartung ergeben könnten als bei der Ausstattung, die Gegenstand des vom Landgericht verbeschiedenen Antrags sei. Eine Behandlung im laufenden Verfahren würde zu einer erneuten Beweisaufnahme führen, weshalb es die Klageänderung nicht für sachdienlich erachte.

II. Die Revision wendet sich gegen diese Beurteilung ohne Erfolg.

1. a) Rechtsfehlerfrei und ohne Beanstandung der Revision hat das Berufungsgericht festgestellt, daß der Begriff „Aquavit“ sowohl die trinkfertige Spirituose als auch das für die Reifung bestimmte Destillat mit höherer Alkoholkonzentration sachgerecht bezeichnet. Das Berufungsgericht hat seine Erkenntnis aus den Darlegungen des Sachverständigen C. gewonnen, wonach die Fachsprache bei der Bezeichnung von Spirituosen nicht unterscheidet, ob es sich um das zur Reifung gelagerte hochkonzentrierte Vorprodukt oder um das auf eine bestimmte Alkoholkonzentration zurückgeführte trinkfähige Endprodukt handelt. Es verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die EWG-Verordnung Nr. 1576/89 vom 29. Mai 1989 (ABl. EG Nr. L 160), worin beispielsweise in Art. 1 Abs. 4 lit. b als „Whisky“ die Spirituose bezeichnet wird, „die durch Destillieren von Getreidemaisch gewonnen wird … zu weniger als 94% vol. … destilliert worden ist … und mindestens drei Jahre lang in Holzfässern mit einem Fassungsvermögen von 700 l oder weniger gereift ist“.

Das Berufungsgericht folgert hieraus zutreffend, daß eine Irreführung wegen eines fehlerhaften Gebrauchs der Bezeichnung „Aquavit“ ausscheidet, vielmehr die Verwendung der Bezeichnung „Aquavit“ objektiv richtig ist, unabhängig davon, ob der Verbraucher darunter das hochprozentige Destillat oder die trinkfertige Spirituose versteht.

b) Von der Revision unbeanstandet bleibt auch die aufgrund der sachverständigen Äußerung des Gutachters C. vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, daß allein bei Lagerung eines hochprozentigen Destillats, nicht aber bei einer solchen des Endprodukts eine Spirituose von höherer Qualität gewährleistet ist. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist deshalb die Beurteilung des Berufungsgerichts, eine mögliche Fehlvorstellung des Verbrauchers, nicht das Destillat, sondern das trinkfertige Endprodukt sei während der langen Seereise in den Fässern gelagert, führe nicht zu einem falschen Bild über die durch Reifung gewonnene Qualität des Erzeugnisses.

2. Das Berufungsgericht geht des weiteren zutreffend – und von der Revision als ihr günstig nicht in Frage gestellt – davon aus, daß auch eine objektiv richtige Werbeaussage irreführend im Sinne des § 3 UWG sein kann, wenn der Verkehr, für welchen sie bestimmt ist, ihr etwas Unrichtiges entnimmt und die dadurch geweckte Fehlvorstellung geeignet ist, das Kaufverhalten eines nicht unbeachtlichen Teils des Verkehrs zu beeinflussen (BGHZ 13, 244, 253 – Cupresa-Kunstseide; BGH, Urt. v. 1.12.1960 – I ZR 6/59, GRUR 1961, 193, 196 = WRP 1961, 152 – Medaillenwerbung; Urt. v. 1.10.1986 – I ZR 126/84, GRUR 1987, 171, 172 = WRP 1987, 242 – Schlußverkaufswerbung).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die irrtümliche Vorstellung eines Teils des Verkehrs, der Inhalt der beworbenen Flasche, also das trinkfertige Produkt, habe die Reise über die Äquatorlinie hinter sich, sei wettbewerbsrechtlich nicht relevant, wird von der Revision im Ergebnis ohne Erfolg angegriffen.

a) Die von der Revision gegen die Auswertung des GfK-Gutachtens durch das Berufungsgericht erhobenen Rügen vermögen ihr nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der GfK-Verkehrsbefragung zu dem Ergebnis gelangt, daß bei der offenen Frage, was der beanstandete Text des Etiketts über den Flascheninhalt aussage, eine Irreführung eines beachtlichen Teils der Verkehrskreise nicht festzustellen sei. Aufgrund des ermittelten Wertes, wonach bei offener Fragestellung nur 1% geantwortet hätten, die Flaschen würden auf dem Schiff transportiert, sei anzunehmen, daß sich die angesprochenen Verbraucher zu der Frage, ob der Aquavit als trinkfertiges Produkt oder als Konzentrat über den Äquator transportiert werde, spontan keine Gedanken machten. Das Berufungsgericht stützt sich bei dieser Beurteilung auch auf die Antworten zu den gezielteren Fragen 3 und 4 („Was wird mit dem Schiff wohin transportiert“), wonach nur 0,8% (Frage 3) und 1,4% (Frage 4) die Antwort, „die Flaschen werden mit dem Schiff transportiert“, und nur 2,4% die Antwort, „das Getränk werde transportiert“, gegeben hätten.

Die Revision rügt demgegenüber, die Folgerung, der Verbraucher mache sich spontan keine Gedanken dazu, ob das Destillat oder das trinkfertige Produkt die Äquatorlinie überschritten habe, sei nicht gerechtfertigt, da nach sämtlichen Antworten offenbleibe, ob der Antwortende, wenn er jeweils von „Aquavit“ spreche, das trinkfertige Produkt oder ein Vorprodukt meine; nach der Lebenserfahrung sei vielmehr anzunehmen, daß der Verbraucher auch dann sich das trinkfertige Produkt vorstelle, wenn er davon spreche, daß der Aquavit in Fässern gereift sei.

Die Revision verkennt dabei, daß das Berufungsgericht aufgrund der Antworten auf die offene Fragestellung keine abschließende Feststellung über die Vorstellung des Verbrauchers getroffen hat, in welchem Zustand der Aquavit die Äquatorlinie überschritten habe, sondern lediglich eine – aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende – Wertung dahin vorgenommen hat, daß dem spontan nach dem Aussagegehalt des beanstandeten Werbetextes gefragten Verbraucher die Unterscheidung von Aquavit als trinkfertigem Produkt oder als Destillat für das Verständnis des Werbetextes nicht von Bedeutung zu sein scheint.

Auch die gegen die weitere Auswertung des GfK-Gutachtens erhobenen Rügen verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.

Die vom Berufungsgericht zur Ermittlung des konkreten Verkehrsverständnisses zu Recht für erforderlich erachtete geschlossene Frage 7, bei welcher die beiden in Betracht kommenden Alternativen als unterschiedliche Meinungen von zwei Personen in Form von Sprechblasen gegenübergestellt wurden, hatte zum Ergebnis, daß 41,4% dahin antworteten, sie seien der Meinung, der Aquavit werde als trinkfertiges Produkt transportiert, während 23,6% von einem Transport als Konzentrat ausgingen und der Rest keine Meinung äußerte. Das Berufungsgericht hat den festgestellten Prozentsatz unrichtiger Vorstellungen nicht als rechtlich erheblich angesehen, weil auf die Zusatzfrage an die Personen (816 von 2000 Befragten), welche von einem Transport des trinkfertigen Produkts ausgegangen waren, nur 196 Personen, somit nur 10% aller Befragten, bei einem Kauf für wesentlich angesehen hätten, daß das trinkfertige Produkt über den Äquator transportiert worden sei, und obendrein mehr als die Hälfte dieser Personen nur deshalb zu der Entscheidung gekommen seien, weil sie fälschlich gemeint hätten, der Reifungsprozeß sei nur dann optimal, wenn ihn das Endprodukt und nicht ein Vorprodukt durchgemacht habe.

Allerdings rügt die Revision in diesem Zusammenhang zutreffend, daß das Berufungsgericht bei der Ermittlung dieser Quote sich fehlerhafterweise auf den Kreis der Befragten beschränkt hat, welche die Werbeaussage im Sinne des Klagevorbringens verstanden haben, und nicht auch erwogen hat, in welchem Maße eine dahingehende Vorstellung die Kaufentschließung derjenigen zu beeinflussen vermag, die sich einer Antwort auf die geschlossene Frage 7 enthalten hatten. Denn auch diejenigen Verbraucher, die bei einer alternativen, geschlossenen Fragestellung keine Antwort geben, sind in die Beurteilung einzubeziehen, ob eine bestimmte Vorstellung die Kaufentscheidung zu beeinflussen vermag.

Im Streitfall ist jedoch zugleich zu berücksichtigen, daß die auf die Frage 8 gegebene Antwort, beim Kauf werde Wert darauf gelegt, daß das trinkfertige Produkt die Äquatorlinie überschritten habe, nicht geeignet ist, die Ursächlichkeit der als irreführend beanstandeten Werbeaussage für die Kaufentscheidung abschließend zu belegen. Die Fragestellung – „Würden Sie bei einem Kauf Wert darauf legen, daß es sich bei „Linie-Aquavit“ um eine Spirituose handelt, die als trinkfertiges Produkt … mit dem Schiff in Fässern über den Äquator und zurück transportiert wird oder wäre Ihnen dies gleichgültig oder können Sie das momentan nicht sagen“ – erweist sich nämlich als lückenhaft, weil sie die irrige Vorstellung der Befragten – Transport des Endprodukts – nicht in das gebotene Verhältnis zu den wirklichen Gegebenheiten – Transport des Destillats – setzt, sondern eine naheliegende Deutung eröffnet, die ihrerseits nicht der Wirklichkeit entspricht, aber die Antworten in erheblicher Weise beeinflussen kann; naheliegend ist nämlich die Deutung, die Alternative zur der Verbrauchervorstellung, das Endprodukt werde transportiert, sei, der Aquavit werde (überhaupt) nicht über den Äquator transportiert. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann aber ausgeschlossen werden, daß ein gleichhoher Anteil der Befragten den Transport gerade des trinkfertigen Endprodukts als entscheidend für seinen Kaufentschluß auch dann angesehen hätte, wenn diese Form des Transports bei der Befragung in eine Beziehung zur Alternative des tatsächlich erfolgenden Transports des Destillats gesetzt worden wäre. Erst recht würde dies – was für die nachfolgenden Erwägungen zur Schutzwürdigkeit der Verbrauchervorstellung bedeutsam wird – dann gelten, wenn den Befragten bekannt gewesen wäre, daß qualitative Verbesserungen im wesentlichen nur durch den Transport des Konzentrats, nicht auch durch den des Endprodukts, erfolgen können.

Eine weitere Aufklärung zur demnach nicht exakt ermittelten Quote der in relevanter Weise irregeführten Verbraucher erübrigt sich aber aus den nachfolgenden Erwägungen.

b) Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, durch die angegriffene Werbung würden schützenswerte Interessen nicht verletzt, erweist sich im Ergebnis als zutreffend.

aa) Soweit das Berufungsgericht einen Irrtum der Verbraucher deshalb als rechtlich unerheblich angesehen hat, weil sie letztlich die Qualität erhielten, die sie sich vorstellten, begegnet seine Begründung allerdings rechtlichen Bedenken. Mit irreführenden Angaben darf auch dann nicht geworben werden, wenn die beworbene Ware den vom Verbraucher erwarteten Vorteil aufweist (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1960 – I ZR 13/59, GRUR 1960, 567, 570 – Kunstglas; v. 7.2.1961 – I ZR 123/59, GRUR 1961, 361, 364 – Hautleim; v. 22.3.1967 – Ib ZR 88/65, GRUR 1967, 600, 601 – Rhenodur; v. 15.1.1969 – I ZR 52/67, GRUR 1969, 280, 282 – Scotch-Whisky). § 3 UWG verbietet irreführende Werbeangaben unabhängig davon, ob die angepriesene Ware der durch diese Angaben beim Verbraucher geweckten Qualitätsvorstellung entspricht, weil solche Angaben geeignet sind, in unredlicher Weise die Kauflust zu wecken und damit Mitbewerber zu schädigen.

bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, daß es vorliegend an der wettbewerbsrechtlichen Relevanz der festgestellten Fehlvorstellungen der Verbraucher fehlt und schützenswerte Interessen der Mitbewerber und Verbraucher nicht verletzt werden.

Es ist zwar davon auszugehen, daß eine Werbeaussage schon dann wettbewerbsrechtlich irreführend im Sinne des § 3 UWG anzusehen ist, wenn sie geeignet ist, die Kauflust des Verbrauchers irgendwie zu beeinflussen (BGHZ 27, 1, 6 – Emaillelack; 28, 1, 7 – Buchgemeinschaft II; Urt. v. 15.6.1966 – Ib ZR 72/64, GRUR 1967, 30, 32 – Rum-Verschnitt). Zur Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit bedarf es somit der Feststellung einer bestimmten Quote irregeführter Verbraucher grundsätzlich nicht, wenn es nach der Lebenserfahrung naheliegt, daß die beanstandete Werbeaussage für die Kaufentscheidung eines nicht unbeachtlichen Teils des Verkehrs von Bedeutung ist. Vorausgesetzt ist hierbei jedoch, daß es sich um Werbeaussagen handelt, die für die Kaufentscheidung des Verbrauchers nicht unwesentlich sind. Denn Aufgabe des Wettbewerbsrechts ist es nicht, den Verbraucher vor jedweder Fehlvorstellung zu schützen. Das Verbot der irreführenden Werbung gemäß § 3 UWG dient vielmehr allein der Wahrung schützenswerter Interessen, sei es des Verbrauchers, sei es des Mitbewerbers.

Für die Beurteilung, ob eine Werbeaussage wettbewerbsrechtlich maßgebliche Interessen verletzt, ist die Zahl der in ihrem Kaufverhalten beeinflußten Verbraucher ein maßgebliches, aber nicht das alleinige Kriterium. In den Fällen, wie dem vorliegenden, in denen die Täuschung des Verkehrs lediglich auf einem unrichtigen Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, kann grundsätzlich ein höherer Prozentsatz Irregeführter für die Anwendung von § 3 UWG erforderlich sein als in den Fällen einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben (BGH, Urt. v. 1.10.1986 – I ZR 126/84, GRUR 1987, 171, 172 = WRP 1987, 242 – Schlußverkaufswerbung; Urt. v. 21.2.1991 – I ZR 106/89 – Königl. Bayerische Weiße, zur Veröffentlichung bestimmt; Urt. v. 2.5.1991 – I ZR 256/89 – 40% weniger Fett, zur Veröffentlichung bestimmt). Außerdem ist es in diesen Fällen auch geboten, eine Interessenabwägung vorzunehmen und die Auswirkungen eines Verbots einer objektiv richtigen Aussage in die Erwägungen einzubeziehen (BGH-Schlußverkaufswerbung aaO).

Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf abgestellt, daß die Verwendung des Begriffs „Aquavit“ zur Kennzeichnung des trinkfertigen Produkts wie des Destillats branchenüblich ist und die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran hat, wie die Hersteller anderer Spirituosen bei dem Hinweis auf die Reifung des Produkts auch dessen branchenübliche Bezeichnung verwenden zu dürfen und nicht zwischen Destillat und trinkfertigem Endprodukt unterscheiden zu müssen. Da die Beklagte, wie das Berufungsgericht unbeanstandet festgestellt hat, sich an die Bezeichnungsgewohnheiten der Mitbewerber hält, werden schützenswerte Interessen der Mitbewerber durch die beanstandete Werbeaussage, dieser Aquavit habe die Äquatorlinie überschritten, nicht berührt.

Auch die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, die bei dem Verbraucher durch die objektiv richtige Verwendung des Begriffs „Aquavit“ geweckte Fehlvorstellung, das trinkfertige Produkt habe die Äquatorlinie überschritten, sei wettbewerbsrechtlich nicht schutzwürdig, erweist sich als rechtsfehlerfrei.

Soweit die Verbraucher mit ihrer Fehlvorstellung keine besondere Produkteigenschaft verbinden, sondern lediglich eine unrichtige Vorstellung von dem tatsächlichen Geschehensablauf bei der Reifung der Spirituose, liegt eine rechtlich beachtliche Irreführung über die Herstellungsart der Ware im Sinne des § 3 UWG schon deswegen nicht vor, weil eine solche Vorstellung nicht geeignet ist, den Kaufentschluß des Verbrauchers maßgeblich zu beeinflussen. Soweit die Verbraucher zugleich annehmen, das äquatorgereifte Fertigprodukt sei von besonderer Qualität, beruht diese irrtümliche Vorstellung auf der mangelnden Kenntnis, daß allein bei der Lagerung eines hochprozentigen Destillats, nicht aber bei einer solchen des Endprodukts eine Spirituose von höherer Qualität gewonnen wird.

Eine Werbeangabe aber, die wegen der Unkenntnis des Verbrauchers über die tatsächlichen Zusammenhänge des Herstellungsvorgangs zu einer Fehlvorstellung über eine mit dem Produktionsvorgang zusammenhängende qualitätsmäßige Beschaffenheit führt, verletzt keine schützenswerten Verbraucherinteressen, wenn sie – wie vorliegend – einen branchenüblichen Begriff verwendet und wenn die durch sie geweckte Qualitätserwartung nur durch den tatsächlichen Herstellungsvorgang, nicht aber durch einen fälschlich vorgestellten anderen erfüllt werden kann. In einem solchen Fall liegt auch keine – verwerfliche – Ausnutzung der Unkenntnis der Verbraucher zum eigenen Vorteil des Werbenden vor. Denn die Beklagte könnte durch den – etwas aufwendigeren – Transport des Endprodukts den Qualitätserwartungen des Verkehrs gerade nicht gerecht werden.

Von einer unredlichen Weckung der Kauflust, die nach der (unter 2b, aa) bereits zitierten Rechtsprechung den Grund dafür darstellt, daß irreführende Angaben auch dann nicht zulässig sind, wenn die angepriesene Ware den Qualitätsvorstellungen entspricht, kann somit unter diesen besonderen Umständen keine Rede sein.

III. Die Revision bleibt auch erfolglos, soweit sie sich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts wendet, der von dem Kläger gegen die neue Werbung in der zweiten Instanz zusätzlich erhobene Klageantrag sei mangels Sachdienlichkeit der Klageänderung unzulässig. Die Beurteilung der Sachdienlichkeit (§ 263 ZPO) ist im wesentlichen der Ermessensentscheidung des Tatrichters überlassen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts läßt einen Rechtsfehler bei der Ausübung seines Ermessens nicht erkennen. Der Hinweis der Revision, die neue Werbung sei im Kern mit der ursprünglichen, dem ersten Klageantrag unterfallenden Werbung identisch, beruht auf einer eigenen tatsächlichen Würdigung und vermag einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts nicht zu begründen. Der Kläger hat mit der Erhebung der erweiterten Klage vielmehr zu erkennen gegeben, daß diese Werbung als ein eigener, von dem bereits erhobenen Unterlassungsantrag nicht erfaßter Wettbewerbsverstoß zu beurteilen sei, da er ansonsten die Beanstandung der neuen Werbung dem Vollstreckungsverfahren (§ 890 ZPO) hätte überlassen können.