Zielfernrohr (BGH – I ZR 91/92)

Leitsatz

    Die Werbung mit einer unbefristeten, über 30 Jahre hinausreichenden Garantiezusage ist irreführend im Sinne des UWG § 3, weil eine dahingehende Verpflichtung gegen das Verbot des rechtsgeschäftlichen Ausschlusses der Verjährung verstößt und nicht wirksam eingegangen werden kann (BGB § 225 S 1).

BGH, Urt. v. 09.06.1994, KG Berlin, LG Berlin

 

Tatbestand

    Die Beklagte stellt Zielfernrohre in individueller Fertigung her und verkauft diese Geräte. Auf einem Blatt, das eine Beschreibung dieser Zielfernrohre enthält, gibt die Beklagte auf der Rückseite unter der Überschrift „Garantie“ folgende Erklärung ab:

    „Für das von Ihnen erworbene P. Zielfernrohr garantieren wir ohne jede zeitliche Einschränkung die volle Funktionsfähigkeit, sachgemäße Behandlung vorausgesetzt. Bei Fremdeingriffen jeder Art müssen wir die Garantie ablehnen. Ausgenommen Zielfernrohre, die nach Anbringung einer Lötmontage unverzüglich an uns zum Neufüllen mit Nitrogen und zur Überprüfung eingesandt werden (siehe Anleitung zur Lötmontage – Punkt 7).“

    Der Kläger, ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat diese Erklärung als Verstoß gegen die Zugabeverordnung und gegen die §§ 1 und 3 UWG beanstandet. Der Verkehr entnehme der Aussage, die Beklagte gewähre eine selbständige Garantie auch für Mängel, die beim Kauf der Geräte noch nicht vorhanden seien, aber durch normale Abnutzung aufträten. Die Aussage sei wertlos und enthalte irreführende Angaben über die Haltbarkeitsdauer der Zielfernrohre, die – wie jeder Gegenstand – einer normalen Abnutzung unterlägen, wobei insbesondere die Linse durch einen Luftaustritt im Innern des Gerätes beschlagen könne. Nach Ablauf von mehr als 30 oder 50 Jahren könnten die Eigentümer oder sonst Berechtigten auch die Voraussetzungen eines möglichen Garantieanspruchs gegenüber der Beklagten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr nachweisen.

    Der Kläger hat beantragt,

    die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

    im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für P. Zielfernrohre eine zeitlich unbefristete Garantie für die volle Funktionsfähigkeit des Produkts, sachgemäße Behandlung vorausgesetzt, auszuloben.

    Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Die von ihr gegebene Garantie erstrecke sich nur auf die Zusage einer vertragsgemäßen Qualität. Die Geräte blieben tatsächlich bei sachgemäßer Handhabung ohne zeitliche Einschränkung voll funktionstüchtig.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (KG WRP 1992, 564).

    Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 
Entscheidungsgründe

    I. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen die Zugabeverordnung verneint, weil die Beklagte nach dem eindeutigen Wortlaut der Erklärung nur die qualitative Vertragsgemäßheit der verkauften Zielfernrohre zusichere und keine weiteren Risiken auszuschalten verspreche.

    Die Erklärung der Beklagten sei auch nicht nach den §§ 1 und 3 UWG zu beanstanden. Von der Aussage gehe zwar eine nach diesen Vorschriften zu beurteilende Werbewirkung aus. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Aussage aber dahin, daß bei sachgemäßer Behandlung das Gerät für lange Zeit, mindestens für das Leben des Erwerbers sowie seiner Kinder und Kindeskinder, funktionstüchtig bleibe. Dafür, daß sie in dieser Erwartung durch in Wahrheit hierfür unzulängliche qualitative Voraussetzungen des Produkts von der Beklagten getäuscht würden, ergäben sich aus dem Vortrag des Klägers keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Zusage sei auch nicht rechtlich bedeutungslos, da sie der Sache nach keine Verjährungsregelung, sondern eine langfristige Zusicherung der Eigenschaft voller Funktionsfähigkeit enthalte. Bei der im Zusammenhang mit der bei Waffen üblichen sorgfältigen Verwahrung der Unterlagen bestünden für den Käufer oder dessen Erben auch keine die Garantiezusage der Beklagten entwertenden praktischen Schwierigkeiten bei der Geltendmachung möglicher Ansprüche.

    II. Die Revision hat Erfolg.

    1. Den Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach die Garantieerklärung der Beklagten keinen wettbewerbsrechtlichen Bedenken begegne, kann nicht zugestimmt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar eine langjährige Garantieübernahme aus wettbewerbsrechtlichen Gründen im allgemeinen nicht zu beanstanden, wenn sich die Gewährleistung auf die Haltbarkeit eines Materials oder Werks bezieht, das bei normaler Abnutzung eine entsprechend lange Lebensdauer besitzt und die Garantiezusage für den Vertragspartner nicht praktisch bedeutungslos ist (BGH, Urt. v. 26.9.1975 – I ZR 72/74, GRUR 1976, 146, 147 = WRP 1975, 735 – Kaminisolierung). Auf diese Rechtsprechung kann sich die Beklagte im Streitfall aber nicht berufen. Die von der Beklagten werbend herausgestellte unbefristete Garantiezusage ist irreführend (§ 3 UWG), weil eine dahingehende Verpflichtung gegen das Verbot des rechtsgeschäftlichen Ausschlusses der Verjährung verstößt und nicht wirksam eingegangen werden kann (§ 225 Satz 1 BGB).

    a) Die Aussage über die Unbefristetheit der Garantie, die die Beklagte gewähren will, erweckt bei den angesprochenen Kunden, wie das Berufungsgericht insoweit rechtsfehlerfrei festgestellt hat, den Eindruck, sie seien berechtigt, jederzeit, auch noch nach Ablauf von 30 Jahren, Gewährleistung verlangen zu können, wenn eine Störung in der Funktion des Gerätes eintritt. Den Kunden wird durch diese Aussage die Vorstellung vermittelt, die Beklagte könne sich bei sachgemäßer Behandlung des Geräts ohne irgendeine zeitliche Befristung einem Garantieverlangen rechtlich nicht entziehen. In dieser Annahme sieht sich jedoch der Verkehr getäuscht (§ 3 UWG). Die Beklagte kann weder sich selber noch etwaige Rechtsnachfolger wirksam verpflichten, auch noch nach Ablauf von 30 Jahren einem Garantieverlangen zu entsprechen.

    Nach § 225 Satz 1 BGB kann die Verjährung durch Rechtsgeschäft nicht ausgeschlossen werden. Grundsätzlich – von bestimmten gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – kann sie auch nicht erschwert, d.h. verlängert, werden. Mit dieser Regelung ist die angegriffene Garantiezusage nicht zu vereinbaren. Zwar ist sie nicht unmittelbar auf den Ausschluß oder eine Erschwerung der Verjährung gerichtet. Da sie jedoch ohne jede zeitliche Begrenzung, unbefristet, gelten soll, muß danach auch die Verjährung als ausgeschlossen gelten, weil andernfalls der Käufer eines Zielfernrohrs der Beklagten nicht in der Lage wäre, die unter die Garantie fallenden Mängel unbefristet geltend zu machen (vgl. RGZ 128, 211, 213). Eine solche Verpflichtung der Beklagten verstößt aber gegen das genannte Verbot des Ausschlusses oder der Erschwerung der Verjährung. Zwar können die Kaufvertragsparteien in Abweichung von § 225 Satz 1 BGB die Verjährungsfrist des § 477 Abs. 1 Satz 1 BGB ausnahmsweise verlängern (§ 477 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie können dies jedoch nur in den Grenzen des § 195 BGB, d.h. äußerstenfalls für die Dauer von 30 Jahren, nicht darüber hinaus. § 477 Abs. 1 Satz 2 BGB erlaubt nur ein Abweichen von der Regelung des Satzes 1 dieser Bestimmung, nicht von der des § 195 BGB (MünchKomm/Westermann, 2. Aufl., § 477 Rdn. 21; Soergel/Huber, 12. Aufl., § 477 Rdn. 53 m.w.N.).

    b) Eine rechtlich bindende unbefristete, über 30 Jahre hinausreichende Garantiezusage kann daher die Beklagte nicht geben. Stellt sie gleichwohl, wie vorliegend, eine solche Zusage werbend heraus, wird der Verkehr getäuscht. An der wettbewerbsrechtlichen Relevanz einer solchen Werbung besteht kein Zweifel.

    2. Nach den vorstehenden Ausführungen bedarf es keiner Erörterung mehr, ob den Ausführungen des Berufungsgerichts, die Garantieerklärung der Beklagten enthalte keine irreführenden Angaben über die Dauer der Funktionstüchtigkeit der Geräte, beigetreten werden könnte. Da ferner das ausgesprochene Verbot seine Grundlage bereits in § 3 UWG findet, bedarf es auch nicht mehr der Prüfung, ob die ausgelobte Garantie als eine verbotene Zugabe zu beanstanden gewesen wäre.

    III. Danach war auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil aufzuheben und auf die Berufung des Klägers in Abänderung des Urteils des Landgerichts die Beklagte entsprechend dem Klageantrag zu verurteilen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.