Ungarische Salami II (BGH – I ZR 108/80)

Zur Frage des notwendigen Abstandes zur Vermeidung des Fortwirkens einer vorangegangenen irreführenden Etikettierung.

Eine an sich nicht zu beanstandende Werbeangabe kann deshalb gegen UWG § 3 verstoßen, weil der Verkehr mit ihr die Erinnerung an frühere Werbemaßnahmen verbindet und auf diese Weise zu einer mit der Wirklichkeit nicht im Einklang stehenden Auffassung von dem Inhalt der späteren Werbung gelangt.

BGH, Urt. v. 24.06.1982, OLG München, LG München

 

 

Tatbestand

    Die Klägerin ist die staatliche ungarische Ausfuhrgesellschaft für Tier- und Agrarprodukte, u.a. auch für ungarische Salami. Die Beklagte vertreibt in Deutschland von ihr hergestellte Wursterzeugnisse. Wegen der Etikett- Ausgestaltung und Verpackung einer Salami „nach ungarischer Art“ der Beklagten kam es im Jahre 1976 zu einer außergerichtlichen Auseinandersetzung, die mit einer Vereinbarung vom 6. 7./30. 8. 1976 endete, in der es u.a. heißt: …“Die Firma H oHG verpflichtet sich, die Farbkombination der ungarischen Nationalfarben ab 1. 1. 1977 für die Etikettierung und Verpackung von Salami nicht mehr zu verwenden …“. Im Jahre 1977 kam es vor dem Landgericht München I zu einem Rechtsstreit zwischen den Parteien wegen eines Etiketts der Beklagten für Salami, insbesondere Pfeffersalami oder Paprikasalami, das wiederum die rot-weiß-grüne Farbkombination enthielt, jedoch ohne den Zusatz „nach ungarischer Art“. Die Beklagte vertrat dabei den Standpunkt, ihre vertragliche Unterlassungspflicht betreffe rot-weiß-grüne Ausstattungen lediglich im Zusammenhang mit dem Begriff „nach ungarischer Art“. Die Beklagte wurde unter Verwerfung dieses Einwandes rechtskräftig zur Unterlassung verurteilt, auch mit der Begründung, die Verwendung der Farbkombinationen sei irreführend im Sinne des § 3 UWG.

    Nunmehr benutzt die Beklagte das im übrigen unveränderte Etikett in der Weise, daß der weiße Mittelstreifen durch einen etwas schmaleren goldfarbenen in der Weise überlagert ist, daß nur je ein schmaler weißer Streifen,jeweils angrenzend an den oberen roten bzw. den unteren grünen, geblieben ist. Weiß geblieben ist ferner zwischen den roten und grünen Farbstreifen, die dort nach oben bzw. unten ausgewölbt sind, der Untergrund des dort auf der Schauseite angebrachten kreisrunden Warenzeichens der Beklagten. Die Klägerin sieht darin einen weiteren Verstoß gegen die Vereinbarung vom 6. 7./30. 8. 1976, sowie gegen Vorschriften des Wettbewerbs- und Lebensmittelrechts. Die Beklagte treffe insbesondere die Verpflichtung, nach vorangegangener irreführender Etikettierung einen besonders großen Abstand zu halten.

    Die Klägerin hat beantragt zu erkennen:

    I. Der Beklagten wird bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,–, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an einem der persönlich  haftenden Gesellschafter, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten, Salami, insbesondere Pfeffersalami, mit einem Etikett, das die ungarischen Nationalfarben „Rot-Weiß-Grün“ in der nachstehend abgebildeten Weise verwendet, feilzuhalten oder in Verkehr zu bringen:
    II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I durch Angabe der erzielten Umsätze und der für die Werbung aufgewendeten Kosten Auskunft zu erteilen.
    III. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I entstanden ist oder entstehen wird.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat die Ansicht vertreten, auf die Vereinbarung vom 6. 7. 1976 könne die Klage nicht gestützt werden; diese habe sich auf Salami „nach ungarischer Art“ bezogen, bei der die Farben „Rot-Weiß-Grün“ in streifenartiger Anordnung verwendet würden. Die neue Etikettierung unter Verwendung eines Goldstreifens enthalte keinen irreführenden Herkunftshinweis auf Ungarn. Die Farbkombination „Rot-Weiß- Grün“ werde vielfach für Wurstwaren deutscher Herkunft benutzt, „Rot-Weiß-Grün“ sei auch nicht nur die Flagge Ungarns.

    Das Landgericht hat nach den Klageanträgen erkannt und zur Begründung ausgeführt, für sich allein betrachtet möge das neue Etikett rechtlich nicht mehr zu beanstanden sein. Es sei jedoch unter dem Gesichtspunkt der Fortwirkung der früheren irreführenden Etikettierung als wettbewerbswidrig anzusehen. Denn mit dem jetzt verwendeten Etikett halte die Beklagte keinen genügenden Abstand von dem jahrelang verwendeten verbotenen Etikett.

    Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

    I. Das Berufungsgericht begründet die Verurteilung in erster Linie damit, daß die jetzige Etikettierung ebenfalls gegen die Unterlassungspflicht verstoße, die die Beklagte mit der Vereinbarung vom 6. 7./30. 8. 1976 übernommen habe. In der Hilfsbegründung führt es aus, die Unterlassungspflicht sei auch aus § 3 UWG begründet, weil die Schauseite wegen des weißen Untergrundes des Warenzeichens der Beklagten die Farbkombination „Rot-Weiß- Grün“ in einer Weise enthalte, die irreführend auf eine Herkunft der Ware aus Ungarn hindeute. Schließlich greife auch der Gesichtspunkt der Fortwirkung durch, weil die jetzige Etikettierung keinen hinreichenden Abstand von der rechtskräftig verbotenen Form halte.

    II. Die dagegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg.

    1. Ob der Anspruch bereits aus der vertraglich übernommenen Unterlassungspflicht folgt oder ob die gegen diese Beurteilung gerichteten Revisionsangriffe begründet sind, kann dahingestellt bleiben.

    2. Soweit das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt des § 3 UWG die Irreführungsgefahr deshalb bejaht hat, weil die Farbe weiß noch auf dem kreisförmigen Untergrund des Warenzeichens der Beklagten auf der Schauseite der Etikettierung erscheint, kann ihm nicht zugestimmt werden. In den vom Senat bereits entschiedenen Parallelsachen (darunter I ZR 162/79, GRUR 1981, 666 = WRP 1981, 518 – Ungarische Salami) ist aufgrund von Meinungsumfragen festgestellt worden, daß der Gesamteindruck der dort zur Beurteilung stehenden vergleichbaren Salamietikettierungen und Verpackungen durch die flaggenartigen Streifen beherrscht wird und daß diese Streifen bei rotweiß-grüner Farbgebung die Irreführungsgefahr begründen. Da im Streitfall hinsichtlich der Schauseite eine flaggenartige Verwendung der drei genannten Farben nicht vorliegt, könnte insoweit die Irreführungsgefahr nur bejaht werden, wenn die Farbkombination „Rot-Weiß-Grün“ auch in anderer Form, etwa wie hier in der Verbindung von Streifen mit einem weißen Kreis, vom Verkehr als Hinweis auf eine Herkunft aus Ungarn gewertet würde. Für eine solche Feststellung fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten, sie läßt sich jedenfalls nicht, wie das Berufungsgericht offenbar meint, mit der Lebenserfahrung begründen. Im Streitfall stünde dem zusätzlich entgegen, daß die Farbgebung, soweit sie flaggenartig erfolgt, durch die weitgehende Überlagerung des weißen Mittelstreifens durch einen goldfarbenen Streifen dem Eindruck entgegenwirkt, es werde durch den Zusammenhang der roten und grünen Streifen mit dem kreisförmigen weißen Untergrund des Warenzeichens auf eine Warenherkunft aus Ungarn hingewiesen.

    3. Es enthält aber keinen Rechtsfehler, wenn das Berufungsgericht ausführt, die Unterlassungspflicht ergebe sich jedenfalls aus dem Gesichtspunkt, daß die jetzige Form nicht hinreichend von der früher verwendeten und durch Urteil des Landgerichts München I vom 27. 7. 1977 verbotenen Aufmachung abweiche und deshalb die fortwirkende Erinnerung an die frühere irreführende Form auch die abgeänderte noch als Hinweis auf eine Herkunft aus Ungarn verstehen lasse.

    a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist anerkannt, daß eine an sich nicht zu beanstandende Werbeangabe deshalb gegen § 3 UWG verstoßen kann, weil der Verkehr mit ihr die Erinnerung an frühere Werbemaßnahmen verbindet und auf diese Weise zu einer mit der Wirklichkeit nicht im Einklang stehenden Auffassung von dem Inhalt der späteren Werbung gelangt (vgl. z.B. BGH GRUR 1965, 368, 372 = WRP 1965, 148 – Kaffee C; BGH GRUR 1958, 86, 88 = WRP 1957, 361 – Ei-fein). Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die frühere Werbung, die das Landgericht durch Urteil vom 27. 7. 1977 verboten hatte, irreführend war. Das Berufungsgericht hat sich dazu zwar lediglich auf die Begründung des landgerichtlichen Urteils bezogen, diese Bezugnahme hält sich aber entgegen der auf § 551 Ziff. 7 ZPO gestützten Rüge der Revision noch im Rahmen des § 543 ZPO.

    Das Landgericht hat insoweit festgestellt, daß diese Farbgebung in der konkreten Ausgestaltung, wie sie Gegenstand des Urteils vom 27. 7. 1977 war (flaggenartige Streifengebung), von einem beachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise als Hinweis auf die Herkunft aus bekanntermaßen Salami produzierenden Ländern, nämlich Ungarn oder Italien, aufgefaßt werde, und es hatte sich dazu zulässig auf das in der Parallelsache 7 HK 0 16719/77 Landgericht München I (Terimpex ./. Vogt und Wolf) eingeholte Infra-Test-Gutachten bezogen. Die dagegen gerichteten Einwendungen der Revision hat der Senats bereits in dem den Parteien bekannten und zwischenzeitlich veröffentlichten Urteil vom 10. April 1981 – I ZR 162/79 (GRUR 1981, 666 = WRP 1981, 518 – Ungarische Salami) erörtert und für unbegründet erachtet. Da die Revision im vorliegenden Verfahren sich insoweit lediglich auf die Revisionsbegründung in jenem Verfahren bezogen hat, genügt es hier, dazu auf die veröffentlichten Entscheidungsgründe des Parallelverfahrens hinzuweisen.

    In dem Urteil des Landgerichts ist weiter tatrichterlich festgestellt worden, daß die Beklagte jahrelang, mindestens bis zum Landgerichtsurteil vom 27. 7. 1977, die irreführenden Etiketten mit der flaggenartigen Streifengebung „Rot-Weiß-Grün“ verwendet hat. Es sei davon auszugehen, daß die Erinnerung an diese Etiketten im Publikum fortwirke. Das jetzt umstrittene Etikett der Beklagten weiche von den irreführenden nur durch die Einfügung eines Goldstreifens im Rahmen des weißen Mittelstreifens ab. Für sich allein betrachtet möge dieses Etikett rechtlich nicht mehr zu beanstanden sein. Der Abstand von dem früheren irreführenden Etikett erscheine aber nicht als ausreichend, um eine Irreführung des Verkehrs unter dem Gesichtspunkt der Fortwirkung auszuschließen; zumal im Herzstück (Schauseite) gar keine Abweichung bestehe und der Goldstreifen zumindest bei ungünstiger Beleuchtung leicht von dem flüchtigen Betrachter, auf den seine bewußte oder unbewußte Erinnerung an das alte Etikett einwirke, als Weißstreifen angesehen werde.

    b) Diese Beurteilung kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Dem Hinweis auf ungünstige Beleuchtungsverhältnisse, die den goldfarbenen Streifen als weiß erscheinen lassen könnten, kann zwar keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen. Die Vorinstanzen durften aber unter dem Gesichtspunkt der Fortwirkung berücksichtigen, daß die Schauseite unverändert und daß die Farbgebung weiterhin flaggenartig ausgestaltet geblieben ist. Als bedeutsam für die Frage der Fortwirkung hätte das Berufungsgericht auch noch hervorheben können, daß in der Verletzungsform der frühere weiße Mittelstreifen jedenfalls in der weißen Einrahmung des goldfarbenen Streifens erhalten geblieben ist und so die Fortdauer der irrigen Herkunftsvorstellung bewirken kann.

    Soweit die Revision demgegenüber geltend macht, die beiden Etiketten wichen im Gesamteindruck völlig voneinander ab, versucht sie in revisionsrechtlich unzulässiger Weise die tatrichterliche Würdigung durch eine eigene abweichende zu ersetzen. Es kann danach nicht als rechtsfehlerhaft angesehen werden, wenn die Vorinstanzen festgestellt haben, daß der Abstand zur früheren irreführenden Aufmachung nicht so groß ist, daß ein Fortwirken der Irreführung im Sinne der genannten Grundsätze verneint werden kann.

    Schließlich ist entgegen der Ansicht der Revision auch unter dem Gesichtspunkt des Zeitablaufs unter den Umständen des vorliegenden Falls eine andere Beurteilung nicht geboten (vgl. BGH GRUR 1958, 85, 86, 89 = WRP 1957, 361 – Ei-fein).

    III. Da die angefochtene Entscheidung auch hinsichtlich der Bejahung des Schadensfeststellungs- und des Auskunftsanspruchs zu rechtlichen Bedenken keinen Anlaß gibt, war die Revision zurückzuweisen.