Ski-Auslaufmodelle (BGH – I ZR 164/79)

Leitsatz

Zur Frage, ob Ski-Auslaufmodelle als solche ausdrücklich kenntlich gemacht werden müssen.

 

Orientierungssatz

Ein gesicherter Erfahrungssatz über eine Verkehrsauffassung dahingehend, daß bei Skiern geringfügige Modelländerungen für die wirtschaftliche Entschließung der Interessenten unwesentlich sind, besteht nicht.

 BGH, Urt. v. 06.11.1981, LG Düsseldorf

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 19. September 1979 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen war.


Tatbestand

    Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein zur Bekämpfung von Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Die Beklagte betreibt Warenhäuser, so auch in Düsseldorf. Sie führt in ihren Sportabteilungen Markenskimodelle, u.a. solche aus der Produktion der Firmen F und R.

    Die Beklagte bot vom Sommer 1978 bis in den Winter hinein das Modell „F-Glas“ aus der Produktion der Firma F zum Preise von 100,– DM (ohne Bindung) an. Dieses Modell wurde seit dem Ende der Wintersaison 1976/77 nicht mehr hergestellt. Während der Modell-Laufzeit hatte die Beklagte es zum Preis von 198,– DM (ohne Bindung) angeboten.

    Ferner bot die Beklagte zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung in diesem Rechtsstreit das Modell „A“, C-Ski, A-Modell aus der Produktion der Firma R zum Preis von 100,– DM (ohne Bindung) an. Dieses Modell wurde zwar vom Hersteller weiterhin, auch unter dieser Bezeichnung, angeboten, jedoch mit verändertem Design. Die frühere, jetzt verbilligt angebotene Ausführung hatte die Beklagte während der Modell-Laufzeit zum Preis von DM 259,– (ohne Bindung) vertrieben.

    Der Kläger hat unter Berufung auf § 3 UWG die Ansicht vertreten, die Beklagte müsse bei Markenskiern, die sie in ihren Fachabteilungen verkaufsbereit aufstelle und die von den Herstellern augenblicklich nicht mehr produziert und nicht mehr in der Herstellerkollektion geführt würden, hervorheben, daß es sich um nicht mehr hergestellte Artikel (Auslaufmodelle) handele, und zwar gleichgültig, ob die jeweiligen Nachfolgemodelle konstruktiv oder nur im Design geändert worden seien. Die Beklagte müsse darauf beim Verkaufsgespräch von sich aus hinweisen, ohne von dem Kunden danach gefragt zu werden.

    Der Kläger hat beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung
    eines vom Gericht für jeden Fall einer zukünftigen
    Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes
    bis zu 500.000,– DM zu unterlassen, im geschäftlichen
    Verkehr Markenskimodelle, insbesondere
    solche der Firmen F und R er, die vom
    Hersteller nicht mehr produziert und nicht mehr
    in der Kollektion geführt werden, ohne geeigneten
    Hinweis auf diesen Umstand anzubieten.

    Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei dazu nicht verpflichtet. Zwar könnten beide Modelle als „Auslauf- Ski“ bezeichnet werden, es handele sich aber um verschiedene Sachverhalte: Ein Nachfolgemodell für das Modell „F-Glas“ gebe es in der Kollektion 1978/79 nicht. Sie habe allerdings den „F 70“ im Winter 1978/79 angeboten, der dem Modell „F-Glas“ sehr nahe komme; das Modell „A S“ werde unter gleicher Bezeichnung im wesentlichen unverändert auch in der Kollektion 1978/79 weitergeführt, lediglich die Beschriftung sei in Farbe und Schriftform geändert worden. Ein Hinweis sei nicht erforderlich, weil den Verbrauchern bekannt sei, daß die Modelle bei Skiern häufig wechselten. Im übrigen erkenne der Verbraucher schon aus den außergewöhnlichen Preisen, daß solche Modelle aus der Kollektion ausgeschieden seien. Zumindest müsse aber zwischen den Fällen der Modellaufgabe und wesentlichen technischen Änderungen einerseits sowie denjenigen unwesentlicher Modifikationen, insbesondere modischer Art, unterschieden werden.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Sprungrevision eingelegt, mit der der Klageantrag weiterverfolgt wird. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

    I. Das Landgericht begründet die Klageabweisung wie folgt: Die genannten Skimodelle seien technisch nur unerheblich geändert worden (F-Glas) bzw. nur geringfügig im Design verändert (R er, A). Unter solchen Umständen bestehe keine Pflicht für die Beklagte, ungefragt und von sich aus einen Hinweis darauf zu geben, daß es sich um Auslaufmodelle handele. Denn eine irreführende Werbung durch Verschweigen von Angaben liege nur dann vor, wenn auf Seiten der Beklagten eine Aufklärungspflicht bestehe. Diese bestehe nicht in jedem Falle, wenn dem Kunden verschwiegen werde, daß ein im Ladengeschäft angebotener Ski nicht mehr in der Herstellerkollektion geführt werde; so jedenfalls nicht, wenn bewährte Modelle nur geringfügig verändert würden, etwa wenn die Konstruktion des Brettes, der Kanten und des Belages beibehalten und nur die Breite geringfügig abgeändert oder gar nur das Design geändert werde. Denn es sei für den Käufer regelmäßig ohne Bedeutung, ob er einen Ski der alten, nicht mehr produzierten Art oder den technisch kaum abweichenden Ski aus der neuesten Produktion erhalte. Lege der Käufer gleichwohl Wert darauf, in jedem Fall und ohne Rücksicht auf bemerkbare technische und modische Änderungen das neueste Modell zu erstehen, müsse es ihm überlassen bleiben, auch aufmerksam gemacht durch die extreme Preiswürdigkeit im Vergleich zu den laufenden Modellen, sich durch Fragen an den Verkäufer die gewünschte Aufklärung zu verschaffen.

    Eine übersteigerte Aufklärungspflicht liege nicht im Interesse der Allgemeinheit. Sie würde dazu führen, daß der Skieinzelhändler bei jeder bevorstehenden, sei es noch so geringfügigen Änderung des Skis in der Technik oder im Styling gezwungen wäre, den Bestand eines solchen Skis zu verschleudern; denn da es nahezu undenkbar sei, die vorgenommene Änderung unter Verdeutlichung ihrer Geringfügigkeit in der für Werbeaussagen gebotenen Kürze und Prägnanz so zu konkretisieren, daß sie vom Verbraucher nicht überbewertet werde, werde der schon in der Anpreisung als Auslaufmodell bezeichnete Ski ohne merklichen Preisnachlaß nahezu unverkäuflich. Zugleich ergebe sich für den Skieinzelhändler die Notwendigkeit, neue Modelle einzukaufen. Das führe allenfalls zu ungerechtfertigten Vorteilen der Herstellerfirmen und reize diese dazu an, die Modellbezeichnungen selbst bei ganz unbedeutenden Abänderungen eines Modells zu wechseln. Ein Verschleudern von Auslaufmodellen und die Notwendigkeit der Auffüllung des Lagers mit neuen Skiern würde sich auf den Preis des Skis beim Einzelhändler zum Nachteil der Käufer niederschlagen.

    Die dagegen gerichtete Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

    II. Der Klageantrag ist entsprechend seinem Wortlaut dahin zu verstehen, daß die Beklagte es ganz allgemein unterlassen soll, Markenskier, die vom Hersteller nicht mehr produziert und nicht mehr in der Kollektion geführt werden, also Auslaufmodelle, ohne Hinweis auf diesen Umstand anzubieten. Soweit sich der Antrag dazu auf Modelle der Firmen F und R bezieht, handelt es sich nach der Antragsfassung („insbesondere“) lediglich um Beispielsfälle. Danach kommt es im Streitfall in erster Linie darauf an, ob ganz allgemein beim Angebot von Auslaufmodellen eine solche Hinweispflicht besteht. Erst wenn dies zu verneinen ist, stellt sich, was hier nicht entschieden werden muß, unter dem Gesichtspunkt des Minus oder des Hilfsantrages, die vom Landgericht in den Vordergrund gestellte Frage, ob eine solche Hinweispflicht etwa bei den Modellen „F Glas“ bzw. „A“ besteht.

    Soweit das Landgericht ausführt, eine solche Pflicht bestehe bei Auslaufmodellen nicht allgemein, insbesondere nicht bei Änderungen, die als geringfügig zu bezeichnen seien, fehlt es an einer hinreichenden Entscheidungsgrundlage.

    Das Verschweigen einer Tatsache, wie derjenigen, daß es sich um ein Auslaufmodell handele, kann allerdings nur dann als eine irreführende Angabe im Sinne des § 3 UWG angesehen werden, wenn den Werbenden eine Aufklärungspflicht trifft (vgl. BGH GRUR 1952, 416, 417 – Dauerdose; GRUR 1958, 30, 31 – Außenleuchte; GRUR 1973, 206, 207 – Skibindungen m.w.N.). Eine solche Pflicht, sofern sie nicht schon aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem Tun begründet ist, besteht im Wettbewerb für den Werbenden nicht schlechthin hinsichtlich aller Eigenschaften der Ware, die etwa als weniger vorteilhaft angesehen werden könnten. Sie ist jedoch zu bejahen, wenn die verschwiegene Tatsache nach der Auffassung des Publikums wesentlich, also den Kaufentschluß zu beeinflussen geeignet ist (aaO – Skibindungen Seite 207). Der vom Landgericht ohne Beweiserhebung als Verkehrsauffassung zugrundegelegte Satz, bei Skiern seien geringfügige Modelländerungen für die wirtschaftliche Entschließung der Interessenten unwesentlich, erscheint nicht hinreichend gesichert. So hat jedenfalls das Oberlandesgericht München (WRP 1977, 279 und WRP 1979, 157) die Ansicht vertreten, wesentlich sei für den Kaufinteressenten auch schon die Kenntnis von der Tatsache des Modellwechsels an sich, jedenfalls dann, wenn die äußere Aufmachung verändert worden sei. Dort ist auch darauf hingewiesen worden, daß gerichtsbekannt in der Sportartikelbranche die Übung bestehe, nicht mehr in gleicher Aufmachung hergestellte Skier als Auslaufmodelle zu kennzeichnen und daß das Publikum an diese Hinweise bereits gewöhnt sei. Eine solche Hinweis-Praxis würde darauf hindeuten, daß es für das Publikum entgegen der Ansicht des Landgerichts bereits wesentlich ist, ob das Modell noch hergestellt und in der Herstellerkollektion geführt wird, gleichgültig, ob die Modelländerung geringfügig ist oder nicht. Im Streitfall muß insoweit auch zu Bedenken Anlaß geben, daß die Beklagte den Atomic- Ski zum Preis von nur 100,– DM angeboten hat, obwohl das Nachfragemodell lediglich im Design verändert worden ist. Diese Preisherabsetzung wäre nicht ohne weiteres verständlich, wenn die Feststellung des Landgerichts zuträfe, daß andere als technische Änderungen für die Käufer regelmäßig ohne Bedeutung seien. Allerdings hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (WRP 1976, 474) angenommen, für den Kaufentschluß sei es nicht schlechthin entscheidend, ob ein angebotener Ski noch in der geltenden Preisliste des Herstellers erscheine oder nicht. Nur wenn verschwiegen werde, daß der nicht mehr aufgeführte Ski in seiner technischen Beschaffenheit veraltet und durch die Entwicklung entscheidend überholt sei, bestehe eine Hinweispflicht. Ähnlich hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem Verfügungsverfahren als ihm nicht bekannt, auch nicht glaubhaft gemacht, angesehen, daß der Verbraucher einen solchen Hinweis erwarte oder daß dieser in der Branche üblich sei (WRP 1977, 802). Angesichts solcher unterschiedlicher Auffassungen, die sämtlich nicht auf Beweiserhebung beruhten, kann im Streitfall jedenfalls nicht von einem gesicherten Erfahrungssatz über die Verkehrsauffassung ausgegangen werden. Das angefochtene Urteil war daher mangels zureichender Feststellung aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen.

    Zweckmäßig wird das Landgericht dabei zunächst die Klägerin zur Klarstellung auffordern, ob das beantragte Verbot sich, wie es angenommen hat, lediglich auf die beiden genannten Modelle oder ob es, wie hier zugrundegelegt, sich schlechthin auf das Angebot nicht mehr in der Herstellerkollektion geführter Modelle beziehen soll, gegebenenfalls ob ersteres als Hilfsantrag verfolgt werden soll. Soweit es um die konkrete Verletzungsform geht, wird festzustellen sein, ob die Kenntnis vom Verkehr als wesentlich für den Kaufentschluß angesehen wird. In diesem Falle wäre auch zu ermitteln, ob bereits die Preisherabsetzung auf je DM 100,– im Streitfall als Hinweis auf die Eigenschaft als Auslaufmodell aufgefaßt wird. Das Landgericht stellt dazu lediglich fest, dieser Preis errege Aufmerksamkeit, weil er im Vergleich zu laufenden Modellen sehr niedrig sei. Auffallende Preisunterschiede können allerdings für denjenigen, der die Üblichkeit von Modellwechseln kennt, bereits ein ausreichender Hinweis auf den Charakter als Auslaufmodell darstellen. Doch kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß eine solche Preisherabsetzung als Hinweis auf ein Auslaufmodell bereits hinreichend bekannt ist. Jedenfalls wenn davon ausgegangen werden müßte, daß es im Einzelhandel weithin üblich ist, Auslaufmodelle als solche oder als Restposten und ähnliches zu bezeichnen – was auch zur Hauptfrage festzustellen ist -, würde das Fehlen eines solchen Hinweises das Niedrigpreisangebot nur als solches, nicht aber als Hinweis auf die Eigenschaft als Auslaufmodell erscheinen lassen.

    III. Die Erwägung des Landgerichts, ein solcher Hinweis werde zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Abwertung des Produktes führen und liege weder im Interesse der Händler noch der Verbraucher, verkennt die Voraussetzungen des § 3 UWG. Diese Vorschrift bezweckt den Schutz der Mitbewerber und des Publikums vor Irreführungen. Ob dazu etwa gebotene Hinweise in der Werbung für einzelne Wirtschaftsgruppen wirtschaftlich zweckmäßig sind und ob die Ansprüche und Erwartungen des Publikums als sinnvoll zu betrachten sind, unterliegt bei Anwendung dieser Vorschrift grundsätzlich nicht der Beurteilung der Gerichte. Im übrigen begegnen die dazu vom Landgericht angestellten Erwägungen auch sachlichen Bedenken, deren Erörterung aber nach der Rechtslage nicht geboten ist.