Leitsatz
Von einer zulässigen unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers ist nicht auszugehen, wenn ein Hersteller an einen beschränkten Kreis von Händlern Sondermodelle zu einem besonderen Preis vertreibt.
BGH, Urt. v. 14.11.2002, OLG Koblenz, LG Mainz
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. Mai 2000 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen im Kostenpunkt und in dem Umfang aufgehoben, der sich aus der nachstehenden Neufassung des Berufungsurteils ergibt:
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin wird das Urteil der 10. Zivilkammer – 3. Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Mainz vom 20. Januar 1998 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und der weitergehenden Anschlußberufung in dem aus der nachfolgenden Verurteilung der Beklagten ersichtlichen Umfang geändert:
1. Die Beklagte wird unter Beibehaltung der Androhung der Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken gegenüber dem letzten Verbraucher Markenartikel der Unterhaltungselektronik und des Sortiments der Haushaltsgeräte unter Angabe einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers (UVP) zu bewerben, die überhaupt nicht bzw. nicht oder nicht mehr in der angegebenen Höhe besteht, insbesondere wie geschehen in der Werbung der „A. Zeitung“ vom 26. März 1997 für Radiorecorder, in den Werbebeilagen zum „M.“ und zur „R. Zeitung“ vom 21. Juli 1997 für Waschmaschinen und in der Anzeigenbeilage der „W. Zeitung“ vom 30. Juli 1997 für Kühlautomaten.
2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin all denjenigen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Werbung in der „A. Zeitung“ vom 26. März 1997 für Radiorecorder, in den Werbebeilagen zum „M.“ und zur „R. Zeitung“ vom 21. Juli 1997 für Waschmaschinen und in der Anzeigenbeilage der „W. Zeitung“ vom 30. Juli 1997 für Kühlautomaten entstanden ist und noch entstehen wird.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber im Einzelhandel u.a. mit Elektronik- und Elektrogeräten. Die Beklagte bot in einer Beilage zur Ausgabe der „A. Zeitung“ vom 26. März 1997 einen Radiorecorder der Marke „Sony“ unter Hinweis auf eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers von 299,– DM zu einem Preis von 144,– DM an. Tatsächlich betrug die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers zu diesem Zeitpunkt 229,– DM.
In Anzeigenbeilagen der Zeitung „M.“ und der „R. Zeitung“ vom 21. Juli 1997 warb die Beklagte für eine Waschmaschine der Marke Bauknecht mit einem Preis von 999,– DM und in einer Beilage zur „W. Zeitung“ vom 30. Juli 1997 für einen Kühlautomaten desselben Herstellers mit einem Preis von 498,– DM. Die unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers gab die Beklagte in den Anzeigen mit 1.639,– DM (Waschmaschine) und 749,– DM (Kühlautomat) an.
Die Klägerin hat die Werbung als irreführend beanstandet. Sie hat geltend gemacht, bei der Waschmaschine und dem Kühlautomaten habe es sich um Sondermodelle für Großmärkte gehandelt, die nicht an den Elektrofachhandel abgegeben worden seien und für die keine unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers bestanden hätten.
Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken gegenüber dem letzten Verbraucher Markenartikel unter Angabe einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers (UVP) zu bewerben, die nicht oder nicht mehr in der angegebenen Höhe bestehe, insbesondere wie geschehen in der Werbung in der „A. Zeitung“ vom 26. März 1997,
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer 1 genannte Wettbewerbshandlung entstanden sei oder künftig noch entstehe,
3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, wann und wie oft sie seit dem 26. März 1997 mit fehlerhaften UVP geworben habe, aufzuschlüsseln nach Werbedatum, Werbemedium und Auflagenhöhe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, jedoch nicht, soweit die Klägerin die Werbung mit der unrichtigen Preisempfehlung des Herstellers für den Radiorecorder von „Sony“ beanstandet hat. Sie hat vorgetragen, für die beworbene Waschmaschine und den Kühlautomaten hätten die von ihr angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers bestanden.
Das Landgericht hat der Klage insgesamt stattgegeben.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte beantragt,
die landgerichtliche Entscheidung teilweise abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen, als die zugesprochenen Unterlassungs-, Schadensersatzfeststellungs- und Auskunftsansprüche über Radiorecorder hinausgehen.
Die Klägerin, die der Berufung der Beklagten entgegengetreten ist, hat im Wege der Anschlußberufung beantragt,
unter Aufrechterhaltung der Ordnungsmittelandrohung der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken gegenüber dem letzten Verbraucher Markenartikel ihres Sortiments unter Angabe einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers (UVP) zu bewerben, die überhaupt nicht bzw. nicht oder nicht mehr in der angegebenen Höhe bestehe, insbesondere wie geschehen in der Werbung in der „A. Zeitung“ vom 26. März 1997 für Radiorecorder, in der Werbebeilage zum „M.“ und zur „R. Zeitung“ vom 21. Juli 1997 für Waschmaschinen und in der Anzeigenbeilage der „W. Zeitung“ vom 30. Juli 1997 für Kühlautomaten.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte – unter Zurückweisung der Berufung – nach dem von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten Antrag verurteilt.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter, soweit nicht Radiorecorder betroffen sind.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
Der Unterlassungsanspruch sei, auch soweit er nicht auf einen Verstoß bei der Werbung für Radiorecorder beschränkt sei, sondern sich allgemein auf Markenartikel erstrecke, aus § 3 UWG gerechtfertigt. Der Beklagten falle bei der beanstandeten Werbung für die Waschmaschine und den Kühlautomaten eine Irreführung des Verkehrs zur Last. Eine zulässige unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers habe zum Zeitpunkt der Werbung nicht bestanden. Die Werbung sei daher geeignet gewesen, die Verbraucher in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise irrezuführen. Aus der zeitlichen Nähe der Verstöße ergebe sich, daß die Beklagte planmäßig mit nicht oder nicht mehr bestehenden Preisempfehlungen geworben habe. Die angegriffene Werbung habe sich auf wesentliche Teile des Sortiments der Beklagten bezogen. Dies rechtfertige es, die Verurteilung auf sämtliche Markenartikel zu erstrecken.
II. Die Revision hat teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage, soweit die Beklagte über Artikel der Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte hinaus zur Unterlassung verurteilt worden ist. Im übrigen (soweit Artikel der Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte betroffen sind) bleibt es bei dem vom Berufungsgericht ausgesprochenen Unterlassungsgebot. Die Anträge auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sind nur insoweit begründet, als sie sich auf die konkreten Verletzungshandlungen beziehen.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß der Klägerin ein Anspruch nach § 3 UWG gegen die Beklagte zusteht. Die angegriffene Werbung mit unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers ist als irreführend zu beanstanden.
a) Die Bezugnahme auf eine kartellrechtlich zulässige (§ 38a GWB a.F. = § 23 GWB n.F.) unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers ist auch wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig. Sie ist dann als irreführend anzusehen, wenn nicht klargestellt wird, daß es sich bei der Herstellerempfehlung um eine unverbindliche Preisempfehlung handelt, wenn die Empfehlung nicht auf der Grundlage einer ernsthaften Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis ermittelt worden ist oder wenn der vom Hersteller empfohlene Preis im Zeitpunkt der Bezugnahme nicht als Verbraucherpreis in Betracht kommt (st. Rspr.; BGH, Urt. v. 15.9.1999 – I ZR 131/97, GRUR 2000, 436, 437 = WRP 2000, 383 – Ehemalige Herstellerpreisempfehlung, m.w.N.).
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, bei den vom Hersteller für die Waschmaschine und den Kühlautomaten angegebenen Preisempfehlungen handele es sich nicht um angemessene Verkaufspreise, die aufgrund ernsthafter Kalkulation ermittelt worden seien. Es habe sich bei den beworbenen Geräten nach der von der Beklagten vorgelegten „Basisliste Sonderprogramm Standgeräte von Bauknecht“ um Sondermodelle gehandelt, die anscheinend nur an die M.- und S.-Gesellschaften ausgeliefert worden seien. Die Beklagte habe auch nicht näher dargetan, daß es sich bei den in dieser Liste mit „u.V.P.“ bezeichneten Gerätepreisen um solche gehandelt habe, die dem von der Mehrheit der Empfänger voraussichtlich geforderten Preis entsprochen hätten.
aa) Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar trägt grundsätzlich die Klägerin die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß die angegriffenen Angaben über geschäftliche Verhältnisse geeignet sind, die betroffenen Verbraucher irrezuführen (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.2000 – I ZR 239/97, GRUR 2000, 820, 822 = WRP 2000, 724 – Space Fidelity Peep-Show). Gleichwohl hält die Feststellung des Berufungsgerichts, die unverbindliche Preisempfehlung sei nicht aufgrund ernsthafter Kalkulation ermittelt worden, im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
bb) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts handelte es sich bei den von der Beklagten beworbenen Artikeln um Sondermodelle. Diese wurden nach dem Vortrag der Parteien nur einem beschränkten Kreis von Großabnehmern angeboten. Dies belegt auch die von der Beklagten in den Prozeß eingeführte mit „Sonderprogramm Standgeräte von Bauknecht“ bezeichnete Preisliste. In Anbetracht des nur beschränkten Abnehmerkreises der beworbenen Sondermodelle konnte das Berufungsgericht davon ausgehen, die unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers beruhten nicht auf einer ernsthaften Kalkulation durchschnittlicher Verkaufspreise. Von einer zulässigen unverbindlichen Preisempfehlung i.S. des § 23 GWB n.F. kann nur ausgegangen werden, wenn die unverbindliche Preisempfehlung in der Erwartung ausgesprochen wird, der empfohlene Preis entspreche dem von der Mehrheit der Empfehlungsempfänger voraussichtlich geforderten Preis. Zu den Adressaten der unverbindlichen Preisempfehlung rechnen danach grundsätzlich sämtliche Marktteilnehmer und nicht nur ein beschränkter Händlerkreis. Denn die Verbraucher erwarten von der Werbung mit einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers eine sachgerechte Orientierungshilfe für die Preisüberlegungen und nicht nur eine Möglichkeit für den Händler zu einer attraktiven Preiswerbung (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2001 – I ZR 121/99, GRUR 2002, 95, 96 = WRP 2001, 1300 – Preisempfehlung bei Alleinvertrieb). Diese Funktion der unverbindlichen Preisempfehlung wird nicht erfüllt, wenn – wie im Streitfall – ein Hersteller an einen beschränkten Kreis von Händlern Sondermodelle zu einem besonderen Preis vertreibt.
Die Irreführung ist auch wettbewerbsrechtlich relevant, weil sie geeignet ist, die wirtschaftliche Entschließung der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen (vgl. BGH GRUR 2000, 436, 438 – Ehemalige Herstellerpreisempfehlung).
2. Mit Recht wendet sich die Revision aber dagegen, daß das Berufungsgericht das Unterlassungsgebot auf sämtliche Markenartikel der Beklagten ausgedehnt hat. Zwar sind gewisse Verallgemeinerungen zulässig, sofern in ihnen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Die durch eine Verletzungshandlung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr beschränkt sich nicht allein auf die genau identische Verletzungsform, sondern umfaßt alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (vgl. BGH, Urt. v. 9.5.1996 – I ZR 107/94, GRUR 1996, 800, 802 = WRP 1996, 899 – EDV-Geräte; BGH GRUR 2000, 436, 437 – Ehemalige Herstellerpreisempfehlung). Die Werbung der Beklagten mit unzutreffenden unverbindlichen Preisempfehlungen für einen Radiorecorder, eine Waschmaschine und einen Kühlautomaten begründet danach die Annahme der Wiederholungsgefahr für Artikel der Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte. Auf diese ist – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – das Unterlassungsgebot jedoch zu beschränken. Die konkreten Verletzungshandlungen der Beklagten vermögen nicht eine Wiederholungsgefahr für sämtliche von ihr vertriebenen Markenartikel zu begründen (vgl. BGH GRUR 1996, 800, 802 – EDV-Geräte).
3. Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung und der Auskunftsanspruch sind nur insoweit begründet, als sie sich auf die konkret beanstandete Werbung beziehen.
a) Der Schadensersatzanspruch nach §§ 3, 13 Abs. 6 Nr. 1 UWG beruht auf der Werbung mit – unzulässigen – Herstellerpreisempfehlungen für den Radiorecorder, die Waschmaschine und den Kühlautomaten in den Werbebeilagen vom 26. März sowie 21. und 30. Juli 1997. Dagegen kann die Klägerin keine Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung in der von ihr beantragten umfassenden Form verlangen. Ohne Anführung weiterer Verstöße – an der es vorliegend fehlt – ist die Wahrscheinlichkeit eines weitergehenden Schadenseintritts nicht dargelegt.
b) Auch der Auskunftsanspruch ist im Streitfall auf die konkret angeführten Wettbewerbsverstöße zu beschränken. Denn ein Anspruch auf Auskunftserteilung darüber, ob der Verletzer ähnliche Handlungen begangen hat, die neue Schadensersatzansprüche rechtfertigen könnten, besteht nicht (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 910 = WRP 2000, 1258 – Filialleiterfehler, m.w.N.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 38 Rdn. 7). Die Klägerin kann daher im Rahmen ihres Antrags nur Auskunft darüber beanspruchen, in welcher Auflagenhöhe die in Rede stehenden Werbebeilagen mit der beanstandeten Werbung erschienen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.