Leitsatz
1. Zum Schutz geographischer Herkunftsbezeichnungen.
2. Einem Unternehmensverband kann nicht die Befugnis zugebilligt werden, allgemeinverbindlich über die Verwendung einer geographischen Herkunftsbezeichnung zu bestimmen.
BGH, Urt. v. 22.05.1970
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15. November 1968 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Beide Parteien stellen helles, obergäriges Bier nach der Art des in Köln und Umgebung seit langem bekannten „Kölsch“ her, das als eine Kölner Spezialität mit besonderen Geschmacks- und Bekömmlichkeitseigenschaften gilt. Als obergärig wird es deshalb bezeichnet, weil die Hefe – bei warmer Gärung – an die Oberfläche steigt, sich also nicht nach unten absetzt, wie es bei der heute sonst üblichen, besondere Kühlmittel erfordernden kalten Untergärung der Fall ist.
Die Klägerin bringt ihr obergäriges Bier, das sie in Köln braut und in ihrer Stammbrauerei in Wuppertal zum Vertrieb fertigstellt, unter der Bezeichnung „Küppers-Kölsch“ in den Handel. Sie hat sich in einem Vorprozeß (Landgericht Köln 24 O 53/62), den eine Kölner Brauerei wegen der Verwendung der Bezeichnung „Kölsch“ gegen sie führte, durch einen vor dem Oberlandesgericht abgeschlossenen Prozeßvergleich vom 18. Dezember 1964 verpflichtet, für ihr in Köln hergestelltes obergäriges Bier die Bezeichnung „Küppers-Kölsch“ nicht ohne eine deutliche Angabe ihrer Kölner Braustätte zu verwenden.
Die Beklagte hat bis Mitte 1966 obergäriges Bier, das sie von einer Kölner Brauerei bezog, als Handelsware vertrieben. Seither stellt sie, nachdem sie in den Besitz der Dortmunder Hansa-Brauerei übergegangen ist, obergäriges Bier selbst her und bringt es unter der Bezeichnung „Rheinisch-Bürger-Kölsch“ auf den Markt.
Die Beklagte – nicht auch die Klägerin – ist Mitglied des Kölner Brauereiverbandes e.V. und Mitunterzeichnerin der sogenannten Kölsch-Konvention, einer Vereinbarung, durch die sich 28 im Kölner Brauereiverband zusammengeschlossene Brauereien, von denen 13 im Stadtgebiet von Köln und die restlichen außerhalb von Köln, nämlich in Dormagen, Monheim, Hitdorf, Leverkusen, Bielstein, Oberkassel, Bonn, Hersel, Brühl, Euskirchen, Thorr und Kirchherten gelegen sind, verpflichtet haben,
1. mit keiner Brauerei oder Unternehmen oder sonstigen Dritten, die nicht im Verbandsgebiet des Kölner Brauereiverbandes eine Braustätte haben, einen Lohnbrauvertrag zwecks Herstellung von hellem, obergärigem Bier nach der Art des in Köln bekannten „Kölsch“ abzuschließen,
2. keiner Brauerei oder Unternehmen oder sonstigen Dritten, die nicht im Verbandsgebiet des Kölner Brauereiverbandes eine Braustätte haben, die Benutzung der Bezeichnung „Kölsch“ – allein oder in irgendeiner Zusammensetzung – für Bier vertraglich oder stillschweigend zu gestatten,
3. Brauereien oder Unternehmen oder sonstigen Dritten, die nicht im Verbandsgebiet des Kölner Brauereiverbandes eine Braustätte haben, helles obergäriges Bier (Kölsch) nur zu liefern, wenn das Bier mit der bisherigen Bierbezeichnung und Benennung der Lieferfirma in den Verkehr gebracht wird.
Die Klägerin hat unter Hinweis auf die §§ 1, 3 UWG und unter Bezugnahme auf das im erwähnten Vorprozeß gegen sie ergangene, nicht rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts vorgetragen, „Kölsch“ sei nicht nur eine Kölner Spezialität alter Tradition, der Verbraucher knüpfe an diese Bezeichnung auch eine besondere Qualitätserwartung und gehe von der Vorstellung aus, daß das so bezeichnete Bier aus Köln oder doch dem Raum um Köln stamme, in dem „Kölsch“ seit langem hergestellt werde. Euskirchen gehöre in diesem Sinne nicht zum Kölner Raum, möge es auch wirtschaftlich nicht nur nach Bonn, sondern auch nach Köln orientiert sein. Soweit außerhalb dieses Raumes gelegene Brauereien, wie z.B. Brauereien in Bonn und Bielstein, dazu übergegangen seien, von ihnen hergestelltes Bier unter der Bezeichnung „Kölsch“ in den Verkehr zu bringen, handele es sich um Fehlbezeichnungen, die nicht in das Bewußtsein der Verbraucher eingedrungen seien. Es sei daher irreführend, daß die Beklagte das von ihr hergestellte Bier unter der Bezeichnung „Kölsch“ in den Verkehr bringe. Zumindest erwarte der Kölner Biertrinker regelmäßig, daß das ihm angebotene „Kölsch“ in Köln oder in der näheren Umgebung von Köln hergestellt sei. Die Beklagte mache sich auch den von anderen geschaffenen guten Ruf des „Kölsch“ und die Werbekraft dieser Bezeichnung in unlauterer Weise zunutze.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Strafandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen, ein von ihr in Euskirchen hergestelltes obergäriges Bier unter der Bezeichnung „Kölsch“, beispielsweise in der Wortverbindung „Rheinisch-Bürger-Kölsch“ oder „Ma..s-Kölsch“, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen oder in den Verkehr bringen zu lassen.
Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt. Sie hat geltend gemacht, Euskirchen gehöre seit jeher zum Kölner Wirtschaftsraum. Jedenfalls liege es im traditionellen Absatzgebiet und nach der Verkehrsauffassung auch im traditionellen Herkunftsland für „Kölsch“. Es gebe hier kaum eine Wirtschaft, die nicht „Kölsch“ führe und in der dieses Bier nicht einen erheblichen Teil des Umsatzes ausmache. Die Beklagte hat sich ferner auf ihre Mitgliedschaft im Kölner Brauereiverband und auf die von ihr mitunterzeichnete Kölsch-Konvention berufen. Allein hieraus ergebe sich, so hat sie gemeint, daß sie berechtigt sei, das von ihr hergestellte obergärige Bier als „Kölsch“ zu bezeichnen. Alle Verbandsbrauereien, bis auf zwei, brächten von ihnen selbst hergestelltes obergäriges Bier unter dieser Bezeichnung in den Handel und hätten dadurch einen wertvollen Besitzstand erlangt, den sie – die Beklagte – auch für sich in Anspruch nehme. Seit 1961 stelle bei ihr der Kölsch-Vertrieb mehr als die Hälfte des Umsatzes dar. Im Sommer 1967 sei eine weitere Euskirchener Brauerei in den Kölner Brauereiverband aufgenommen und zum Anschluß an die Kölsch-Konvention aufgefordert worden, woraus sich ebenfalls ergebe, daß Euskirchen zum Kölsch-Gebiet gehöre.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
In der Berufungsinstanz hat die Beklagte weiter vorgetragen, in der Jahreshauptversammlung des Kölner Brauereiverbandes vom 8. März 1968 sei noch einmal von allen Verbandsmitgliedern bestätigt worden, daß Euskirchen zum Kölner Wirtschaftsraum gehöre und sie deshalb berechtigt sei, ihr Bier unter der Bezeichnung „Kölsch“ auf den Markt zu bringen. Inzwischen habe auch die andere Euskirchener Brauerei die Kölsch-Konvention mitunterzeichnet. Ferner hat die Beklagte behauptet, sie verkaufe ihr „Kölsch“ zu 55 % in der Stadt und im Landkreis Euskirchen, zu 15 % im engeren Stadtgebiet von Köln und zu 30 % in sonstigen Gebieten. Der Anteil der Kölsch-Produktion an der Gesamtproduktion betrage bei ihr jetzt 70 %.
Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.
Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht ist abweichend vom Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 3 UWG aus dem Gesichtspunkt der Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise über die geographische Herkunft des von der Beklagten hergestellten obergärigen Bieres zu. „Kölsch“ sei, so meint das Berufungsgericht, eine Biersortenbezeichnung (Gattungsbezeichnung). Ob und bejahendenfalls in welchem Umfang und mit welcher Auswirkung diese Bezeichnung daneben als geographische Herkunftsangabe verstanden werde, habe das Landgericht nicht aus eigener Sachkunde beantworten dürfen. Doch komme es auf die hierzu von beiden Parteien gewünschte Verkehrsbefragung deshalb nicht an, weil das Ergebnis einer solchen Befragung offenkundig sei. Es könne nämlich keinem Zweifel unterliegen, daß die Antwort auf die Frage, an welchem Ort Kölsch-Bier gebraut werde, immer nur lauten könne „Köln“. Hiervon geht das Berufungsgericht in seinen weiteren Ausführungen aus, wobei es zugunsten der Klägerin auch unterstellt, daß die in Betracht kommenden Verbraucherkreise zusätzlich der Meinung seien, das in Euskirchen gebraute „Kölsch“ könne nicht als solches bezeichnet werden.
Zur Abweisung der Klage gelangt das Berufungsgericht dann aus folgenden Erwägungen: Es gehöre zu den traditionellen Gegebenheiten, daß verschiedene der in Köln recht bekannten und geschätzten Kölsch-Biere außerhalb Kölns gebraut würden. Unrichtige Vorstellungen hierüber könnten noch nicht als ein Irrtum angesehen werden, der Verbotsansprüche nach § 3 UWG begründe. Eine weitere Besonderheit ergebe sich daraus, daß der Raum, der als Braugebiet für Kölsch-Biere in Betracht komme, wegen der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung keine absolute Größe sei, sondern die Tendenz zur Vergrößerung und Erweiterung in sich trage. Daher erfülle die Kölsch-Konvention eine notwendige Ordnungsfunktion. Sie bestimme nicht nur, daß die Vertragspartner der Konvention befugt seien, Kölsch-Biere selbst zu brauen und unter der Bezeichnung „Kölsch“ in den Verkehr zu bringen, sondern treffe auch die erforderliche territoriale Abgrenzung, indem sie in ihrer jetzigen Fassung nicht mehr auf die Mitglieder, sondern auf die Lage der Braustätten abstelle und so ein Verbandsgebiet festlege. Diese Vereinbarung diene den berechtigten Interessen der Konkurrenz und der Verbraucherschaft. Daß und aus welchen Gründen die Klägerin selbst nicht Mitglied der Kölsch-Konvention sei, spiele keine Rolle. Sie müsse die von dem Interessenverband der Kölner Brauereien abgesteckten räumlichen Grenzen ebenso hinnehmen wie die Verbraucherschaft. Da die Beklagte unstreitig im Verbandsgebiet des Kölner Brauereiverbandes gelegen sei und an ihrem Sitz eine Braustätte unterhalte, habe sie das Recht, das von ihr hergestellte Bier unter der Bezeichnung „Kölsch“ auf den Markt zu bringen.
II. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch zutreffend unter dem Gesichtspunkt der irreführenden Werbung (§ 3 UWG) geprüft und die Befugnis der Klägerin, diesen Anspruch geltend zu machen, zu Recht bejaht (§ 13 Abs. 1 UWG).
2. Gegenstand des Streits ist die Frage, ob es eine irreführende Werbeangabe darstellt, daß die Beklagte das von ihr in Euskirchen hergestellte obergärige Bier als „Kölsch“ bezeichnet. Wenn der Verkehr diese Bezeichnung nicht oder nicht nur als einen Hinweis auf die Beschaffenheit des Bieres, sondern auch als eine Angabe über Ort oder Gegend der Herkunft auffaßt und weiter annimmt, ein so bezeichnetes obergäriges Bier sei in Köln oder dessen näherer Umgebung, nicht aber in Euskirchen hergestellt, kann in der Verwendung dieser Bezeichnung durch die Beklagte eine Irreführung der Verbraucher über die geographische Herkunft des Bieres liegen.
a) Das Berufungsgericht nimmt rechtsirrtumsfrei an, daß das Wort „Kölsch“ für Bier eine Gattungsbezeichnung sei. Es stellt andererseits aber nicht fest, daß es ausschließlich als Gattungsbezeichnung verstanden werde. Seine weiteren Ausführungen lassen vielmehr erkennen, daß es unterstellt, Kölsch sei gleichzeitig auch eine geographische Herkunftsbezeichnung. Diese Betrachtungsweise ist nicht zu beanstanden, denn es kann sehr wohl sein, daß eine Herkunftsbezeichnung zugleich auf bestimmte Eigenschaften der betreffenden Ware hinweist. Andererseits ist eine auf die geographische Herkunft einer Ware hinweisende Werbeangabe so lange noch nicht zu einer bloßen Beschaffenheitsangabe geworden, als sie ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrs noch als einen Hinweis auf die geographische Herkunft der Ware versteht (vgl. BGH GRUR 1956, 270, 272 – Rügenwalder Teewurst). Hiervon ist nach der Unterstellung des Berufungsgerichts auszugehen. Sie steht im Einklang mit dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich vom 8. März 1960 (BGBl 1960 II S. 22), in dessen Anlage A Kölsch-Bier als eine geographische Herkunftsbezeichnung für deutsches Bier aufgeführt ist.
b) Somit kommt es für die weitere rechtliche Beurteilung nach § 3 UWG darauf an, wie der Verkehr den in der Bierbezeichnung „Kölsch“ mit enthaltenen Herkunftshinweis versteht. Das Berufungsgericht meint hierzu, bei einer Verkehrsbefragung nach dem Ort der Herkunft des hier in Rede stehenden obergärigen Bieres müsse jedermann bei vernünftiger Betrachtung aus dem allseits bekannten Herkunftsinhalt des Wortes „Kölsch“ folgern, dieses Bier komme aus Köln; es bezeichnet dies sogar als offenkundig. Der Senat hat mangels hierauf gerichteter Rüge nicht zu prüfen, ob das Berufungsgericht den Begriff der Offenkundigkeit (§ 291 ZPO) verkannt hat. Es erscheint indessen als fraglich, ob das Berufungsgericht tatsächlich hat feststellen wollen, die Meinung der Verbraucher gehe dahin, das als „Kölsch“ bezeichnete Bier könne nur in der Stadt Köln, nicht auch in seiner Umgebung, hergestellt sein. Es kommt darauf jedoch vorerst nicht an, weil das Berufungsgericht jedenfalls zu Gunsten der Klägerin unterstellt hat, die Verbraucher seien der Auffassung, das von der Beklagten in Euskirchen gebraute obergärige Bier könne nicht als „Kölsch“ bezeichnet werden. Folgt man dieser Unterstellung, dann ist die von der Beklagten verwendete Herkunftsbezeichnung nach der Vorstellung der Verbraucher unrichtig und irreführend, wie § 3 UWG voraussetzt.
3. Das Berufungsgericht verneint, daß die hier zu unterstellende unrichtige Vorstellung der Verbraucher anspruchsbegründende Bedeutung i.S. des § 3 UWG habe, weil die von ihm erörterten besonderen Gegebenheiten des vorliegenden Falles eine andere Beurteilung erforderten. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.
a) Wenn viele Kölner nicht wissen, daß das von ihnen bevorzugte „Kölsch“ nicht nur im Stadtgebiet von Köln, sondern auch im „Kölner Raum“ gebraut wird, dann vermag der Umstand, daß es sich hierbei um einen Irrtum über eine „traditionelle Gegebenheit“ handelt, noch nicht zu rechtfertigen, diese Unkenntnis als nicht schutzwürdig anzusehen. Das Berufungsgericht gibt dafür auch keine Begründung. Ihm ist insoweit entgegenzuhalten, daß es als eine der wichtigsten Aufgaben des Wettbewerbsrechts angesehen werden muß, die Allgemeinheit vor täuschenden Werbeangaben zu schützen. Dieser Schutzzweck, dem gerade auch § 3 UWG dient, kann nur erreicht werden, wenn bei der Beurteilung der Frage, ob eine Werbeangabe zu verbieten ist, in entscheidender Weise darauf abgestellt wird, welche Bedeutung ihr die angesprochenen Verkehrskreise und insbesondere die in Betracht kommenden Abnehmer beimessen. Dem hat die Rechtsprechung von jeher Rechnung getragen; hiervon abzuweichen, besteht kein Anlaß. Dies gilt insbesondere für Angaben über Ort und Gegend der Herkunft, da § 3 UWG insoweit nicht nur dem Schutz der Abnehmer und Mitbewerber dient, sondern mittelbar auch den international als bedeutsam anerkannten Schutz der Herkunftsangabe als solcher bewirkt (so mit Recht Beier, GRUR 1963, 169, 170; vgl. ferner Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht Bd. 1, 9. Aufl., § 3 UWG Rdz. 84).
In der Rechtsprechung zu § 3 UWG sind unrichtige Verbrauchervorstellungen nur in Sonderfällen als nicht schutzwürdig angesehen worden, wie z.B. bei Verwendung einer in Fachkreisen richtig verstandenen Bezeichnung eines Spezialprodukts, die zu verbieten eher Verwirrung stiften als Klärung bringen und noch dazu die Vernichtung eines wertvollen Besitzstandes zur Folge haben würde (BGH GRUR 1958, 444, 447 – Emaillelack; GRUR 1961, 361, 362, 364 – Hautleim) oder beim Bestehen einer nur auf den Wortsinn abgestellten unrichtigen Verkehrsauffassung, wenn fachkundigen Verkehrskreisen die richtige Bedeutung der allgemein gebräuchlichen Bezeichnung bewußt ist (BGH GRUR 1963, 36, 39 – Fichtennadelextrakt). Ähnlich beurteilt worden ist der hier möglicherweise noch in Betracht kommende Sonderfall, daß ein rechtlich beachtlicher Teil des Verkehrs eine klare Vorstellung vom Begriffsinhalt der verwendeten Bezeichnung nicht hat (BGH GRUR 1967, 30, 32 – Rumverschnitt; 1967, 600, 601, 602 – Rhenodur). Für derartige Sonderfälle ist aber wiederholt auch ausgesprochen worden, daß hier die Frage, ob die Bezeichnung unrichtig ist, in besonders engem Zusammenhang mit der weiteren Frage steht, ob und wodurch die Bezeichnung den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorruft. Die Anwendung des § 3 UWG setzt dann voraus, daß dem Erzeugnis nachweislich die Eigenschaften fehlen müssen, die ein entsprechend bezeichnetes Angebot nach der Auffassung des Verkehrs erwarten läßt (Rhenodur aaO).
Das Berufungsgericht hätte sich daher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob und in welchem Sinne die Verbraucher mit der Bezeichnung „Kölsch“ eine besondere Qualitätsvorstellung verbinden, zumal das Landgericht eine solche Qualitätsvorstellung angenommen hatte. Allerdings enthält § 3 UWG in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juni 1969, die hier anzuwenden ist, weil die Klägerin die Unterlassung künftiger Werbeangaben verlangt (BGHZ 9, 101, 103; 36, 348, 355; LM Nr. 42 zu § 549 ZPO), nicht mehr das Erfordernis, daß beim Publikum der Anschein eines besonders günstigen Angebots erweckt wird. Denn der dieses Erfordernis enthaltende Satzteil ist durch die Formulierung „irreführende Werbung“ ersetzt worden. Diese Änderung besagt jedoch nicht, daß § 3 UWG nunmehr dahin verschärft sei, daß jede Unrichtigkeit in einer Werbeangabe genüge, um den Unterlassungsanspruch auszulösen. Die Formulierung „irreführende Angabe“ ist vielmehr im Sinne der bisherigen Rechtsprechung (BGH GRUR 1960, 563, 565 – Sektwerbung; RG JW 1929, 3072) jedenfalls dahin zu verstehen, daß die zur Erweckung von Irrtümern geeignete Werbeangabe auch geeignet sein muß, die angesprochenen Verkehrskreise in ihren wirtschaftlichen Entschließungen zu beeinflussen, ihnen also regelmäßig Vorteile in Aussicht stellen muß (Urteil des erkennenden Senats vom 13. März 1970 – I ZR 108/68). Im Streitfall kommt insoweit in Betracht, daß die Verbraucher mit der Bezeichnung „Kölsch“ auch eine Qualitätsvorstellung in dem Sinne verbinden, daß dieses Bier seine Qualität unter anderem der Herstellung in Köln oder in der näheren Umgebung von Köln verdanke, wie das Landgericht angenommen hat. Das Berufungsgericht wird zu dieser Frage gegebenenfalls noch Stellung nehmen müssen.
b) Die vom Berufungsgericht hervorgehobene weitere Besonderheit, daß der „Kölner Raum“ keine absolute Größe darstellt, sondern die Tendenz zur Erweiterung in sich trägt, kann zwar bewirken, daß sich die Verkehrsauffassung über die Bedeutung des Wortes „Kölsch“ als geographische Herkunftsbezeichnung ändert, dieser Umstand rechtfertigt es jedoch nach dem Sinn und Zweck des § 3 UWG nicht, die tatsächlich bestehende Verkehrsauffassung in der vom Berufungsgericht angenommenen Weise beiseite zu schieben und ungeprüft zu lassen, ob der Verbraucher der Auffassung ist, daß ein obergäriges Bier der Bezeichnung „Kölsch“ auch in Euskirchen gebraut sein kann.
c) Dem Berufungsgericht kann schließlich auch in der rechtlichen Beurteilung der sogenannten Kölsch-Konvention nicht gefolgt werden. Der erkennende Senat hat für eine Beschaffenheitsangabe zum Ausdruck gebracht, daß die Einigung der Gewerbetreibenden auf eine die Verbraucher täuschende Bezeichnung nicht die Anwendung des § 3 UWG gegen die Benutzung der vereinbarten Bezeichnung hindere (Rumverschnitt aaO). Auch dieser Entscheidung liegt die Erwägung zugrunde, daß das Interesse der Allgemeinheit, vor Täuschungen im Wettbewerb bewahrt zu werden, in aller Regel den Vorrang verdient. Daß diese Überlegung für die Verwendung einer unrichtigen geographischen Herkunftsbezeichnung weniger zwingend sei, kann nicht anerkannt werden.
Die Auffassung des Berufungsgerichts birgt die Gefahr in sich, daß wichtige Verbraucherinteressen mißachtet werden, wenn es dem Interessenverband der Brauereien überlassen bleibt, darüber zu bestimmen, welche Brauereien „Kölsch“ herstellen und unter dieser Bezeichnung in den Handel bringen dürfen. Auch kann es denjenigen Mitbewerbern, die selbst nicht Mitglieder des Brauereiverbandes sind, kaum zugemutet werden, sich der Entscheidung des Verbandes zu fügen. Darüber hinaus ist es grundsätzlich bedenklich, dem Verband eine „Ordnungsfunktion“ zuzubilligen, die sich über die Voraussetzungen des § 3 UWG, der auf die Verkehrsauffassung abstellt, hinwegsetzt. Dem Verband käme damit eine Aufgabe zu, wie sie normalerweise nur der Gesetzgeber hat (vgl. z.B. Gesetz zum Schutze des Namens Solingen vom 25.7.1963 – RGBl I 953).
4. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Auf die Frage einzugehen, ob kartellrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Kölsch-Konvention zu erheben sind, besteht kein Anlaß. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht die Kölsch-Konvention zutreffend ausgelegt hat, wenn es ausführt, diese stelle in ihrer jetzigen Fassung nicht mehr auf die Mitglieder, sondern auf die Lage der Braustätten ab und lege daher ein bestimmtes Verbandsgebiet fest.
III. Das Berufungsgericht wird genötigt sein, Feststellungen darüber zu treffen, ob die Bezeichnung „Kölsch“ heute noch als Herkunftsangabe aufgefaßt wird und auf welches Herkunftsgebiet sie nach der Verkehrsauffassung hinweist. Da die Werbeangabe der Beklagten in erster Linie die Abnehmer anspricht, wird es vor allem auf deren Auffassung ankommen. Es als offenkundig zu bezeichnen, daß Kölsch-Bier nach Meinung der Verbraucher in der Stadt Köln hergestellt sein müsse, erscheint als nicht vertretbar, da es, wie das Berufungsgericht selbst ausführt, zu den traditionellen Gegebenheiten gehört, daß „Kölsch“ auch außerhalb Kölns hergestellt wird und nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden muß, daß diese Gegebenheit den Verbrauchern zum Teil jedenfalls bekannt ist. Nicht erforderlich sein dürfte es, bei der Feststellung der Verkehrsauffassung entfernt liegende, neuerschlossene Absatzgebiete zu berücksichtigen. Die dort wohnenden Verbraucher werden ohnehin keine sichere Vorstellung davon haben, ob „Kölsch“ auch eine Herkunftsbezeichnung ist und auf welches Herkunftsgebiet sie hinweist (vgl. Rumverschnitt aaO). Als maßgebend erscheint insoweit insbesondere die Auffassung derjenigen Verbraucher, die mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut sind (so offensichtlich auch RG MuW 33, 458 – Nordhäuser Kautabak – und OLG Hamm MuW 26, 118 – Echter Steinhäger; vgl. ferner BGH GRUR 1961, 477 – Forster Jesuitengarten).
Keinesfalls hat die Meinung derjenigen Verbraucher besonderes Gewicht, die, wie das Berufungsgericht anzunehmen scheint, erstmalig der Bezeichnung „Kölsch“ begegnen (vgl. hierzu Erstes Kulmbacher aaO).
Es kann auch nicht beanstandet werden, daß das Landgericht in erster Linie auf die Auffassung der Kölner Biertrinker abgestellt hat. Da die Beklagte, wie sie selbst vorträgt, 15 % ihres „Rheinisch-Bürger-Kölsch“ nach Köln liefert, ist es sehr wohl denkbar, daß schon eine auf die Stadt Köln beschränkte Feststellung der Verkehrsauffassung ergibt, daß ein nicht unerheblicher Teil aller Verbraucher die von der Beklagten verwendete Bezeichnung für eine irreführende Herkunftsangabe hält. Wenn das Berufungsgericht meint, eine solche Feststellung werfe nur die Frage eines regional beschränkten Vertriebsverbots auf, so kann dem nicht beigetreten werden. Jedenfalls sind Anhaltspunkte dafür, daß in der Stadt Köln eine vom übrigen Absatzgebiet für „Kölsch“ streng abgegrenzte abweichende Verkehrsauffassung bestehe, bislang nicht vorgetragen (vgl. RG DR 1939, 439).
Bei der Feststellung der Verkehrsauffassung wird die behauptete Stellungnahme des Brauereiverbandes zu berücksichtigen sein, wie auch die Befragung anderer Interessenverbände sowie die Einholung von Gutachten der Industrie- und Handelskammern in Köln und Bonn in Betracht kommt. Ob eine Verkehrsbefragung durch ein Meinungsforschungsinstitut erforderlich ist, wird nach weiterer Vorbereitung der Sache durch die Parteien zu entscheiden sein. Die Frage an die Verbraucher wird bei Durchführung einer Verkehrsbefragung allerdings nicht lauten können, „an welchem Ort“ nach Ansicht der Befragten „Kölsch“ gebraut werde, wie das Berufungsgericht seinen Ausführungen zugrunde gelegt hat, da eine solche Fragestellung zu dem Fehlschluß verleiten könnte, es komme nur ein bestimmter Ort für die Herkunft des Bieres in Betracht. Die Fragestellung wird vielmehr sorgfältig den Besonderheiten des Falles angepaßt und notfalls mit dem zu beauftragenden Meinungsforschungsinstitut abgestimmt werden müssen.
Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.