Emaillelack (BGH – I ZR 129/56)

Leitsatz
   
Für die Frage, ob eine Bezeichnung für Spezialprodukte (hier: Emaillelack für Anstrichmittel), deren sachgemäße Verwendung erfahrungsgemäß gewisse Vorkenntnisse voraussetzt und die überwiegend gewerblich verarbeitet werden, „unrichtige“ Vorstellungen im Sinne des UWG § 3 erweckt, ist nicht der allgemeine, sondern der auf dem betreffenden Fachgebiet übliche Sprachgebrauch maßgebend.

BGH, Urt. v. 28.02.1958

 

Tatbestand   

Die Klägerin ist der wirtschaftliche Fachverband der Erzeuger emaillierter Blechwaren. Die Beklagte ist Herstellerin von Lacken und Lackfarben.

Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten zu untersagen, von ihr hergestellte Lackerzeugnisse mit dem Wort „Email(le)-Lack“ zu bezeichnen.

Zur Begründung ihres Unterlassungsbegehrens hat die Klägerin geltend gemacht, das Wort „Email(le)“ als Bezeichnung für Lackerzeugnisse enthalte eine unrichtige Angabe über deren Beschaffenheit, die geeignet sei, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen (§ 3 UWG). Da die Lackindustrie darüberhinaus versuche, das Wort „Email(le)“ zu einem Oberbegriff zu machen, sei das Klagbegehren auch aus § 823 Abs 1 BGB, § 1 UWG gerechtfertigt, da damit die wichtigste Beschaffenheitsangabe der Emailindustrie verwässert und zugleich in unzulässiger Weise in die Gewerbebetriebe der Mitgliedsfirmen der Klägerin eingegriffen werde.

Die Beklagte ist dem mit der Behauptung entgegengetreten, daß in aller Welt pigmentierte Lacke, die mit harter, hoch- oder halb*-glänzender Oberfläche auftrocknen, als „Emaille“ bezeichnet würden. Auch in Deutschland bestehe dieser Sprachgebrauch etwa seit der Jahrhundertwende und genieße Verkehrsgeltung. Innerhalb des Oberbegriffs „Emaille“ sei Feueremaille und Lackemaille zu unterscheiden. Beide Oberflächenschutzmittel hätten ihre typischen Vorzüge und Nachteile. Keinesfalls könne Feueremaille als das überlegene und wertvollere Erzeugnis angesehen werden. Auch seien die Verwendungszwecke beider Erzeugnisse überwiegend verschieden. Das Nebeneinanderbestehen beider Erzeugnisse habe noch nie zu Verwechslungen geführt, zumal der Anstrich von Stahlblech mit Lack, bei dem allein eine Verwechslung in Betracht komme, nur durch Fachleute erfolge. Vorsorglich hat die Beklagte den Einwand der Verwirkung und der allgemeinen Arglist erhoben.

Schon seit 1935 war der Werberat der deutschen Wirtschaft mit der Aufgabe befaßt, die Bezeichnungen zwischen der Blechwarenindustrie und der Lackindustrie, die etwa seit dem Jahre 1900 Zusammensetzungen wie Emaillelack, Lackemaille uä gebrauchte, gegeneinander abzugrenzen. Auf Anregung des Werberats wurden beim Reichsausschuß für Lieferbedingungen und Gütesicherung (RAL – einer auch heute noch bestehenden Institution) Verhandlungen zwischen den beteiligten Wirtschaftsgruppen und interessierten Organisationen geführt, deren Ergebnis schließlich auf Grund der Sitzung vom 26. Juni 1940 in RAL 529 A („Begriffsbestimmung und Bezeichnungsvorschriften für emaillierte Erzeugnisse“) niedergelegt wurde. Nach diesen Richtlinien darf das Wort „Email“ oder „Emaille“ für Lacke oder Lackfarben nur in Verbindung mit dem Wort „Lack“, und zwar nur als „Emaillack“ , nicht „Lack-Email“ verwendet werden. Diese Bedingungen wurden von der Reichswirtschaftskammer und zahlreichen Erzeuger-, Händler-, Verarbeiter- und Verbraucher*-organisationen anerkannt (Zusammenstellung bei Sonderland, „Farbe und Lack“ 1955 S 549f).

Nach dem zweiten Weltkrieg hielten sich zahlreiche Lackproduzenten, darunter auch die Beklagte nicht mehr an diese Regelung. Zwischen der Klägerin und dem Verband der lackindustrie wurden deshalb Verhandlungen geführt, auch mehrere Lackhersteller von der Klägerin verwarnt. Die Klägerin stellte sich dabei zunächst auf den in RAL 529 A niedergelegten Standpunkt, verlangte also die Unterlassung aller Zusammensetzungen mit „Email“ mit Ausnahme von „Emaillack“. Späterhin vertrat jedoch die Klägerin die auch im vorliegenden Rechtsstreit verfochtene Auffassung, daß auch die Bezeichnung „Emaillack“ für Lackerzeugnisse unzulässig sei. Bei der Niederlegung der RAL 529 A, für die ausschließlich wirtschaftliche Machtverhältnisse maßgebend gewesen seien, sei die Irreführung der Allgemeinheit durch die fragliche Bezeichnung nicht berücksichtigt worden. Die fraglichen Vereinbarungen könnten deshalb nicht als verbindlich angesehen werden.

Das Landgericht hat den Unterlassungsantrag abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihm stattgegeben.

Die Revision der Beklagten führte zur Wiederherstellung des Urteils erster Instanz.

   
Entscheidungsgründe
   

I. …

II. …

III. In der Sache hat das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei etwaige Ansprüche der Klägerin und ihrer Mitgliedsfirmen aus § 1 UWG, §§ 823, 826 BGB abgelehnt. Hierbei kann dahinstehen, ob die Klägerin Rechtsnachfolgerin der Fachgruppe Blechwarenindustrie ist, die die RAL 529 A durch Unterschrift anerkannt hat. Denn jedenfalls durfte die Beklagte, da sich die Klägerin in den bis 1953 dauernden Verhandlungen mit dem Verband der Lackindustrie ausdrücklich auf die RAL 529 A als verbindliche Rechtsnorm berufen hatte, darauf vertrauen, die Klägerin werde die Bezeichnung „Email(le)-Lack“ für ihre Lackerzeugnisse nicht beanstanden. Soweit das Klagbegehren somit auf Individualinteressen der Klägerin und ihrer Mitgliedsfirmen gestützt wird, steht dem Einwand der Arglist aus dem Gesichtspunkt des Selbstwiderspruchs entgegen. Hieraus folgt aber zugleich, daß auch bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Abwehrklage aus § 3 UWG gegeben sind, nicht auf die Interessen der Klägerin und ihrer Mitgliedsfirmen, sondern allein auf die Interessen der Abnehmer der Lackerzeugnisse der Beklagten abzustellen ist.

Hierbei aber ist folgendes zu berücksichtigen:

Unstreitig wird die angegriffene Bezeichnung in der Lackindustrie über ein halbes Jahrhundert für Lacke bestimmter Eigenart benutzt. Sie wird – zumindest in Fachkreisen – überwiegend in ihrer richtigen Bedeutung, nämlich als Warenname von Lacken der in Frage stehenden Beschaffenheit, verstanden. Ein Verbot der Bezeichnung würde somit nicht nur einen für die Lackindustrie wertvollen Besitzstand an dieser in der Fachwelt eingebürgerten Bezeichnung vernichten, sondern auch zu einer Verwirrung bei denjenigen Abnehmerkreisen führen können, die die fraglichen Lacke weiterhin unter dieser Bezeichnung, die für sie zu einem festumrissenen Eigenschaftsbegriff für Lacke der fraglichen Art geworden ist, anfordern. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Allgemeinheit an dem mit der Klage begehrten Verbot könnte bei dieser Sachlage nur anerkannt werden, wenn davon ausgegangen werden müßte, daß gleichwohl durch die angegriffene Bezeichnung Allgemeininteressen in erheblicher und ernsthafter Weise gefährdet werden (BGHZ 5, 196 – Zwillingszeichen; BGH LM UWG § 3 Nr 21 – Erstes Culmbacher).

IV. Das Berufungsgericht hat dem Klagbegehren aus § 3 UWG auf Grund folgender Erwägungen stattgegeben:

Die Bezeichnung „Emaille“ könne entgegen der von der Beklagten vertretenen Meinung nicht als Oberbegriff für „Feueremaille“ und bestimmte Lacke gewertet werden. Die Bezeichnung „Emaille“ werde in der Lackindustrie erst etwa seit 1900 verwendet, während diese Bezeichnung für den von der Beklagten Feueremaille genannten Überzug bereits seit Jahrhunderten gebraucht werde. Da der Sprachgebrauch des deutschen Volkes keineswegs dazu neige, sprachlich anerkannte Unterscheidungsmerkmale für die Beschaffenheit verschiedener Waren zu verwischen, sei davon auszugehen, daß auch heute noch nach der Auffassung des Verkehrs unter Emaille nur „echte“ Emaille zu verstehen sei.

Hiernach enthalte die Bezeichnung Emaillelack die Verbindung von zwei für sich allein betrachtet eindeutigen Worten, von denen das erste auf das anorganische Erzeugnis Emaille, das zweite auf das organische Überzugsmittel Lack deute. Bei dieser Sachlage müßte Emaillelack, wenn diese Bezeichnung berechtigt sein solle, solche Eigenschaften echten Emails aufweisen, die für Lack an sich nicht typisch seien. Diejenigen Eigenschaften von Emaillelack, die der Verbraucher schon mit dem Begriff Lack verbinde, müßten somit ausscheiden. In dem Prospekt der Beklagten, der neben Idovernol-Emaillelack auch Idovernol-Klarlack und Idovernol-Grundierung empfehle, sei aber für alle diese Anstrichmittel, also nicht speziell für Emaillelack, behauptet, daß sie hoch witterungsbeständig, stoß-, schlag- und kratz*-fest seien, eine hochglänzende spiegelglatte Oberfläche ergäben und unempfindlich seien gegen schwache Säuren, Alkohol und Benzin, Dämpfe, Fette und Seifen. Da dies somit Eigenschaften jeden guten Lackes, nicht speziell von Emaillelack seien, müßten weitere für echte Emaille typische Eigenschaften hinzutreten, um diese Bezeichnung zu rechtfertigen. Hierfür genüge nicht, wenn Emaillelack einen besonderen, gerade für Emaille eigenen Glanz zeige. Das würde die Täuschungsgefahr eher vergrößern, da es dem Verbraucher in der Regel weniger auf das Aussehen als auf die typischen Eigenschaften von Emaille wie Ritz-, Hitze-, Säure- und Widerstands*-festigkeit ankomme. Diese Eigenschaften aber kämen dem Emaillelack nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht zu.

Eine Täuschung würde nur dann nicht bewirkt, wenn das Wort Emaillelack einen „Bedeutungswandel“ derart durchgemacht habe, daß nicht einmal mehr eine beachtliche Minderheit der beteiligten Verkehrskreise das Wort in seiner ursprünglichen Bedeutung verstehe. Insoweit sei aber das Gegenteil festzustellen. Der Senat vermöge aus eigener Sachkunde festzustellen, daß der Käufer eines „emaillelackierten“ Küchengeräts meine, dieses habe die Eigenschaften eines emaillierten oder doch annähernd dieselben Eigenschaften und andere als ein lackiertes Gerät. Die Beklagte mache zwar geltend, daß sie nur an Fachleute liefere. Sie sei aber auch haftbar, wenn ihre Lacke oder die unter ihrer Verwendung hergestellten Erzeugnisse mit ihrer Erlaubnis unter der angegriffenen Bezeichnung an nicht sachkundige Endverbraucher abgegeben würden.

Das Berufungsgericht kommt auf Grund dieser Erwägungen zu dem Schluß, daß die Bezeichnung Emaillelack unrichtig im Sinne von § 3 UWG sei. Durch diese Bezeichnung werde aber auch der Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorgerufen. Für diese Feststellung bedürfe es keines allgemeinen Werturteils über Emaille und Lack. Es genüge, wenn der Verbraucher meine, er könne durch ein billiges Anstreichverfahren einen Überzug erzielen, der dem tatsächlich nur bei hohen Temperaturen gewerblich zu erzeugenden Emailleüberzug gleichkäme. Dies rechtfertige es, der Beklagten die Verwendung der Wortverbindung Emaillelack für ihre Lackerzeugnisse zu untersagen.

V. Es ist der Revision zuzugeben, daß diese Ausführungen des Berufungsgerichts einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten.

1. Unbegründet ist zwar der Angriff der Revision, aus der Wortverbindung „Emaillelack““ könne schon deshalb nicht auf ein besonders günstiges Angebot im Sinne von § 3 UWG geschlossen werden, weil Emaille im Verhältnis zu Lack nicht das bessere und wertvollere Produkt sei. Auch wenn die beiden Erzeugnisse nach der Verkehrsauffassung nicht in dem Verhältnis höherer Wertigkeit zueinander stehen sollten, hindert dies nicht, daß der Verkehr gleichwohl mit dem Hinweis auf Emaille gewisse Gütevorstellungen verbindet. Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, daß ein Emailleüberzug für bestimmte Verwendungszwecke in Vergleich zu einem Lacküberzug gewisse Vorteile bietet. Mögen diesen Vorteilen auch Nachteile wie zB größere Stoßempfindlichkeit gegenüberstehen, so schließt dies nicht aus, daß beteiligte Verkehrskreise, soweit sie gerade auf die nur der Emaille eigenen Vorzüge Gewicht legen und diese auf Grund der Bezeichnung Emaillelack erwarten sollten, der Bezeichnung ein besonders günstiges Angebot entnehmen. Die Voraussetzungen des § 3 UWG sind aber erfüllt, wenn das Publikum auf Grund des Angebotes Vorteile annimmt, die die Ware in Wahrheit nicht aufweist (RGZ 66, 176; 96, 242).

2. Rechtsirrig ist es dagegen, wenn das Berufungsgericht davon ausgeht, eine Unrichtigkeit der angegriffenen Bezeichnung sei schon deshalb anzunehmen, weil Emaillelack keine anderen Eigenschaften aufweise als die Anstrichmittel, die die Beklagte unter der Bezeichnung Idovernol-Klarlack und Idovernol-Grundierung anbiete. Richtig ist zwar, daß die Bezugnahme auf Emaille dann einer Rechtfertigung entbehren würde, wenn Emaillelack nur die jedem Lack typischen Eigenschaften hätte. Das aber ist unstreitig nicht der Fall. Als Emaillelack werden vielmehr nur diejenigen Lacke bezeichnet, die mit harter, hoch- oder halb*-glänzender Oberfläche auftrocknen und bestimmte Qualitätseigenschaften hinsichtlich Härte, Elastizität, Widerstands- und Stanz*-festigkeit aufweisen. Würden aber beteiligte Verkehrskreise aus der Bezeichnung Emaillelack nur einen Hinweis auf diese Eigenschaften, insbesondere auf den der Emaille ähnlichen Glanz, den dieser Lack nach seiner Verwendung als Überzugsmittel zeigt, entnehmen, so könnte diese Bezeichnung selbst dann nicht als irreführend beanstandet werden, wenn in der Lackindustrie für Lackerzeugnisse mit gleichen Eigenschaften daneben auch andere Bezeichnungen wie Klar- und Hart*-lack gebräuchlich wären.

3. Soweit das Berufungsgericht die angegriffene Bezeichnung nach ihrem rein buchstäblichen Sinn geprüft hat, ist ihm darin zuzustimmen, daß die Wortkombination Emaillelack anders als etwa Wortverbindungen wie Goldfisch, Blutorange, Zitronenfalter usw nicht eindeutig erkennen läßt, ob durch den Zusatz Emaille lediglich auf ein der Emaille ähnliches äußeres Erscheinungsbild des fraglichen Lacküberzuges hingewiesen werden soll, oder ob eine darüber hinausgehende Beschaffenheitsangabe in Frage steht, die die Vorstellung eines weitergehenden Eigenschaftsvergleichs mit Emaille erweckt. Immerhin unterscheidet sich die angegriffene Bezeichnung von einer Wortbildung wie „Silberal“, die das Berufungsgericht zum Vergleich herangezogen hat, schon nach allgemeinen sprachlichen Gesichtspunkten in mehrfacher Hinsicht. Nach dem deutschen Sprachgebrauch gibt bei zusammengesetzten Worten, wie auch das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten unterstellt, in der Regel der letzte Bestandteil den Gegenstand wieder, der mit der Zusammensetzung bezeichnet werden soll, und dient der vorangestellte Zusatz dazu, diesen Gegenstand aus dem allgemeinen Begriff durch Kennzeichnung besonderer Eigenschaften herauszuheben (RG GRUR 1938, 58 – Glanzfett). Zieht man nun in Betracht, daß Emaille dem Nichtfachmann im allgemeinen nur im verarbeiteten Zustand – nämlich als Überzugsmittel auf metallischer Grundlage – bei Fertigproduktion begegnet, während ihm dieses Überzugsmittel als solches – also die zu einer glasartigen Masse erstarrten Emaillegranalien – in der Regel unbekannt ist, der Laie aber andererseits weiß, daß es sich bei Lacken um flüssige Anstrichmittel handelt, die als Oberflächenschutz nicht nur für Metalle, sondern für alle festen Stoffe wie Holz, Ton, Leder usw verwendet werden, so erscheint es schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht ohne weiteres zwingend, anzunehmen, der Nichtfachmann könne geneigt sein, allein aus der Bezeichnung eines Lackes als Emaillelack zu folgern, dieser Lack müsse alle der Emaille wesentlichen Eigenschaften aufweisen. Berücksichtigt man weiterhin, daß das Wort Emaille auch in anderen Wortzusammensetzungen nur in der übertragenen Bedeutung eines bestimmten, dem Emaille eigenen Glanzes verwendet wird (vgl zB die Bezeichnung Zahnemaille), Lack und Emaille auch nach der Verkehrsauffassung nicht etwa schlechthin im Verhältnis verschiedener Wertigkeit, sondern im Verhältnis der Andersartigkeit zueinander stehen, so ist es schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wenig wahrscheinlich, daß der Verkehr dem Zusatz Emaille zu Lack über den Hinweis auf das emailleartige Aussehen des Lackes nach seiner Verarbeitung hinaus noch einen weitergehenden Eigenschaftsvergleich mit Emaille entnimmt. Das Berufungsgericht wird deshalb den Besonderheiten des Streitfalls nicht voll gerecht, wenn es als maßgebend ansieht, ob die Bezeichnung Emaillelack einen so weitgehenden „Bedeutungswandel“ durchgemacht habe, daß der Verkehr bis bis auf eine unbeachtliche Minderheit diese Wortverbindung nicht mehr in ihrer „ursprünglichen“ Bedeutung verstehe. Im Gegensatz zu den Entscheidungen, die sich mit der Verwendung des Wortes „Seide“ für Kunstseide befassen (RGZ 128, 265ff; BGHZ 13, 244ff), geht es hier nicht um eine Bezeichnung mit ursprünglich eindeutigem Sinn, die für Erzeugnisse verwendet wird, die diesem Sinn nicht entsprechen, sondern um eine willkürliche Wortzusammensetzung, deren Begriffsinhalt bei der Ingebrauchnahme mehrdeutig war, die aber für Erzeugnisse benutzt wird, auf die nur eine der möglichen Bedeutungen dieser sprachlichen Neuschöpfung zutrifft. Nun kann zwar eine mehrdeutige Bezeichnung auch dann gegen § 3 UWG verstoßen, wenn das unter dieser Bezeichnung angebotene Erzeugnis nur einem der möglichen Begriffsinhalte entspricht. Die Frage ist jedoch, ob die angegriffene Bezeichnung sich seit ihrer Ingebrauchnahme nicht derart als Beschaffenheitsangabe für Lacke der fraglichen Art innerhalb beteiligter Verkehrskreise eingebürgert hat, daß sie – ungeachtet ihres nach ihrem buchstäblichen Sinn bei ihrer Einführung mehrdeutigen Begriffsinhaltes – nicht mehr als unrichtig im Sinne des § 3 UWG angesehen werden kann.

Wenn das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Silberal-Entscheidung (BGH GRUR 1955, 406) meint, die Übereinstimmung im äußeren Erscheinungsbild von mit Emaille und Emaillelack überzogenen Metallgegenständen erhöhe nur die Täuschungsgefahr, so verkennt es, daß im vorliegenden Rechtsstreit, wie noch darzulegen sein wird, allein darüber zu entscheiden ist, ob die Anstreichmittel der Beklagten, also unverarbeitete Lacke, als Emaillelack bezeichnet werden dürfen. Unverarbeitete Lacke unterscheiden sich aber im Aussehen, wie keiner näheren Darlegung bedarf, grundlegend von einem auf einen metallischen Stoff aufgetragenen Emailleüberzug.

Zugegeben bleibt, daß die strittige Wortverbindung im Gegensatz zu Wortzusammensetzungen wie Silberdistel, Baumkuchen usw rein sprachlich gesehen insofern schillernd und mehrdeutig ist, als bei ihr die Möglichkeit – ähnlich wie beispielsweise bei Seiden- und Silber*-papier – nicht völlig von der Hand zu weisen ist, der Verkehr könne aus ihr über den Vergleich mit dem äußeren Erscheinungsbild hinaus eine weitergehende Eigenschaftskennzeichnung, insbesondere eine Aussage über die Stoffzusammensetzung entnehmen. Dies verdeutlicht aber nur, daß aus einer Prüfung der angegriffenen Bezeichnung allein nach ihrem buchstäblichen Wortgehalt für die Entscheidung des Streitfalles nichts Abschließendes gewonnen werden kann.

4. Ob eine Bezeichnung unrichtig ist, entscheidet sich allein nach dem Sinn, der ihr nach Auffassung derjenigen Verkehrskreise zukommt, für die die Werbung bestimmt ist und an die sie sich richtet (BGHZ 13, 253; RG GRUR 1934, 691; GRUR 1935, 443; GRUR 1939, 627, 629). Auch eine nach ihrem allgemeinen Sprachsinn an sich unrichtige Bezeichnung kann erlaubt sein, wenn die in Betracht kommenden Abnehmerkreise mit ihr bis auf eine rechtlich nicht ins Gewicht fallende Minderheit die richtige Vorstellung verbinden (Urteil des Senats vom 18. Januar 1957, LM UWG § 3 Nr 21 – Erstes Culmbacher; RGZ 128, 261).

Dies ist vom Berufungsgericht im Grundsatz auch nicht verkannt worden. Wenn sich das Berufungsgericht gleichwohl eingehend mit dem möglichen Wortsinn der angegriffenen Bezeichnung nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auseinandergesetzt hat, so deshalb, weil es nicht die Auffassung des verhältnismäßig eng begrenzten Abnehmerkreises der unverarbeiteten Lackerzeugnisse der Beklagten als maßgebend angesehen hat, sondern von dem Sinn ausgegangen ist, den die Allgemeinheit als Abnehmer der mit Hilfe der Lackerzeugnisse der Beklagten hergestellten Gegenstände des täglichen Bedarfs wie Küchengeräte, Badewannen, Mülleimer usw der strittigen Bezeichnung beilegt. Das Berufungsgericht begründet dies damit, daß die Beklagte auch dafür „hafte“, wenn mit Emaillelack lackierte Erzeugnisse mit ihrer Erlaubnis unter der angegriffenen Bezeichnung auf den Markt kommen. Hierbei übersieht das Berufungsgericht, daß Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ausschließlich die Lackerzeugnisse der Beklagten im unverarbeiteten Zustand bilden, da nur insoweit ein Verbot der fraglichen Bezeichnung angestrebt wird. Es kann deshalb im Streitfall auch nur auf den Sinn ankommen, den die Abnehmer von Lacken mit der angegriffenen Bezeichnung verbinden, wenn sie ihnen als Warenbezeichnung für Anstreichmittel entgegentritt. Ist dieser Abnehmerkreis einer Täuschungsgefahr nicht ausgesetzt, so gilt dies nicht etwa zwangsläufig auch für den andersartigen Abnehmerkreis, der für lackierte oder emaillierte Fertigprodukte in Betracht kommt. Denn der zu erwartende Grad an Aufmerksamkeit, Erfahrung und Sachkunde kann je nach der Art der angebotenen Waren und damit der unterschiedlichen Abnehmerschaft ein ganz verschiedener sein (RG GRUR 1934, 76; RG MuW 27/28, 531; Baumbach/Hefermehl, Warenzeichen- und Wettbewerbs*-recht 7. Aufl § 3 UWG Anm 11). Hieraus folgt, daß auch eine Bezeichnung, die nach dem auf dem einschlägigen Fachgebiet herrschenden Sprachgebrauch richtig ist, gegen § 3 UWG verstoßen kann, wenn sie im Zusammenhang mit einer Ware verwendet wird, für die ein ganz anderer, mit der Bedeutung der Bezeichnung nicht vertrauter Abnehmerkreis in Frage kommt (RG JW 1937, 625 – für wissenschaftliche Bezeichnungen). Da es im Streitfall nur um das Verbot der Bezeichnung für Emaillack für Anstreichmittel geht, bedarf es keiner Prüfung, ob diese Bezeichnung irreführend ist, wenn sie im Zusammenhang mit Waren verwendet wird, die bereits mit dem fraglichen Lack überzogen sind. Würde es sich bei der Bezeichnung „Emaillelack“ um eine neue Wortzusammensetzung handeln, die noch nicht seit längerer Zeit in der Lackindustrie benutzt wird, würde zwar bei der Frage, ob eine Täuschungsgefahr im Sinne von § 3 UWG anzunehmen ist, auch die Fernwirkung Berücksichtigung finden können, die sich daraus ergibt, daß die Wahl dieser Bezeichnung die Anpreisung eines mit diesem Anstreichmittel überzogenen Gegenstandes des täglichen Bedarfs als „emaillelackiert“ zur Folge haben kann. Da es im Streitfall jedoch um eine seit Jahrzehnten verwendete, in Fachkreisen durchgesetzte Bezeichnung für Lacke der fraglichen Art geht, kann der Umstand allein, daß diese Bezeichnung bei den Endabnehmern von aus Metall bestehenden Fertigprodukten Irrtümer hervorrufen kann, es nicht rechtfertigen, den Beklagten diese Bezeichnung für ihre Anstreichmittel zu untersagen, zumal da die fraglichen Lacke überwiegend auch als Überzugsmittel für nichtmetallische Stoffe wie beispielsweise Holz Verwendung finden, bei denen die Annahme, es handle sich um einen Emailleüberzug oder doch einen ihm hinsichtlich Feuerfestigkeit und Säurefestigkeit gleichkommenden Oberflächenschutz, von vornherein fernliegt. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich auch, auf die Behauptung der Klägerin einzugehen, die für die Beurteilung der Täuschungsgefahr maßgebende Wettbewerbslage habe sich dadurch weitgehend verändert, daß infolge der technischen Vervollkommnung des Lackierverfahrens die Überschneidung auf dem Sektor der Gebrauchsgegenstände ständig zugenommen habe.

5. Kommt hiernach der Auffassung der Abnehmer der mit Hilfe der Lackerzeugnisse der Beklagten hergestellten Gegenstände des täglichen Bedarfs für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Bedeutung zu, so verliert damit das angefochtene Urteil seine tragende Stütze. Denn wenn das Berufungsgericht glaubt, aus eigener Sachkunde feststellen zu können, das der Käufer eines „emaillelackierten“ Küchengerätes meine, dieses habe die Eigenschaften eines emaillierten Gerätes oder doch annähernd dieselben und jedenfalls andere als ein lackiertes Erzeugnis, so wird damit über die allein maßgebende Auffassung derjenigen Abnehmer, die für die erst noch zu verarbeitenden Lackerzeugnisse der Beklagten in Betracht kommen, nichts ausgesagt. Auch die vom Berufungsgericht angeführten einzelnen Beispielsfälle für in „Fachkreisen“ aufgetretene Irrtümer betreffen überwiegend nur Abnehmer von emaillierten oder lackierten Endprodukten.

Über die Frage aber, wie die Abnehmer unverarbeiteter Lackerzeugnisse die angegriffene Bezeichnung verstehen, konnte das Berufungsgericht nicht auf Grund seiner Auseinandersetzung mit dem Wortsinn der Bezeichnung nach dem allgemeinen Sprachgebrauch entscheiden. Denn für die Richtigkeit von Bezeichnungen für Spezialprodukte, die ihrer Natur nach nur für einen begrenzten Abnehmerkreis in Betracht kommen, ist nicht der allgemeine, sondern allein der auf dem betreffenden Fachgebiet übliche Sprachgebrauch maßgebend (RG MuW 1940, 69 – Spezialfabrik; OLG Hamm MuW 1939, 147 – Stahlbeton -).

Insoweit aber steht fest, daß die angegriffene Bezeichnung seit über einem halben Jahrhundert von der Lackindustrie für einen Lack bestimmten Aussehens und bestimmter Eigenart verwendet wird und sich diese Bezeichnung als verkehrsübliche Handelsbezeichnung für diese Lacke sowohl bei der Herstellerindustrie wie auch bei der lackverarbeitenden Industrie und beim Anstreicherhandwerk durchgesetzt hat. Dies hat seinen Niederschlag nicht nur in den gebräuchlichen Konversationslexika gefunden, sondern auch in der ausdrücklichen Anerkennung dieser Bezeichnung durch die Bezeichnungsvorschriften des Reichsausschusses für Lieferbedingungen und Gütesicherung (RAL 529 A), die nicht nur von den Erzeuger-, Händler- und Verbraucher*-organisationen, sondern auch von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs anerkannt worden sind, deren oberstes Ziel es ist, den Grundsatz der Wahrheit und Klarheit in der Werbung durchzusetzen. Dementsprechend verwenden auch die DIN-Normen Nr 1976 vom August 1925 wie der DIN-Entwurf 55945 vom November 1954 und die DIN-Normen 1836 vom Juli 1955 wie schließlich auch amtliche Ausschreibungen (vgl Ausschreibung des Bundesministeriums für Verteidigung, Bundesanzeiger Nr 220 vom 10. November 1956) die Bezeichnung Emaillelack für Lacke der fraglichen Eigenart.

Nun kommen zwar als Abnehmer der Lackerzeugnisse der Beklagten auch Laien in Betracht, die über keine Materialkenntnisse verfügen. Darüber, ob dieser fachunkundige Abnehmerkreis gegenüber den Fachleuten, die Abnehmer der Lackerzeugnisse der Beklagten sind und bei denen eine Täuschungsgefahr von vornherein ausscheidet, nach ihrem rein zahlenmäßigen Verhältnis eine beachtlichen Minderheit darstellt, trifft das angefochtene Urteil keine Feststellung. Einer solchen Feststellung bedarf es aber auch für die Entscheidung der Streitfrage nicht. Denn selbst wenn die Behauptung der Klägerin als richtig unterstellt wird, daß zunehmend nicht fachkundige Laien selbst Anstreicharbeiten ausführen, muß von dem nicht handwerklich vorgebildeten Laien, der sich solcher Arbeiten unterziehen will, erwartet werden, daß er sich beim Erwerb der für diese Arbeiten erforderlichen Arbeitsmittel fachlich beraten und anleiten läßt und sich nicht etwa durch eine nach ihrem allgemeinen Wortsinn mehrdeutige Warenbezeichnung für ein Spezialprodukt dieses Fachgebietes in seinem Kaufentschluß beeinflussen läßt. Gegenüber im Fachhandel üblichen Bezeichnungen ist dem Nichtfachmann, der sich ohne Vorkenntnisse auf einen überwiegend von gewerblichen Verarbeitern beherrschten Arbeitssektor begeben will, eine erhöhte Aufmerksamkeit zuzumuten. Läßt er diese außer acht und verzichtet er auf eine Aufklärung, so hat er es sich selbst zuzuschreiben, wenn eine in der Fachwelt durchgesetzte Bezeichnung infolge ihres mehrdeutigen Wortsinns falsche Gütevorstellungen in ihm erweckt.

Ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit, den Nichtfachmann vor Irreführung durch handelsübliche Bezeichnungen für Spezialprodukte zu bewahren, deren sachgemäße Verarbeitung erfahrungsgemäß gewisse Vorkenntnisse voraussetzt, kann nicht anerkannt werden. Der gegenteilige Standpunkt würde zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, daß der Fachwelt eingebürgerte Bezeichnungen – man denke beispielsweise an handelsübliche Bezeichnungen wie Plexiglas, ein glasartiges Kunststoffprodukt, oder Goldbronze, einer goldgelben Kupferaluminiumlegierung – nur deshalb entzogen werden könnten, weil nicht vorgebildete Laien mehr und mehr dazu übergehen, das unter der fraglichen Bezeichnung auf dem Markt befindliche Erzeugnis selbst zu verarbeiten. Das aber würde die Vernichtung eines wertvollen Besitzstandes der Fachwelt an der fraglichen Bezeichnung, einen erheblichen Kostenaufwand für die Umbenennung sowie eine Verkehrsverwirrung bei der fachkundigen Abnehmerschaft, die das fragliche Erzeugnis weiterhin unter der handelsüblichen Bezeichnung verlangt, zur Folge haben können, ohne daß dies durch schutzwürdige Interessen der fachkundigen Abnehmer, die bei der ihnen zumutbaren Aufmerksamkeit vor Irreführungen bewahrt bleiben würden, gerechtfertigt wäre.

Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Meinungserforschung des für eine Täuschungsgefahr allein in Betracht kommenden Laienkreises, der an eigenen handwerklichen Arbeiten Interesse hat. Das Klagbegehren, der Beklagten für ihre Lackerzeugnisse die Bezeichnung „Email(le)-Lack“ zu verbieten, ist vielmehr deshalb unbegründet, weil diese Bezeichnung nach dem auf dem fraglichen Fachgebiet herrschenden Sprachgebrauch richtig ist und dies auch Nichtfachleute, die sich auf diesem Gebiet betätigen wollen, gegen sich gelten lassen müssen.