Ein Champagner unter den Mineralwässern (BGH – I ZR 109/85)

Leitsatz
   
1. Die Grundsätze über die Sittenwidrigkeit der Ausnutzung eines fremden Rufs zur Förderung des Absatzes eigener Ware sind grundsätzlich auch auf durch das genannte Abkommen geschützte Herkunftsbezeichnungen anzuwenden, soweit die befugten Benutzer einen solchen Ruf unter der Bezeichnung erworben haben.

2. Zur Frage der Sittenwidrigkeit der Rufausbeutung einer geschützten französischen geographischen Herkunftsbezeichnung durch den inländischen Vertriebsberechtigten eines französischen Unternehmens, wenn dieses seit Jahrzehnten in Frankreich so wirbt und daran dort einen rechtlich nicht entziehbaren Besitzstand erlangt hat.

   
Orientierungssatz
   
1. Zu Leitsatz 2:

Zwar ist es in der Regel mit dem Anstandsgefühl der Gewerbebetreibenden nicht vereinbar, den Ruf einer fremden Bezeichnung, entsprechend auch einer gesetzlich besonders geschützten ausländischen geographischen Herkunftsbezeichnung, in der Werbung für den Absatz eigener Waren auszunutzen. Genießt diese Angabe aber nicht einmal im Heimatstaat Schutz gegen eine derartige werbliche Verwendung durch Dritte, so kann es nach dem zu billigenden Rechtsempfinden der maßgeblichen inländischen Verkehrskreise nicht als sittenwidrig angesehen werden, wenn ein inländisches Vertriebsunternehmen desjenigen, der im Herkunftsland so werben darf, im Inland in gleicher Weise verfährt.

BGH, Urt. v. 04.06.1987, OLG München, LG München

 

Tatbestand   

Die Klägerin zu 1) ist eine nach französischem Recht mit eigener Rechtspersönlichkeit und Klagebefugnis ausgestattete Organisation der französischen Champagnerwirtschaft, die Klägerinnen zu 2) – 4) sind französische Unternehmen, die Champagner in das Gebiet der Bundesrepublik exportieren. Die Klägerin zu 5), ein deutsches Unternehmen, vertreibt im Inland Mineralwässer.

Die Beklagte ist die deutsche Import- und Vertriebsfirma des französischen Mineralwasserherstellers Perrier. Auf den Etiketten der von ihr importierten und vertriebenen Mineralwasserflaschen befindet sich unter der Bezeichnung „Perrier“ der Zusatz „UN CHAMPAGNE DES EAUX MINERALES“. Die Beklagte wirbt ständig für das Mineralwasser mit den Sätzen „Ein Champagner unter den Mineralwässern“ und „Perrier aus Frankreich. So elegant wie Champagner“.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, diese Werbung verstoße unter dem Gesichtspunkt der Ausbeutung fremden Rufs zur Förderung des eigenen Absatzes und wegen Irreführung gegen die §§ 1, 3 UWG. Ferner würden damit die Bestimmungen des deutsch-französischen Abkommens über den Schutz von Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen verletzt.

Die Klägerinnen haben folgende Anträge gestellt:

Der Beklagten wird bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,–, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Mineralwasser „Perrier“ als

„UN CHAMPAGNE DES EAUX MINERALES“

und/oder

„Ein Champagner unter den Mineralwässern“

zu bezeichnen

und/oder mit der folgenden Angabe für das Mineralwasser „Perrier“ zu werben:

„Perrier aus Frankreich. So elegant wie Champagner.“

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält ihre Werbung für rechtmäßig, insbesondere könnten die in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit der Rufausbeutung nicht auf geographische Herkunftsbezeichnungen angewendet werden. Etwaige Unterlassungsansprüche seien verwirkt, weil die Firma Perrier in Frankreich seit 1907 so werbe und in Deutschland seit 1973 eine ähnliche, seit 1979 die beanstandete Werbung betreibe.

Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Klageantrag unter dem Gesichtspunkt der wettbewerbswidrigen Rufausnutzung verurteilt.

Gegen dieses ihr am 19. Mai 1983 zugestellte Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die am 20. Juni 1983 eingegangene Berufungsschrift führt als Prozeßgegner und Berufungsbeklagte lediglich die Klägerinnen zu 1) – 4) auf. Die am 20. Oktober 1983 eingegangene Berufungsbegründung führt dagegen als Berufungsbeklagte die Klägerin zu 1) unter ihrer amtlichen Bezeichnung „und vier andere“ auf. Aus Seite 10 – 11 dieses Schriftsatzes geht hervor, daß sich die Berufung auch gegen den Ausspruch zugunsten der Klägerin zu 5) richten sollte.

Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung auf Antrag der Klägerin zu 5) gerichtet hatte, im übrigen hat es die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese ihren Antrag auf Klagabweisung weiterverfolgt. Die Klägerinnen zu 1) – 5) beantragen, die Revision zurückzuweisen.
 
   
Entscheidungsgründe
   

I. Zur Revision gegen die Verwerfung der Berufung im Hinblick auf die Klägerin zu 5).

Dazu führt das Berufungsgericht aus, da der innerhalb der Frist eingelaufene Berufungsschriftsatz vom 16. Juni 1983 als Berufungsbeklagte die Klägerinnen zu 1) – 4) genau angeführt habe und der Name der Klägerin zu 5) in diesem Schriftsatz nicht erschienen sei, sei das Rechtsmittel insoweit nicht eingelegt worden. Der Einleitung sowie den Seiten 10 und 11 des Schriftsatzes der Beklagten vom 20. Oktober 1983 sei zwar mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß das landgerichtliche Urteil auch gegenüber der Klägerin zu 5) angefochten sein sollte. Es sei aber erst dieser Schriftsatz als Berufung zu werten. Da zur Zeit seines Einganges die Berufungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei, habe die Berufung insoweit verworfen werden müssen.

Soweit sich die Revision dagegen richtet, ist sie gemäß § 547 ZPO statthaft, in zulässiger Weise eingelegt worden und auch erfolgreich. Nach § 518 Abs. 2 ZPO muß die Berufungsschrift die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird und die Erklärung enthalten, daß gegen dieses Urteil Berufung eingelegt wird. In der Rechtsprechung ist dazu anerkannt, daß es ebenso der Angabe der Parteien bedarf, zwischen denen der Streit fortgesetzt werden soll und daß der Gegner, gegen den sich das Rechtsmittel richtet, mindestens bestimmbar bezeichnet sein muß (BGH NJW 1961, 2347; BGHZ 65, 114, 115; BGH NJW 1984, 58, 59; BGH BB 1985, 950, jeweils m.w.N.). Ob der Rechtsmittelgegner bestimmbar bezeichnet worden ist, ist dabei nach den jeweiligen Umständen des Falles zu entscheiden. Dabei ist zu Gunsten des Rechtsmittelklägers davon auszugehen, daß Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten in der Bezeichnung der Parteien nicht schaden, wenn trotz dieser Mängel unzweideutig ersichtlich ist, gegen wen sich das Rechtsmittel richtet (BGH NJW 1961, 2347, st. Rspr.).

Das Berufungsgericht, das ebenfalls von diesen Grundsätzen ausgeht, hat die im Streitfall zugunsten der Beklagten sprechenden Umstände nicht hinreichend gewürdigt. Die Hinnahme der Verurteilung im Verhältnis zur Klägerin zu 5) hätte die Fortführung der Rechtsverteidigung der Beklagten gegenüber der Verurteilung im Verhältnis zu den Klägerinnen zu 1) bis 4) praktisch weitgehend gegenstandslos gemacht, weil die Urteilsformel gleich war. Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin zu 5) von diesem Titel keinen Gebrauch machen würde, etwa, wie das Berufungsgericht gemeint hat, weil eventuell Hoffnung auf eine außergerichtliche Einigung bestanden haben könnte, ergeben sich weder aus den Akten noch wird diese Vermutung im Berufungsurteil mit irgendeinem Indiz belegt. Diese Interessenlage legte die Annahme nahe, daß nur ein Schreibfehler vorlag. Auch das Berufungsgericht war offenbar zunächst dieser Auffassung, denn es hat die Diskrepanz zwischen der Berufungsschrift und der Klarstellung in der Berufungsbegründungsschrift zunächst nicht zum Anlaß genommen, nach § 519 b ZPO zu verfahren. Es hat sogar, nachdem die Klarstellung erfolgt war, im Sitzungsprotokoll vom 27.9.1984 die Klägerin zu 5) ausdrücklich als Prozeßpartei aufgeführt, die Anträge verlesen, ohne Hinweis auf den prozessualen Mangel zur Sache verhandeln lassen und einen Widerrufsvergleich protokolliert. Auch der Klägervertreter hat ausweislich des Protokolls, wie auch in den Schriftsätzen, insoweit keine Rüge erhoben. Erst am 7.11.1984, mehr als ein Jahr nach der Klarstellung, ist das Berufungsgericht auf diesen Punkt eingegangen. Unter diesen besonderen Umständen hätte das Berufungsgericht die Berufung auch als gegen die Klägerin zu 5) gerichtet behandeln müssen.

II. Revision im Verhältnis zu den Klägerinnen 1) bis 4).

1. Das Berufungsgericht bejaht die Aktivlegitimation der Klägerinnen zu 1) bis 4). Die Klägerin zu 1) sei ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Abs. 1 UWG. Zwischen den Klägerinnen zu 2) bis 4) und der Beklagten bestehe ein Wettbewerbsverhältnis, da sie sich sämtlich im Vertrieb von Getränken angesichts einer gewissen Substituierbarkeit ihrer Produkte an den gleichen Kundenkreis wendeten. Zur Sache selbst hat es dahingestellt gelassen, ob die Klageanträge der Klägerinnen zu 1) bis 4) auch aufgrund des § 3 UWG oder des Abkommens vom 8. März 1960 zwischen der französischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland (ZustG v. 21.1.1961, BGBl II, 22) gerechtfertigt sein könnten. Es hat die Beklagte, wie schon das Landgericht, auf der Grundlage des § 1 UWG in Anlehnung an die Rolls-Royce-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1983, 247) unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Ausbeutung eines fremden Rufs zur Unterlassung der beanstandeten Werbung für verpflichtet erachtet. Dem Klageanspruch stehe nicht entgegen, daß die Bezeichnung Champagner, anders als im Rolls-Royce-Fall, nicht als Individualrecht für einen bestimmten Inhaber geschützt sei, sondern eine zugunsten einer größeren Zahl von Herstellern geschützte geographische Herkunftsangabe darstelle. Es entspreche dem Sinn der genannten Rechtsprechung, auch qualifizierte geographische Herkunftsangaben gegen Rufausbeutung und auch gegen Verwässerung ihrer Werbekraft zu schützen.
In tatsächlicher Hinsicht hat es festgestellt, daß der unter der Bezeichnung Champagner oder Champagne zulässig vertriebene französische Schaumwein im Inland einen hervorragenden Ruf besitze. Diesen Ruf mache sich die Beklagte durch die beanstandete Werbung für den Vertrieb des Perrier-Mineralwassers zu nutze. Noch weitergehend als im Sachverhalt der letztgenannten Entscheidung mache die Beklagte den Hinweis auf den Ruf des Champagners geradezu zum Kern ihrer Werbeaussage. Das brauchten die ortsansässigen Hersteller nicht hinzunehmen, zumal die Beklagte dafür kein schutzwürdiges Interesse in Anspruch nehmen könne. Außerdem sei die Bezeichnung Champagner auch gegen eine Verwässerung und Schwächung ihrer Kennzeichnungskraft zu schützen, die letztlich dazu führen müsse, daß die Herkunftsangabe zur Gattungsbezeichnung absinke.

2. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Revisionsangriffe führen zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung. Die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht ist zwar grundsätzlich als zutreffend anzusehen, es bedarf jedoch noch der Aufklärung der entscheidungserheblichen Frage, ob die angegriffene Werbung, wie die Beklagte behauptet hat, in Frankreich von der Firma Perrier seit Jahrzehnten betrieben wird und dieser Firma daran dort ein rechtlich unentziehbarer Besitzstand zusteht.

a) Die Revision macht zunächst geltend, das Berufungsgericht hätte der Beurteilung des Streitfalles nicht deutsches, sondern französisches Recht zugrundelegen müssen. Das folge aus einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze, die sich aus der Stahlexport-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 40, 391, 397ff.) ergäben.

Dem kann nicht beigetreten werden. Sittenwidrige Wettbewerbshandlungen gehören zu den unerlaubten Handlungen; das anzuwendende Recht ergibt sich bei ihnen grundsätzlich aus dem Begehungsort (BGHZ 35, 329, 333 – Kindersaugflaschen). Als solcher kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Wettbewerbsrechts, wie der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung ausgeführt hat, in der Regel nur der Ort angesehen werden, an dem wettbewerbliche Interessen der Mitbewerber aufeinandertreffen, weil nur an dem Ort wettbewerblicher Interessenüberschneidung das Anliegen der Verhinderung unlauterer Wettbewerbshandlungen berührt wird (aaO S. 333). Auf dieser Grundlage ist im Streitfall deutsches Recht anzuwenden, weil die beanstandeten Werbebehauptungen im Inland aufgestellt worden sind und das zu schützende Interesse der Klägerinnen an der Unterbindung dieser Werbung in erster Linie deren wettbewerbliche Stellung auf dem Inlandsmarkt betrifft, mag auch der Schutz der Herkunftsbezeichnung in Deutschland möglicherweise Rückwirkungen auf die Bemühungen der Klägerinnen haben, diesem Begriff, wie sie vorgetragen haben, auch auf anderen Märkten die Alleinstellung zu sichern. Eine entsprechende Anwendung der in der Stahlexport-Entscheidung für die Anwendung deutschen Rechts aufgestellten Grundsätze auf wettbewerbliche Konflikte ausländischer Unternehmen auf dem deutschen Markt, wie sie die Revision anregt, kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht gezogen werden, hätte auch im Tatsächlichen keine Grundlage, weil die Beklagte unbeschadet ihrer wirtschaftlichen Stellung als Vertriebsunternehmen eines französischen Herstellers ein deutsches Unternehmen ist.

b) Einwendungen gegen die Anerkennung der Aktivlegitimation der Klägerinnen zu 1) bis 4) hat die Revision nicht gesondert geltend gemacht. Insoweit bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken. Die Klagebefugnis der Klägerin zu 1) ergibt sich aus deren Charakter als rechtsfähiger Verband im Sinne des § 13 Abs. 1 UWG, den das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Für die Aktivlegitimation der Klägerinnen zu 2) bis 4) genügt es nach der Rechtsprechung des Senats, daß sich die Beklagte nach der Klagebehauptung als Verletzer durch die Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu den Betroffenen gestellt hat, was auch dadurch geschehen konnte, daß sie sich durch eine Gleichstellungsbehauptung an den Ruf der fremden Ware anhängte und diesen für den Absatz ihrer Waren auszunutzen suchte (vgl. BGH GRUR 1985, 550, 552 – Dimple).

Die Ausführungen im letztgenannten Urteil beschränken sich allerdings auf Fälle, in denen eine wirtschaftliche Ausnutzung des Rufes auch dessen Inhaber, im Regelfall durch Lizenzgewährung, möglich ist. Der Senat trägt aber keine Bedenken, diese Grundsätze auf den Fall anzuwenden, daß der Ruf einer durch das genannte Abkommen geschützten geographischen Ursprungsbezeichnung ausgebeutet wird. Das konkrete Wettbewerbsverhältnis besteht dabei in ähnlicher Weise im Hinblick auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit des Werbewertes der Ursprungsbezeichnung (vgl. dazu auch Fezer GRUR 1986, 485, 493).

c) Auch soweit sich die Revision gegen die Beurteilung des festgestellten Sachverhalts als Verstoß gegen § 1 UWG wendet, kann ihr im Grundsatz nicht beigepflichtet werden. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bereits wiederholt anerkannt worden, daß es als sittenwidrig im Sinne der genannten Vorschrift beurteilt werden kann, wenn ein Wettbewerber die Qualität seiner Waren oder Leistungen mit denen geschätzter Konkurrenzerzeugnisse in Beziehung setzt, um den guten Ruf der Waren oder Leistungen eines Mitbewerbers als Vorspann für die eigene Absatzwerbung auszunutzen (BGHZ 40, 391, 398 – Stahlexport; BGH GRUR 1969, 413, 414 – Angelique II; GRUR 1983, 247, 248 – Rolls-Royce; GRUR 1985, 550 – Dimple). Zu Unrecht stellt die Revision diesen Grundsatz in Frage.

aa) Sie meint, es handele sich bei dieser Rechtsprechung um eine systemwidrige und deshalb unzulässige Ausdehnung des Schutzes der Immaterialgüterrechte, wie sie an Namen und Kennzeichen bestünden, wenn unter dem Gesichtspunkt des § 1 UWG die Ausnutzung fremden Rufs als Vorspann zur Empfehlung der eigenen Ware als wettbewerbswidrig behandelt werde. Damit werde der Schutzbereich der Ausschließlichkeitsrechte über die nach den einschlägigen Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes gezogenen Grenzen hinaus ausgeweitet. Das sei auch verfassungswidrig, weil dadurch der in Art. 2 und 5 GG vorgegebene allgemeine Freiheitsraum beschränkt werde.

Dem kann nicht beigetreten werden. Seit langem ist anerkannt, daß über die durch die Sondergesetze gewährten Abwehransprüche hinaus ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Schutz dort in Frage kommen kann, wo der sonderrechtliche Schutz nicht eingreift, sofern besondere Umstände die Wettbewerbswidrigkeit begründen (BGH GRUR 1961, 413, 416 – Dolex; GRUR 1969, 190 – halazon, st. Rspr.; Baumbach/ Hefermehl WZG 12. Aufl. § 31 Rdz. 182ff. m. w. Nachw.; ders. UWG § 1 Rdz. 422; weitergehend Fezer GRUR 1986, 485, 494). Damit wird der Sonderrechtsschutz, jedenfalls für Tatbestände der hier in Rede stehenden Art, nicht im Widerspruch zum Schutzzweck der Sondergesetze ausgeweitet. Denn diese schützen die Berechtigten gegen die – bei Kennzeichnungen – mit Verwechslungen verbundenen Gefahren, nicht aber gegen Handlungen, die andersartige Beeinträchtigungen zum Gegenstand haben, wie etwa die Ausbeutung des geschäftlichen Rufes, den sich der Inhaber der Kennzeichnung unter dieser erworben hat. Daß dieses Normverständnis gegen Art. 2 und 5 GG, als Einschränkung der allgemeinen Handlungs- und Meinungsfreiheit, verstoße, kann der Revision nicht eingeräumt werden, wird von ihr auch nicht näher begründet.

bb) Die Anwendung dieses Grundsatzes auf Fälle der vorliegenden Art ist an sich nicht zu beanstanden.

Die bisher in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle der offenen und nicht irreführenden Anlehnung betrafen allerdings die Ausbeutung eines Rufes, der einem Einzelunternehmen zukam. Die Frage, ob auch die Ausnutzung des Rufes einer fremden geographischen Ursprungsbezeichnung sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG sein kann, hat der Bundesgerichtshof zwar angesprochen, dabei auch auf die für die Anwendung des § 1 UWG jedenfalls zu fordernde besondere Werbekraft des betreffenden Herkunftshinweises hingewiesen, aber bisher nicht abschließend entschieden (vgl. BGH GRUR 1965, 317, 318 – Kölnisch Wasser).

Es bestehen aber, jedenfalls für den hier vorliegenden Fall einer durch das genannte Abkommen geschützten geographischen Herkunftsangabe, keine durchgreifenden Bedenken gegen die entsprechende Anwendung der genannten Grundsätze. Zwar steht den durch das genannte Abkommen begünstigten Herstellern kein Immaterialgüterrecht an der Bezeichnung Champagner zu, so daß, worauf die Revision hinweist, die Möglichkeit einer Lizenzerteilung, wie in den Fällen Rolls-Royce und Dimple, nicht in Betracht kommt. Maßgeblich ist aber, daß die begünstigten Hersteller in vergleichbarer Weise wie die Inhaber von Individualrechten für die von ihnen vertriebenen Produkte einen besonderen Ruf begründen können, dessen Ausnutzung durch andere Wettbewerber beeinträchtigt werden kann (ebenso im Ergebnis Hefermehl UWG 14. Aufl. § 1 Rdz. 485; grundsätzlich auch Tilmann, Die geographische Herkunftsangabe, 1976 S. 291).

Unbeschadet des allgemeinen Grundsatzes kommt es, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung jeweils auf die besonderen Umstände des Falles an. Die Revision rügt dazu, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten übergangen, sie verwende die Bezeichnung Champagner in ihrer Werbung nur symbolhaft als Sinnbild von Luxus und Extravaganz, als Metapher für die Begriffe elegant, anspruchsvoll, exklusiv, teuer, und als Statussymbol. Ein solcher Gebrauch des Wortes Champagner stehe im Einklang mit den Regeln der deutschen Sprache. Das verstoße deshalb weder gegen gute kaufmännische Sitten, noch werde damit in den Schutzbereich der nach dem Abkommen vom 8.3.1960 geschützten Herkunftsbezeichnung Champagner eingegriffen.

Auch diese Einwendungen greifen nicht durch. Es ist zwar richtig, daß die Beklagte den Begriff Champagner nicht als Herkunftsbezeichnung verwendet und daß der Verkehr den angegriffenen Werbebehauptungen auch nicht entnimmt, daß die Beklagte den Begriff Champagner, etwa wie im Fall Champagner-Weizenbier (BGH GRUR 1969, 611), als Bezeichnung der von ihr vertriebenen Waren benutze. Die Bezugnahme wird nach den Feststellungen auch nicht dahin verstanden, daß die Qualität ihrer Ware der des Champagners in der Weise gleich sei, wie das in anderen Fällen durch Hinweise wie „nach Art von …“ „Typ“ usw. ausgedrückt worden ist. Es liegt durchaus eine Besonderheit des Falles darin, daß die Bezugnahme sich lediglich auf eine vergleichbare Exklusivität bezieht, in dem Sinne, daß Perrier unter den Mineralwässern das sei, was Champagner unter den Schaumweinen. Es kann der Revision eingeräumt werden, daß dieser Gebrauch an sich im Einklang mit den Regeln der deutschen Sprache steht. Doch zwingt das unter den Umständen des Streitfalles nicht zu der Folgerung, daß er deshalb nicht gegen gute Wettbewerbssitten verstoßen könne. Es ist zutreffend, wenn das Berufungsgericht insoweit als entscheidend angesehen hat, daß die Beklagte, wie auch die Firma Perrier, diese Bezugnahme auf den Begriff Champagner zum Kern ihrer Werbung gemacht hat. Denn es könnte der Beklagten zwar nicht eine Verwendung des Begriffs Champagner in dem Umfang verwehrt werden, wie er dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen würde, im Zusammenhang mit Mineralwasser etwa ein gelegentlicher Hinweis aus gegebenem Anlaß. Es ist dem Berufungsgericht aber darin zuzustimmen, daß die ständige und systematische Verwendung des Slogans als Aufschrift auf jedem Etikett und als ständig wiederholte Werbeaussage eine als unlauter zu beurteilende Rufausnutzung darstellt.

Dem steht nicht entgegen, worauf die Beklagte hingewiesen hat, daß der Begriff Champagner dabei lobend gebraucht wird. Das schließt eine wettbewerbswidrige Ausbeutung des Rufs der befugtermaßen mit diesem Begriff werbenden Unternehmen nicht aus. Wie der Senat in der Rolls-Royce-Entscheidung ausgesprochen hat, kommt es nicht darauf an, in welcher Art und mit welchen Mitteln der fremde Ruf als Vorspann eigener Absatzbemühungen ausgenutzt wird (BGH GRUR 1983, 247, 248). Gerade eine lobende Hervorhebung der in Bezug genommenen Ware ist durch eine Gleichstellungsbehauptung zur Rufausbeutung geeignet, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Daß wegen dieses Charakters der Bezugnahme kein Schutzbedürfnis der befugtermaßen mit dem Begriff Champagner werbenden Unternehmen bestehe, wie die Beklagte geltend gemacht hat, hat das Berufungsgericht zu Recht nicht anerkannt. Im Streitfall besteht allerdings nicht die beim direkten Warenvergleich gegebene Gefahr der allmählichen Umwandlung in eine Beschaffenheitsangabe. Das Berufungsgericht ist aber rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die – nach den Flaschenumsätzen der Beklagten – millionenfache Nennung im Zusammenhang mit Mineralwasser den Begriff Champagner auch in seiner Besonderheit zu entwerten geeignet ist.

Damit hat das Berufungsgericht auch eine reale Beeinträchtigungsgefahr festgestellt, wie sie nach der Rechtsprechung des Senats in derartigen Fällen gegeben sein muß, um den Tatbestand sittenwidriger Rufausbeutung zu erfüllen (vgl. BGH, I ZR 27/85, Urt. v. 2.4.1987 – Camel-Tours). Da die übrigen Voraussetzungen dieses Tatbestandes, insbesondere die besondere Werbekraft der Bezeichnung Champagner für Schaumweine, unter den Parteien außer Streit ist (vgl. dazu auch BGH GRUR 1969, 611 – Champagner-Weizenbier), begegnet das Berufungsurteil auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken.

3. Gleichwohl mußte die Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts führen. Die Beklagte hat behauptet und näher dargelegt, in Frankreich, dem Herstellungsland sowohl des Champagners wie des Perrier-Mineralwassers, habe die Firma Perrier, von der sie, die Beklagte, ihre Rechte ableitet, seit jeher in der hier beanstandeten Art geworben. Sie hat geltend gemacht, daß die Firma Perrier dort einen rechtlich unentziehbaren Besitzstand an dieser Art der Werbung erlangt habe und ist der Ansicht, angesichts dieser Lage könne ihr in der Bundesrepublik eine solche Werbung nicht verboten werden.

Das Berufungsgericht hat eine solche Rechtslage für das Gebiet der französischen Republik unterstellt und unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung geprüft. Es hat ausgeführt, die Klägerinnen brauchten jedenfalls eine Ausweitung eines solchen Besitzstandes auf das Gebiet der Bundesrepublik nicht hinzunehmen. Damit wird jedoch die rechtliche Bedeutung dieses Vorbringens nicht ausreichend gewürdigt. Es ist auch für die Frage der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG rechtlich bedeutsam. Zwar ist es in der Regel mit dem Anstandsgefühl der Gewerbetreibenden nicht vereinbar, den Ruf einer fremden Bezeichnung, entsprechend auch einer, wie die Angabe Champagner, gesetzlich besonders geschützten ausländischen geographischen Herkunftsbezeichnung, in der Werbung für den Absatz eigener Waren auszunutzen. Genießt diese Angabe aber, wie die Beklagte für den Streitfall behauptet hat, nicht einmal im Heimatstaat Schutz gegen eine derartige werbliche Verwendung durch Dritte, so kann es nach dem zu billigenden Rechtsempfinden der maßgeblichen inländischen Verkehrskreise nicht als sittenwidrig angesehen werden, wenn ein inländisches Vertriebsunternehmen desjenigen, der im Herkunftsland so werben darf, im Inland in gleicher Weise verfährt.

Das Berufungsurteil enthält keine Feststellungen darüber, ob die Behauptung der Beklagten, die Firma Perrier dürfe in Frankreich in dieser Weise werben, zutrifft. Die zu diesem Komplex und dem Gesichtspunkt der Verwirkung vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen beruhen auf einer Unterstellung. Dem Revisionsgericht ist daher eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Es bedarf insoweit weiterer Aufklärung.